Horst Seehofer:Die CSU sehnt sich nach konservativer Rückbesinnung

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Die Rückendeckung von Horst Seehofer schwindet. Sein Rivale Markus Söder bringt sich schon in Stellung. (Foto: dpa)

Das schlechte Wahlergebniss hat Horst Seehofer geschwächt. Jetzt versucht er, die Partei für seinen "Mitte-rechts-Kurs" zu begeistern. Doch die Rufe nach Markus Söder werden lauter.

Von Wolfgang Wittl

So schnell schafft man es also in die Schlagzeilen. Eigentlich hatte Markus Blume nur ein paar Gedanken zum Zustand der Union verfassen wollen. Blume, 42, gehört zu den wenigen intellektuellen Talenten in der CSU, er hat federführend das neue Grundsatzprogramm seiner Partei entwickelt, ist deren stellvertretender Generalsekretär. Doch auf einmal waren seine Gedanken keine bloßen Gedanken mehr, sondern kursierten als "Zehn-Punkte-Plan" oder "Positionspapier" der CSU für die schwierigen Gespräche mit der Schwesterpartei CDU am Sonntag in Berlin, in denen es um nicht weniger gehen sollte als um das künftige Wertefundament der gesamten Union.

Die ungewöhnlich große Aufmerksamkeit für Blumes Beitrag lässt tief blicken: Sie offenbart zum einen die Sehnsüchte in der Union nach einer konservativeren Ausrichtung. Nicht nur in der CSU herrscht das Gefühl vor, Angela Merkel habe die Koordinaten so weit nach links verschoben, sodass dadurch erst der Raum für die AfD entstehen konnte.

CSU-Leute berichten von täglichen Hilferufen aus der Schwesterpartei, man möge gegenüber Merkel doch bitte tapfer die Fahne hochhalten. Doch wenn es darauf ankomme, gegenüber der Kanzlerin selbst Flagge zu zeigen wie jetzt beim Deutschlandtag der Jungen Union, reihe sich die CDU aus Parteiräson wieder brav hinter ihrer Vorsitzenden ein.

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Zum anderen spiegelt sich in dem Papier die wilde Entschlossenheit der CSU, die sich zwar auch, aber nicht ausschließlich aus der für sie noch wichtigeren Landtagswahl 2018 speist. Etliche Merkel-Getreue hatten die Woche über betont, wie richtig der Kurs ihrer Chefin sei. Für die CSU galt es, mit Blick auf Sonntag daher einen Kontrapunkt zu setzen. In Wirklichkeit aber geht es für sie um viel mehr, konkret um die Frage: Für wen im Land wolle die Union noch Politik machen? Und wolle man diese Politik wirklich anderen Parteien überlassen? Die CSU hat die Antwort für sich längst gefunden: Sie versteht sich als Gralshüterin eines "Mitte-rechts-Kurses", den Parteichef Horst Seehofer propagiert.

"Ich kann ohne eine Lösung zur Obergrenze zu meiner Basis nicht zurück"

Vor der Landtagsfraktion hatte Blume zuletzt gesagt: Es könne im Verhältnis zur CDU nun "nicht mehr um Harmonie gehen, sondern um die Richtigkeit der Positionen". Andere in der CSU formulieren die Kritik an Merkel schärfer - und sie nehmen ihren Chef Seehofer in Mithaftung, weil er im Wahlkampf viel zu freundlich mit der Kanzlerin umgegangen sei. Auch deshalb habe die CSU bei der Bundestagswahl mit 38,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 eingefahren, ein Verlust von 10,5 Prozent. Seehofer nimmt für sich in Anspruch, die Ursachen für das Debakel lägen in Berlin, nicht in München.

Ob ihn das retten wird? Einen Putsch wie bei Edmund Stoiber will niemand in der CSU, das Trauma der verlorenen Alleinregierung 2008 wirkt bis heute nach. Die Rufe nach einem geordneten Übergang zu Finanzminister Markus Söder indes werden lauter. Seehofer hat in Berlin daher nicht nur über den Kompass der Union verhandelt, sondern über seine ganz persönliche Zukunft.

Schon einmal gelang es ihm, seine in Bayern erodierende Macht dank der bundespolitischen Situation zu festigen. Es war in der Flüchtlingskrise 2015, als er den Widerpart zu Merkel gab, was ihn wieder zur unangefochtenen Nummer eins in der CSU werden ließ. Die Frage nach seinem Verhandlungsspielraum war damit beantwortet. "Ich kann ohne eine Lösung zur Obergrenze zu meiner Basis nicht zurück", sagte Seehofer. Ob die Obergrenze auch so heißen muss, ließ er offen.

Innerparteilich gibt es Bedenken gegen einen Rechtsruck

Je mehr Zeit für eine Regierungsbildung verstreicht, desto mehr könnte es Seehofer nutzen, sich als Verhandlungsführer unentbehrlich zu machen. Nicht alle in der Partei goutieren diese Strategie. Erwin Huber, Seehofers Vorgänger an der CSU-Spitze, mahnte im Namen aller wirtschaftspolitischen Sprecher der Union: Koalitionsverhandlungen müssten zügig begonnen werden, es dürfe keinen Rechtsruck in der Union geben, Vertrauen könne man nur als Volksparteien der Mitte zurückgewinnen. Schließlich habe die Union nicht nur an die AfD, sondern auch an die FDP verloren. Ähnlich äußerte sich Seehofers Vorgänger als Ministerpräsident, Günther Beckstein, weshalb Seehofer klarstellte: "Rechte Flanke zumachen heißt nicht Rechtsruck." Gemeint sei: Auch soziale Probleme - Mieten, Rente, Pflege - müssten gelöst werden.

Unterstützung bekommt Seehofer vom Arbeitnehmerflügel der CSU. Gefragt sei jetzt "das Abholen der Menschen im gesellschaftlichen Wandel", das habe nichts mit Rechtsruck zu tun, sagt der CSA-Landesvorsitzende Joachim Unterländer, zugleich Vorsitzender im Landeskomitee der Katholiken in Bayern. Er hat als drängendste Probleme der Menschen "die Sorge vor einer Benachteiligung und die enormen Integrationsanforderungen" ausgemacht.

Blume hat seine zehn Punkte unter dem Titel zusammengefasst: "Warum die Union eine bürgerlich-konservative Erneuerung braucht". Gedacht sind die Thesen als geistiger Überbau für die Politik der Union, doch manche klingen wie eine persönliche Kritik an Merkel, etwa: Deutschland habe viel Verantwortung in der Welt übernommen, es dürfe aber nie der Eindruck entstehen, dass die eigene Bevölkerung zu kurz komme. Wie eine Drohung liest sich sogar die Einleitung: "Die Union war nie nur ein Kanzlerwahlverein."

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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