Landtagswahl in Bayern:Die Anti-Merkel-Strategie der CSU

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Merkel auf dem CSU-Parteitag Ende 2017. (Foto: dpa)

Die CSU fürchtet bei der Landtagswahl um Stimmen und hat dafür schon eine Schuldige gefunden: die Kanzlerin. In der Partei wird bereits von offenem Aufstand geraunt.

Von Wolfgang Wittl, München

Man hat es fast schon vergessen, aber vor nicht allzu langer Zeit gab es wirklich Tage, da durfte sich Angela Merkel in München willkommen fühlen. Eineinhalb Jahre hatte sich die CSU an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin abgearbeitet, hatte Merkels Kandidatur in Zweifel gezogen. Das sollte nun vergessen sein.

Es war Ende Mai 2017, als Theo Waigel die Kanzlerin in einem Münchner Wirtshaus begrüßte. Wie sehr Merkel sich freute, zeigte ihre ungewöhnlich emotionale Reaktion: "Ein bewegender Moment" sei das, "toll" und "danke, lieber Theo Waigel, dass Sie sich bereit erklärt haben, sich so zu zeigen". Als einer der wenigen in seiner Partei mahnte der CSU-Ehrenvorsitzende seit Monaten, die Union müsse endlich wieder zusammenfinden.

Waigel brachte eine Wählerinitiative pro Merkel zu einer Zeit ins Spiel, als Parteichef Horst Seehofer der Kanzlerin noch mit Verfassungsklage drohte. Hinter Waigel versammelte sich der liberale Flügel der CSU: Alois Glück und Michael Glos, Kurt Faltlhauser und Hans Maier, Christa Stewens und Erwin Huber - sie alle stellten sich hinter Merkel. Sechs Tage später feierten Seehofer und Merkel selbst Versöhnung. Die Menschen im Truderinger Bierzelt jubelten wie früher, der heutige Generalsekretär Markus Blume begrüßte die Kanzlerin als "Anführerin der freien Welt".

Alles gut? Von wegen. Aus mühsam gekitteten Rissen sind wieder Krater geworden. Vor einem Jahr ging es nur um die Bundestagswahl, jetzt geht es für die CSU um alles. Merkel gilt als Mühlstein, der die ganze Partei bei der Landtagswahl ins Verderben zu ziehen droht. Sogar bedächtige Mitglieder beklagen einen "Merkel-Malus". Schon bei der Bundestagswahl sei man in einer "Merkel-Falle" gesessen. Dieses eine Mal, so hätten Wähler damals gesagt, verabreiche man der CSU einen Denkzettel. Doch nun, ein Jahr später, sind die Wähler immer noch nicht zurückgekehrt. Die Schuld? Trage natürlich Merkel. Denn die sitze ja immer noch im Kanzleramt.

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Als die CSU-Spindoktoren die Bundestagswahl untersuchten, kamen sie zu der Diagnose: Man sei nicht zu hart mit der Kanzlerin umgesprungen, sondern viel zu freundlich. Nur so erkläre sich das schlechte Abschneiden. Und so erklärt sich jetzt auch die kühle Strategie. Merkel, die Unerwünschte - ist es wirklich so einfach?

Nicht jeder in der CSU würde die Kanzlerin am liebsten auf den Mond schießen, aber einen Logenplatz in "Bavaria One", dem Raumfahrtprogramm von Ministerpräsident Markus Söder, würden ihr schon manche gönnen. "Das CSU-Wahlkampfschiff ist umprogrammiert worden auf einen Anti-Merkel-Kurs", sagt ein Vorstandsmitglied. Abgeordnete merken, wie der Applaus anschwillt, sobald sie die Kanzlerin bei Veranstaltungen kritisieren. Das lässt einiges erahnen für die nächsten Monate. "Es wird risikofrei werden, auf dem Rücken von Angela Merkel Wahlkampf zu machen", orakelt einer aus der Landtagsfraktion: "Sie wird von CSU-Politikern mehr attackiert werden als von der AfD."

Von einem gemeinsamen Wahlkampf spricht längst keiner mehr. Am 15. September lädt die CSU im Münchner Postpalast zum eintägigen Parteitag, es ist der Auftakt für den Endspurt. Merkels Anwesenheit ist so wenig eingeplant wie bei der Abschlusskundgebung. Zur Erinnerung: Vor fünf Jahren konnte die CSU gar nicht genug bekommen von Merkel, sie war Garantin für die Rückkehr zur absoluten Mehrheit. Doch damals gab es auch noch keine Flüchtlingskrise. Frischer sind die Eindrücke aus dem vorigen Jahr, als die Kanzlerin bei ihren Auftritten in Rosenheim oder Regensburg wütend ausgepfiffen wurde, die "Raus-Rufe" übertönten selbst die CSU-Redner. Auch wenn sich die Proteste leicht als die Choreografie geübter AfD-Störtruppen identifizieren ließen - auf eine Wiederholung ist niemand in der CSU erpicht. Die Marschroute: Abgrenzung.

Ministerpräsident Söder hat von seinem Kabinett am Dienstag beschließen lassen, dass an den Grenzen eine "Zurückweisung von Asylbewerbern notwendig" sei. Genauso gut könnte die Staatsregierung fordern, die Sonne müsse um die Erde kreisen. Aber die Botschaft ist klar - wie auch der "aktuelle Anlass", der dem Beschluss zugrunde liegt. Der Name Merkel fällt kein einziges Mal, jeder weiß, wer gemeint ist.

"Nicht hinnehmbar" sei "die Dauerbelastung von Staat und Gesellschaft durch den anhaltenden Flüchtlingszustrom und die weiterhin unzureichende Zahl an Rückführungen abgelehnter Asylbewerber". Er wolle ein Signal setzen, "den bestehenden Asyltourismus in Europa zu beenden", sagte Söder. Das sei "rechtlich, politisch und moralisch mehr als vertretbar". Das Gleiche will er am Donnerstag bei seiner ersten Ministerpräsidentenkonferenz vortragen.

"Es geht um Rückendeckung für die Diskussion in Berlin", sagte Söder noch. Rückendeckung für Seehofer im Streit mit Merkel. Wer nicht bereit sei, "eine veränderte Politik zu machen, hat Zeichen der Zeit noch nicht akzeptiert". In der CSU wird bereits von offenem Aufstand gegen die Kanzlerin geraunt. Als Innenminister sei Seehofer jederzeit befugt, die Zurückweisungen an der Grenze alleine anzuordnen. Und was, bitteschön, wolle Merkel dann dagegen unternehmen? Die Frage könnte am Montag auch den CSU-Vorstand beschäftigen. Andere argwöhnen, Seehofer und auch Söder würden schon jetzt nach einem "Sündenbock" Ausschau halten, sollte die Landtagswahl gründlich schiefgehen. Merkel, obwohl Frau, hätte gute Chancen.

Und so läuft alles auf die nächste Kraftprobe hinaus: Hier eine zu allem entschlossene CSU; dort eine Kanzlerin, die sich bislang wenig von anstehenden Landtagswahlen im Süden hat beeindrucken lassen. Berührungsängste mit Bayern kennt Merkel noch nicht. Zwei Wochen vor der Wahl wird sie ein Konzert in Ottobeuren besuchen. Ihr Gastgeber ist einer, der nach wie vor große Stücke auf sie hält: "Wer Viktor Orbán einladen kann", sagt Theo Waigel mit Blick auf seine CSU, "der kann auch Angela Merkel einladen."

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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