Flüchtlingspolitik:Der Zorn des Hans Maier auf die CSU

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Als Hans Maier 1970 Kultusminister wurde, gehörte er weder dem Landtag noch der CSU an. (Foto: Robert Haas)

Der Ex-Kultusminister kritisiert die Haltung seiner Partei in der Flüchtlingspolitik. Er steht exemplarisch für viele, die mit der neuen Markus-Söder-CSU fremdeln.

Von Matthias Drobinski

Aus der Politik hat sich Hans Maier herausgehalten in letzter Zeit. Der ehemalige bayerische Kultusminister ist ein 86 Jahre alter Herr geworden, der hier einen Vortrag hält, dort ein Interview zum Reformationsjahr gibt und auch mal die Kirchenorgel spielt. Bevor er 85 wurde, ärgerte er sich im Münchner Merkur ziemlich laut darüber, wie seine Partei, die CSU, in der Flüchtlingsdebatte mit Bundeskanzlerin Merkel umsprang; nebenbei bescheinigte er dem Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber, dass er "ein bisschen außer Rand und Band geraten ist".

Nun hat es ihn wieder gepackt. Er hat per Brief der CSU-Landesgruppe die Leviten gelesen. "Kann eine Partei, die das C im Namen führt, wirklich den Familiennachzug - vielmehr sein Unterbleiben - zur Hauptforderung bei künftigen Koalitionsverhandlungen machen?" fragt er, und: "Kann sie eine Flüchtlingspolitik vertreten, in der das Wort Nächstenliebe und das elementare Verständnis für Verfolgte fehlen?"

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Es ist der Zorn des liberal-konservativen Katholiken, der sich da Bahn bricht, darüber, wie wenig aus seiner Sicht noch das Christliche gilt in der CSU, wie fremd sich die Partei und die Kirchen geworden sind. "Ich habe den Eindruck, dass sich da ein Prozess der Erosion vollzieht", klagte Maier schon 2016 - dieser Eindruck hat sich bei ihm offenbar verfestigt.

Für die CSU ist der Zorn des Hans Maier mehr als der Einwurf eines alten Herrn, für den früher alles besser war. Er steht für das Fremdheitsgefühl, das viele kirchlich gebundene Christsoziale in der neuen Markus-Söder-CSU plagt. Das Burschikose und Bedenkenarme des designierten Ministerpräsidenten ist dem feinsinnigen Bildungsbürger Maier fremd. Wenn er nun, ohne Namen zu nennen, dem Führungspersonal der CSU Selbstverliebtheit und mangelnden Willen zur Selbstkritik vorwirft, weiß man, wer gemeint ist.

Für Maier stand das christliche Bekenntnis stets vor dem zur CSU. Der Glaube hatte ihm in seiner Kindheit in Freiburg geholfen, den plötzlichen Tod des Vaters zu verkraften; der christliche Konservatismus war das Gegengift zum Nationalsozialismus, die katholische Jugendarbeit eine Übung in Demokratie. Als der Münchner Politik-Professor 1970 Kultusminister wurde, gehörte er weder der CSU noch dem Landtag an.

Maier gilt als unabhängiger Freigeist

Das Amt galt als Himmelfahrtskommando, doch Maier schaffte es, zu einem der bekanntesten Bildungspolitiker seiner Zeit zu werden. Und ausgerechnet er, der privat brav bürgerliche Vater von sechs Töchtern, traute sich, dem großen Franz Josef Strauß Widerworte zu geben. Der Mann sei hochbegabt, aber ohne Selbstbeherrschung, urteilte Maier. Er war gegen eine Trennung von der CDU, vom höfischen Gehabe des Ministerpräsidenten hielt er sich fern; bei der Hochzeit der Strauß-Tochter Monika weigerte er sich, in der Kutsche über den Marienplatz zu fahren. 1986 verließ er das Kabinett, als Strauß sein Ministerium aufteilte.

Ein unabhängiger Freigeist, das ist Maier auch in seiner katholischen Kirche bis heute. Als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken war er zunächst dagegen, dass die Grünen an Katholikentagen teilnahmen - und änderte Schritt um Schritt seine Meinung. Mit Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt, stritt er heftig über die Schwangeren-Konfliktberatung: Zum Ärger des damaligen Chefs der Glaubenskongregation gehörte er zu den Gründern des Vereins Donum Vitae, der die Beratung fortsetzte.

Dieser liberale Katholizismus ist selten geworden in der CSU; wer früher wie Hans Maier selbstverständlich bei der Union seine politische Heimat sah, kann heute genauso gut bei der SPD oder den Grünen landen. Andersherum übernimmt die CSU längst nicht mehr kirchliche Positionen ins Programm. Hans Maier empfindet das als Verlust. Die CSU sei immer eine christliche und soziale Volkspartei gewesen, schreibt er, und: "Treue zu den Anfängen ist das Gebot der Stunde."

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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