Machtkampf in Bayern:Der Machtkampf in der CSU ist auch einer der Geschlechter

Kabinettssitzung in München

Hart angegangen von Teilen der CSU: Ilse Aigner

(Foto: picture alliance / Alexander Hei)
  • Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hat den Vorschlag gemacht, den CSU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl per Urwahl zu bestimmen.
  • Dafür wird sie von vielen Politikern in der Partei regelrecht angefeindet. Einige sehen in der Ansage auch eine Aufforderung zum Duell der Geschlechter.
  • An diesem Donnerstag will CSU-Chef Horst Seehofer Fraktion und Vorstand über die abgebrochenen Sondierungsgespräche berichten. Dabei wird es wohl auch um seine Zukunft gehen.

Von A. Glas, C. Henzler, M. Köpf, C. Sebald und W. Wittl

Die Antwort ihrer Gegner ließ nicht lange auf sich warten. Dass ihre Idee für eine Mitgliederbefragung in der CSU keine ungeteilte Zustimmung finden würde, war Ilse Aigner klar. Nicht für möglich hielt sie die Schärfe, mit der die Kritik auf sie einprasselte. "Geschockt" sei die stellvertretende Ministerpräsidentin und oberbayerische CSU-Chefin gewesen, wird berichtet. Als "grobe Unverschämtheit" habe sie die Replik empfunden.

Aigner will sich nicht dazu äußern, das tun andere für sie. Vor allem CSU-Frauen zeigen sich entsetzt, auf welches Niveau die Diskussionskultur gesunken ist. Fast alle nennen als Ursache den harten Kampf, in dem Finanzminister Markus Söder nach dem Amt des bayerischen Ministerpräsidenten greift. "Die Nerven liegen völlig blank", sagt ein CSU-Vorständler. Einige sehen aber auch ein Duell der Geschlechter: Sie sagen, Aigner wäre weniger hart angegangen worden, wenn sie ein Mann wäre und keine Frau.

"Das ist schon ein Mann-Frau-Thema, auch wenn es immer bestritten wird", sagt die frühere Staatskanzleichefin Christine Haderthauer. Und es sei "typisch, dass es als solches nicht erkannt wird". Fast zehn Jahre war Haderthauer auf höchster landespolitischer Ebene tätig, genau so lange beschäftigt sie dieses Thema. Ihre Erfahrung: "An Frauen werden einfach höhere Maßstäbe angelegt, ihnen wird weniger zugetraut."

Im Grunde kann man es keinem recht machen, findet Haderthauer: Konzentriere sich eine Frau auf Sachpolitik, heiße es, ihr fehle der Machtinstinkt. Fahre sie Ellbogen aus, werde ihr unterstellt, sie wolle nur Männer kopieren. Aber auch das gehöre zur Wahrheit: Besonders kritisch seien ausgerechnet andere Frauen.

Am Wochenende waren es indes Männer, die Aigner in einer Form attackierten, die die CSU nachhaltig beschäftigt. Was war passiert? Um die Partei zu befrieden, spiele Aigner mit dem Gedanken einer Mitgliederbefragung, der sie sich selbst stellen würde, berichteten Medien. Sofort meldeten sich drei Männer. Der Oberpfälzer CSU-Chef Albert Füracker sagte noch sachlich: Aigner werfe anderen Egoismus vor, habe sich aber "selbst sehr genau Gedanken gemacht, wie man sich selbst in Position bringt".

Merk fürchtet Schaden für die Partei

Kultusminister Ludwig Spaenle sprach bereits von einem "Lehrbeispiel für politisches Leichtmatrosentum", was all jene in der CSU belustigte, denen der Münchner Bezirkschef selbst nicht als Kenner von tiefen politischen Gewässern bekannt ist. Besonders harsch konterte ein Abgeordneter aus Aigners Heimatbezirk Oberbayern, der eigentlich zu den Besonnenen zählt. "Nicht irgendwelche Möchtegerns" könnten Ministerpräsident werden, ließ der Freisinger Florian Herrmann wissen. Am Mittwoch sagte er dem BR, er habe sich bei Aigner für die Wortwahl entschuldigt. Doch der Unmut bei vielen bleibt.

Europaministerin Beate Merk sagt, es sei "erschütternd, wenn Parteifreunde so persönlich verletzend und aggressiv" gegen einen Vorschlag polterten, der laut Satzung möglich sei. "Man fragt sich schon, ob sie so auch gegen einen männlichen Kollegen zu Felde ziehen würden." Merk spricht von einem absoluten No-Go, einem massiven Schaden für die Partei. Bei Angelika Niebler, Chefin der Frauen-Union, sind etliche erboste Rückmeldungen aus ihrem Verband eingegangen. Alle mit dem Tenor: "unschön" und "überflüssig" sei die Kritik an Aigner.

Die Partei ist gespalten wie nie

Es werde aber nicht gelingen, ihr Ansehen durch persönliche Angriffe zu beschädigen, sagt Niebler. Alles weitere müsse in den Gremien besprochen werden: "Dort muss Tacheles geredet werden." Niebler betont aber auch: "Wenn es um Machtfragen geht, wird deutlich ausgeteilt - egal, ob Mann oder Frau."

Die Machtfrage - sie wird immer wieder genannt: Emotionalisiert und gespalten wie kaum zuvor sei die Partei, mancher munkelt, Söder habe die Angriffe auf Aigner angeordnet. Darauf gibt es keinen Hinweis und schon gar keine Bestätigung. Die Gerüchte zeigen aber, wie weit es in der CSU gekommen ist. Parteifreunde weisen darauf hin, dass Söder durch die Heftigkeit solcher Aktionen selbst Schaden nehme, auch wenn es seine Freunde gut mit ihm meinten.

Spaenles und Herrmanns Vorstöße belegen ihren hohen Einsatz für Söder, aber auch die hohe Erwartungshaltung. Söders Leute halten die Zeit offenbar für reif, den Machtkampf in der CSU zu ihren Gunsten zu entscheiden. Der Finanzminister stehe unter "Lieferdruck", wie einer sagt.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich vielleicht "die brutale Diskreditierung einer Person" wie im Fall Aigner, von der die Europa-Abgeordnete Monika Hohlmeier spricht - und die sie "für völlig unerträglich" hält. "Vertrauenswürdig, integer, fair, offen und verlässlich" - diese Begriffe verbindet Hohlmeier mit Aigner.

Die "besonders aggressive Form" der Kritik an ihr sei der CSU nicht würdig, sagt die Tochter von Franz Josef Strauß. "Wenn das zur Kultur in der Partei würde, wäre die CSU keine Volkspartei mehr." Hohlmeier wittert gar ein Komplott: "Der Vorschlag, den Ilse Aigner intern gemacht hat, wurde sofort rausgetragen, um sie zu diskreditieren und daraus Kapital zu schlagen."

Auseinandersetzung zwischen Rivalen

Eine hochrangige CSU-Frau vermutet im Fall Aigner "weniger eine Auseinandersetzung zwischen Männern und Frauen, sondern unter Rivalen". Es gehe schlicht um den Kampf um Spitzenämter. Hätten etwa Manfred Weber oder Joachim Herrmann eine Urwahl des nächsten Spitzenkandidaten vorgeschlagen, wäre die Kritik sicher ähnlich heftig ausgefallen, sagt die Frau. Offen äußern will sie sich nicht, wie viele andere Frauen in der CSU - auch das ist bezeichnend.

Eine weitere CSU-Frau sagt: "Mich ärgert es gescheit, wie man mit Frauen umgeht. Und ich frage mich, woher ein Kultusminister, der sich nicht nur mit Lorbeeren schmücken kann, so ein Selbstbewusstsein hernimmt." Sie sagt aber auch, dass sie auf keinen Fall mit diesen Aussagen zitiert werden möchte, weil sie nun mal einem Söder nahestehenden Bezirksverband angehört: "Da würde ich politischen Selbstmord begehen. Wenn ich dazu was sage, dann werde ich gar nichts mehr in der CSU." Das klingt nicht danach, als würde der Machtkampf ein Klima der Offenheit und Debattenkultur fördern.

Frauen müssen Kritik einstecken können - sagen die Frauen

Es gibt auch Frauen, die bekunden Verständnis für die Kritik an Aigner. Wer zu solch einem Zeitpunkt solch einen Vorschlag mache, müsse das aushalten. Klar, über den Stil Spaenles und Herrmanns könne man streiten, sagt eine Abgeordnete, aber man wisse ja, wer wo stehe im Machtkampf zwischen Markus Söder und Horst Seehofer: "Für die Frauen in der CSU wäre es fast ein Rückschritt, wenn sie besondere Rücksichtsmaßnahmen einfordern würden und müssten."

Die oberbayerische Landtagsabgeordnete Michaela Kaniber erkennt in der aktuellen Debatte ebenfalls kein Männer-Frauen-Problem. Jede Frau wisse: Wenn sie sich auf das Terrain der politischen Auseinandersetzung begebe, müsse sie Kritik einstecken und manchmal auch schärfere Töne aushalten können - wie die Männer auch. Insofern gebe es keinen Anlass, sich zu beschweren, findet Kaniber, die zu Söders Sympathisanten gerechnet wird.

Manch einer in der Partei fragt sich, wohin der Zwist noch führen soll: Oberbayern sei der wichtigste Stimmbezirk, Aigner müsse als mögliche Listenführerin viele Wählerstimmen holen. Wie solle das gehen, wenn die Kritik aus den eigenen Reihen brutaler sei als an jedem Mitbewerber? Spaenle und Aigner etwa müssen als die zuständigen Bezirksvorsitzenden für die Landtagswahl eine gemeinsame Kandidatenliste zusammenstellen. Und das in dieser offenkundigen Abneigung?

"Das ist unanständig, das gehört sich nicht und es widert mich an, wie man inzwischen in unserer Partei miteinander umgeht", schimpft Umweltministerin Ulrike Scharf, wie Aigner Oberbayerin. Natürlich sei die Stimmung in der Partei aufgeheizt, "aber das entschuldigt nicht diesen Stil, jetzt reicht es". So werde die CSU die Menschen nicht zurückgewinnen, sagt Scharf, das zeigten jetzt bereits sehr deutlich die Umfragen.

Auch die Rosenheimer Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer fordert, die Querelen und Intrigen müssten "endlich, endlich aufhören". Sie sei "entsetzt" gewesen über die Angriffe auf Aigner, damit habe man die stellvertretende Ministerpräsidentin und die Vorsitzende des größten CSU-Bezirksverbands "echt düpiert".

Landtagspräsidentin Barbara Stamm war "richtig erschrocken" über die Attacken, "so etwas geht grundsätzlich nicht". Man könne die Gesellschaft nicht einerseits bitten, sie möge zusammenrücken. Andererseits drifte die CSU selbst immer weiter auseinander. "Ich bin zutiefst überzeugt: Die Menschen wollen trotz aller berechtigten sachlichen Diskussionen vernünftige Umgangsformen", sagt Stamm.

Ob sie diese mittlerweile beherrscht, kann die CSU an diesem Donnerstag gleich zweimal beweisen, wenn Horst Seehofer über die abgebrochenen Sondierungen in Berlin und wohl auch über seine Zukunft spricht: mittags vor der Fraktion, abends im Vorstand.

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