Meteorologie:Ein Deutscher wacht über das Weltwetter

Lesezeit: 3 min

  • Die Delegierten des Kongresses der Weltwetterorganisation WMO haben Gerhard Adrian zum neuen Präsidenten gewählt.
  • Adrian ist Leiter des Deutschen Wetterdienstes; er setzte sich gegen seinen US-Kollegen Louis Uccellini durch.
  • Die Wahl könnte richtungsweisend sein: Anders als der US-Kandidat widersetzt sich der Deutsche dem Trend zur Privatisierung von Wetterdaten.

Von Marlene Weiß

Die Weltwetterorganisation WMO hat einen neuen Präsidenten: Am Donnerstagnachmittag votierten die Delegierten der 187 Mitgliedsstaaten beim WMO-Kongress in Genf für Gerhard Adrian, Leiter des Deutschen Wetterdienstes. Er setzte sich gegen seinen US-Kollegen Louis Uccellini durch. Adrian tritt damit die Nachfolge des Kanadiers David Grimes an, der zwei je vierjährige Amtszeiten absolviert hat.

Die WMO ist auf UN-Ebene das, was die WHO für die Gesundheit ist: die Dachorganisation der nationalen Wetterdienste. Sie kümmert sich um internationale Zusammenarbeit und Datenaustausch - das ist besonders wichtig, wenn es ums Wetter geht, weil man nur mit guten, weltweiten Daten über Temperatur, Luftfeuchtigkeit und weitere Größen vernünftige Wettervorhersagen erstellen kann. Zwar ist das WMO-Präsidentenamt nur ein Ehrenamt, das jeweils ein Leiter eines nationalen Wetterdienstes innehat; die Entscheidungsgewalt des Amtsinhabers ist begrenzt.

Die Wahl könnte richtungsweisend sein

Trotzdem gilt die Wahl als ungewöhnlich politisch, weil mit den Kandidaten aus Deutschland und den USA zwei sehr unterschiedliche Systeme gegeneinander standen. Damit könnte die Wahl auch eine Richtungsentscheidung über die künftige Ausrichtung der WMO sein: Forcierte Privatisierung der nationalen Wetterdienste, wie sie die Trump-Administration fordert, gegen immer engere Zusammenarbeit starker staatlicher Dienste, für die Gerhard Adrian steht. Mit der Wahl des Deutschen haben sich die Delegierten eher für Letzteres ausgesprochen.

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Der 62-jährige Meteorologe Gerhard Adrian leitet seit zehn Jahren den Deutschen Wetterdienst; ein Amt, was ihm noch immer viel Freude macht, wie er sagt. Es ist deutlich zu merken, wie stolz er auf die immer bessere Arbeit der internationalen Wetterbehörden ist - und auf ihre gut funktionierende Zusammenarbeit. "Wir Meteorologen werden von anderen Wissenschaftlern sehr bewundert, weil wir es geschafft haben, einen vollständigen Daten-Katalog zu haben: Jeder weiß, wer welche Daten hat und wie er sie zur Verfügung stellt", sagt er. Dieser Datenaustausch, geregelt durch Resolution 40 vom 12. WMO-Kongress im Jahr 1995, ist die Basis moderner Wettervorhersagen: Je vollständiger die Daten, desto besser der Wetterbericht. Darum sind alle WMO-Staaten verpflichtet, die wesentlichen Wetterdaten auf ihrem Gebiet zu erheben und kostenlos allen Kollegen zur Verfügung zu stellen. Dieses System ist für Adrian eine große Leistung.

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump, befürchten Meteorologen, hält jedoch offenbar wenig davon. "Trump will das Wetter privatisieren", war erst kürzlich zu lesen, als Trump nach einem ersten Versuch im Jahr 2017 erneut Barry Myers für den Chefposten der Wetter- und Klimabehörde NOAA nominierte. Myers war bis dato Chef des privaten Wetterberichts-Anbieters AccuWeather, die Personalie ist höchst umstritten. Zugleich will Trump das Budget des staatlichen National Weather Services unter dem Dach der NOAA drastisch zusammenkürzen, und sich stattdessen künftig vermutlich eher mehr auf private Anbieter verlassen. Auch in seinem Bewerbungsbrief an die WMO-Kollegen schreibt der US-Kandidat Uccellini, er wolle "effektiver" mit privaten Anbietern zusammenarbeiten.

Dieser Ansatz aber macht vielen Meteorologen große Sorgen, weil er Resolution 40 prinzipiell zuwiderläuft. Wie soll ein Staat Daten weitergeben, die er selbst nicht mehr hat? Man könnte zwar argumentieren, dass auch zugekaufte Daten frei zugänglich gemacht werden müssen, schließlich ist die Regelung völkerrechtlich bindend. So sieht das auch Gerhard Adrian. Aber dann geht Trumps Rechnung nicht mehr auf, meint er: "So werden Daten von privaten Anbietern entweder sehr teuer, weil man eine globale Lizenz kaufen muss, oder das Geschäftsmodell der Anbieter funktioniert nicht." So oder so birgt die Privatisierung enormes Konfliktpotenzial.

Gerade Entwicklungs- und Schwellenländer hoffen aber teils auf die privaten Dienste, weil sie selbst nicht unbedingt das Know-how und die Infrastruktur haben, um Daten zu erheben und zu Wetterberichten zu verarbeiten; ihre Verpflichtungen unter Resolution 40 können sie ohnehin nicht wirklich einhalten, und von den zur Verfügung gestellten Daten haben sie nicht viel. "Wir müssen es hinbekommen, dass jeder Staat in die Lage versetzt wird, diese Leistung zu erbringen, anders geht es nicht", sagt Adrian. Der DWD arbeitet bereits mit diversen Schwellenländern zusammen, stellt seine Modelle zur Verfügung und hilft bei der Weiterbildung. In seiner Amtszeit als WMO-Präsident will Adrian auch dafür sorgen, dass die weniger weit entwickelten Länder grundsätzlich stärker einbezogen werden.

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