"Explosivharpunen":Japan entsetzt mit neuen Walfang-Plänen

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Die erste Harpune hatte die Besatzung des japanischen Walfängers Yushin Maru während eines Beutezugs in der Antarktis bereits abgefeuert. Bis das schwerverletzte Tier tot war, brauchte es drei weitere Schüsse. (Foto: dpa)

Getarnt als Forschungsvorhaben will Japan Tausende Wale erlegen. Das Ausmaß der Pläne und die brutalen Jagdtechniken schockieren Tierschützer.

Von Tina Baier

Die meisten Japaner mögen eigentlich gar kein Walfleisch. Es ist ihnen zu trocken. Außerdem hat es ein schlechtes Image als Nachkriegsessen, auf das man notgedrungen zurückgreifen musste, als es sonst nichts gab. Die Nachfrage nach Walfleisch in Japan ist mittlerweile so gering, dass es tonnenweise zu Hundefutter verarbeitet wird.

Dass das Land dennoch seit Jahrzehnten Jagd auf Wale macht, hat mit dem Selbstverständnis einer Nation zu tun, die auf dem Grundrecht beharrt, eigenständig zu entscheiden, welche Ressourcen aus dem Meer sie nutzen darf. Seit 1986 das Moratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) gegen die kommerzielle Waljagd in Kraft getreten ist, hat Japan fast 18 000 Wale getötet, schätzt die Tierschutzorganisation Pro Wildlife. Dies ist nicht nur ökologisch fragwürdig, sondern auch ökonomisch: Der Walfang lohnt sich für das Land überhaupt nicht und muss sogar mit jährlich etwa acht Millionen Euro subventioniert werden.

In den kommenden zwölf Jahren wollen die Japaner 3768 Wale im Nordpazifik töten

Soeben hat die japanische Regierung der IWC ein Programm vorgelegt, das Tierschützer entsetzt. In den kommenden zwölf Jahren sollen demnach weitere 3768 Sei- und Zwergwale im Nordpazifik getötet werden. "Im Vergleich zum Vorläuferprogramm, das gerade ausgelaufen ist, wurden die Quoten sogar noch erhöht", sagt Sandra Altherr von Pro Wildlife. Statt 90 Seiwalen pro Jahr will Japan jetzt 140 fangen, statt 102 Zwergwalen jährlich 174. Seiwale sind in der Roten Liste der bedrohten Arten als stark gefährdet eingestuft. Zwergwale seien global betrachtet zwar nicht gefährdet, sagt Altherr. Doch ausgerechnet vor der Küste Japans lebe eine Unterpopulation, genannt I-Stock, die stark bedroht sei.

Der Trick bei dem neuen Programm mit dem sperrigen Namen Newrep-NP ist der gleiche wie immer: Weil die Tiere zu kommerziellen Zwecken nicht gejagt werden dürfen, ist Newrep-NP so wie seine Vorläufer als Forschungsvorhaben getarnt. Der japanischen Regierung zufolge sollen mit dem neuen Programm im Nordpazifik vor allem umweltpolitische und sogar tierschützerische Aspekte erforscht werden: etwa, wie viel Plastikmüll sich im Magen der Meeressäuger befindet; wie gut oder schlecht die Tiere ernährt sind und welche Rolle sie in der Nahrungskette spielen. "Perfide", findet Sandra Altherr.

Dabei hatte es noch vor Kurzem so ausgesehen, als käme der Schutz der Wale voran - langsam zwar, aber immerhin. So musste Japan nach einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Jahr 2014 die ebenfalls als Forschung getarnte Jagd in der Antarktis, dem zweiten großen Jagdgebiet, stoppen. Die Richter fanden es unter anderem merkwürdig, dass es trotz der großen Anzahl getöteter Tiere so wenige Forschungsergebnisse gab. Als Folge töteten die Japaner in der Jagdsaison 2014/15 zumindest in der Antarktis tatsächlich keinen einzigen Wal. Kurze Zeit später legte Japan dann ein neues Programm für die Antarktis vor, beschränkte sich aber als Zugeständnis auf die Jagd auf Zwergwale und reduzierte im Vergleich zum Vorläufer die Fangquoten deutlich.

Erfreulich für die Walschützer verlief auch die Tagung der Internationalen Walfangkommission, die erst vor gut zwei Wochen, am 28. Oktober, zu Ende gegangen ist. Japan scheiterte dort mit seinem Vorstoß, die Jagd auf Wale vor der eigenen Küste in kleinem Maßstab zu genehmigen. Außerdem wurde mit deutlicher Mehrheit beschlossen, dass der IWC den japanischen "Wissenschaftswalfang" in Zukunft stärker kontrollieren soll.

"Da müsste sich das Land zurückhalten"

"Der IWC hat jetzt kaum noch Zeit, das neue Programm kritisch zu prüfen", sagt Sandra Altherr. Japan hat nämlich angekündigt, bereits im kommenden Frühjahr mit der Jagd im Nordpazifik zu beginnen. Mit Newrep-NP ignoriere Japan die Beschlüsse des IWC und auch das Urteil des Internationalen Gerichtshofs, sagt Walter Dübner, der deutsche Vertreter in der Organisation. "Das geht so eigentlich nicht. Dafür habe ich kein Verständnis." Dazu komme, dass Japan erst vor zwei Wochen mit Joji Morishita den Vorsitz des IWC übernommen hat. "Da müsste sich das Land eigentlich zurückhalten", findet Dübner. Der IWC prüfe derzeit, wie jetzt weiter vorzugehen sei.

Mehr, als auf diplomatischem Weg scharf zu protestieren, dürfte allerdings kaum möglich sein. Konkrete Sanktionsmöglichkeiten hat die Organisation, die ohnehin in Walschützer und Walfänger gespalten ist, nicht. "Japan wird sich einfach auf den Standpunkt stellen, dass es mit der Vorlage des 162 Seiten starken Programms seine Pflicht erfüllt hat und es keiner Zustimmung des IWC bedarf", sagt Sandra Altherr.

Die Tierschützerin befürchtet, dass die japanischen Walfänger pünktlich zur Jagdsaison im Frühjahr auslaufen werden. Die Wale würden mit "Explosivharpunen" erschossen, die im Körperinneren der großen Tiere detonieren, berichtet sie. In etwa der Hälfte der Fälle sind die Tiere danach nicht sofort tot. Dann legen die Jäger mit einer zweiten Harpune nach, oder - wenn ihnen das zu teuer ist - mit elektrischen Lanzen und Gewehren.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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