Nach Tumulten an Berufsschule:Umstrittener Polizei-Einsatz in Nürnberg: Herrmann hat "volle Rückendeckung" in CSU

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Hat keine Bekundungen von Solidarität nötig, die CSU scheint hinter ihm zu stehen: der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. (Foto: dpa)
  • Nach der geplatzten Abschiebung von Nürnberg kritisieren SPD und Grüne den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) scharf.
  • In der CSU scheint es dagegen kaum Zweifel an Herrmann zu geben.
  • Herrmann ist CSU-Spitzenkandidat für die kommende Bundestagswahl. Im Wahlkampf ist die Partei bekannt für ihre Wagenburgmentalität.

Von Wolfgang Wittl, München

Es ist vermutlich ein ungewohntes Gefühl für Joachim Herrmann: Seit Wochen zieht Bayerns Innenminister als gefeierter Held seiner Partei durchs Land; seit er Anfang Mai von der CSU zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt wurde, standen die Schulterklopfer Schlange. Und nun prasselt erstmals nicht mehr Lob, sondern scharfe Kritik auf ihn ein - wenn auch von der Opposition. Herrmann trage die volle Verantwortung für die Eskalation in Nürnberg, wüten die Grünen. Auch SPD und Freie Wähler finden: Abschiebungen aus Schulen, das gehe gar nicht. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hält sie für "schlichtweg unmenschlich".

Gerät da nun einer unter Druck oder sogar ins Wanken? Wird Herrmann seinen Kurs, der sich eng im Korridor der inneren Sicherheit bewegt, womöglich sogar leicht korrigieren? Mitnichten.

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Schon mit der ersten Presseerklärung machte der Minister deutlich, wer aus seiner Sicht die Schuld trage an den Vorfällen in Nürnberg: "Linksautonome Chaoten" sowie ein Asylbewerber, der durch sein Verhalten "jegliche Aussicht auf Duldung selbst verspielt" habe.

So sehr die Opposition schäumt - in seiner Partei herrschen nicht die geringsten Zweifel an Herrmann. Zwar würde wohl jeder solche Bilder wie in Nürnberg am liebsten vermeiden, sagt ein CSU-Mann. Aber Herrmann etwas vorzuwerfen? Schon die Frage wird als absurd empfunden. Der Minister habe gewiss keine Solidaritätsbekundung nötig, sagt etwa der stellvertretende Generalsekretär Markus Blume. Aber klar, Herrmann habe "die volle Rückendeckung".

Selbst Landtagspräsidentin Barbara Stamm, eine der lautesten CSU-Stimmen für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik, schweigt. Zum einen, weil der Fall wohl differenzierter ist als angenommen; zum anderen, weil sie Herrmann außerordentlich schätzt. Der Innenminister ist in der CSU nicht für Showeffekte bekannt, sondern für eine klare Linie. Die Partei vertraut ihm.

Dass der Einsatz von Nürnberg nicht optimal gelaufen sei, das sagen zwar auch CSU-Politiker. Offen geäußert hat sich aber nur der Innenpolitiker Stephan Mayer, der die Aktion "alles andere als sensibel" nannte. Ob sie wirklich klug gewesen sei, daran zweifeln einige CSU-Leute. Aber deshalb den Polizeieinsatz zu kritisieren und damit indirekt auch den Innenminister, stehe auf einem anderen Blatt. Mayer habe sich mit diesem Satz wohl keinen großen Gefallen getan. Die CSU ist in Wahlkampfzeiten bekannt für ihre Wagenburgmentalität, und mitten in dieser Wagenburg steht Herrmann, ihr Spitzenkandidat und Aspirant für das Bundesinnenministerium.

Der frühere Parteichef Erwin Huber, einer seiner größten Unterstützer, ist sogar überzeugt: Der Vorfall von Nürnberg werde den Sicherheitspolitiker Herrmann eher stärken als schwächen. Schon in der jüngsten Vorstandsklausur, als der Minister bei Arbeitserleichterungen für Flüchtlinge bremste, bekam er für seine Position Applaus.

Über Details zu Nürnberg wollte Herrmann am Freitag nichts sagen, die Polizei werte noch aus. Er bekräftigte aber: Abzuschiebende Flüchtlinge in Schulen aufzugreifen, werde "auch künftig die absolute Ausnahme bleiben".

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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