Wahrnehmung:Punkt, Punkt, Komma, Strich

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Das "Marsgesicht" scheint den Betrachter mit geheimnisvoller Miene zu fixieren. (Foto: imago stock&people; Florian Gmach)

Warum Menschen so oft Gesichter in unbelebten Dingen und Gegenständen sehen.

Von Sebastian Herrmann

Als der Orbiter der Nasa-Raumsonde Viking 1 ein Foto der Marsoberfläche schoss, blickte da scheinbar ein Gesicht in die Kamera. Das Schwarz-Weiß-Foto aus dem Jahr 1976 zeigte eine Struktur auf dem Nachbarplaneten der Erde, auf der sich zwei Augen, eine Nase, ein Mund und so etwas wie der Rahmen einer Frisur ausmachen ließen. Mit geheimnisvoller Miene schienen die schwarzen Augen den Beobachter am Mars-Himmel zu fixieren. Als die Bilder öffentlich wurden, erhielt das Phänomen den Namen "Marsgesicht".

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Natürlich verbarg sich da kein lebendiges Wesen auf der Oberfläche des Roten Planeten. Besser aufgelöste Bilder zeigten später, dass es sich um eine Felsformation handelte, der Licht und Schatten auf dem Foto den Eindruck eines menschlichen Antlitzes gegeben hatten. Heute gilt das Bild als einer der Klassiker für eine Spezialform der Pareidolie - der menschlichen Eigenart, in Formationen und Gegenständen vermeintliche Gesichter zu erkennen.

Gesichtserkennung zählt zu den absoluten Spezialitäten von Homo sapiens. Ein Antlitz zieht automatisch mehr Aufmerksamkeit auf sich als neutrale Dinge, besonders, wenn dieses klare Emotionen zeigt. Dies sei ein wesentlicher Überlebensvorteil eines so sozialen Wesens, wie der Mensch es ist, argumentieren Wissenschaftler um David Alais von der University of Sydney. Schon Bruchteile einer Sekunde reichen, um Mitmenschen einzuschätzen und etwa zu erkennen, ob diese freundlich oder feindlich gesonnen sind. Dies sei vermutlich so wichtig, dass die visuelle Wahrnehmung im übertragenen Sinne besonders rasch anspringe beziehungsweise eine hohe Toleranz habe, so die Forscher: Lieber aufgrund weniger Hinweise ein Gesicht in einer Felsformation erkennen, als das bedrohliche Antlitz eines wirklichen Konkurrenten übersehen.

Was für ein süßer Roboter! Oh, ist nur ein Fernglas auf dem Rockefeller Center in New York. (Foto: Daniel Alexander; via www.imago-images.de/www.imago-images.de)

In einer aktuellen Studie im Fachjournal Proceeding of the Royal Society B zeigen die Wissenschaftler um Alais, dass die gleichen kognitiven Prozesse aktiv sind, egal, ob ein echtes menschliches Gesicht oder nur eine entsprechende Anmutung zum Beispiel in einer Wolke oder der Front eines Autos erkannt wird. Entsprechend nehmen Betrachter auch in den scheinbaren Gesichtern auf Gegenständen vermeintliche Emotionen und Zustände wahr, über die unter der Mehrzahl der Betrachter meist Einigkeit herrscht. Sieht also zum Beispiel ein Wischmopp auf einem Foto aus, als blicke das Ding wütend und angriffslustig in die Kamera, dann empfindet dies fast jeder so.

Die Natur zeigt ihr Gesicht beim Skogafoss-Wasserfall, Island. (Foto: Ian Cumming; via www.imago-images.de/www.imago-images.de)

Immerhin eines gilt es zur Ehrenrettung der visuellen Wahrnehmung des Menschen in diesem Zusammenhang zu sagen: Echte Gesichter fallen noch einmal einen winzigen Tick schneller ins Auge als entsprechende Illusionen, wie zum Beispiel das angebliche Marsgesicht.

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