Geowissenschaften:Wenn der Vulkan anruft

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Nahaufnahme eines Glasfaserbündels. (Foto: Pitopia / PRILL Mediendesign & Fotografie/mauritius images)

Der Grindavík auf Island kann immer noch ausbrechen. Er wird nun mit Laserpulsen in einem Telekommunikations-Kabel überwacht. Die Technik könnte weltweit helfen, vor Tsunamis, Erdbeben oder Eruptionen zu warnen.

Von Benjamin von Brackel

Noch ist die Gefahr nicht gebannt: Inzwischen hat der Boden unter dem isländischen Städtchen Grindavík zwar an den meisten Stellen aufgehört, sich zu heben, und es bebt auch nicht mehr so oft. Die isländische Wetterbehörde gibt aber noch keine Entwarnung - ein Vulkanausbruch sei immer noch möglich.

Unter dem Gebiet im Südwesten Islands hatte sich vor einigen Wochen ein 15 Kilometer langer Tunnel gebildet und mit Magma gefüllt, das bis einen halben Kilometer unter die Erdoberfläche aufstieg. Eine Serie an heftigen Erdbeben ließ Abwasserrohre bersten, eine Straße aufreißen und Felder absinken. Das ließ eine Eruption des Vulkans auf der Reykjanes Halbinsel befürchten, 3700 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Auch die Blaue Lagune wurde geschlossen, eine der größten Touristenattraktionen der Insel.

Ihr heißes Wasser speist sich aus dem Abwasser eines Geothermiekraftwerks. Und in diesem steht seit rund zwei Wochen ein rund 200 000 Euro teurer Apparat - ein Laser-Interferometer, das an ein Telekommunikationskabel angeschlossen ist. Dieses verläuft acht Kilometer bis zur Südküste, also durch die Region, in der Magma aufsteigt. "Wir sind extrem nah dran", sagt der Geophysiker Andreas Fichtner von der ETH Zürich, von dem die Idee zu dem Projekt stammt.

Man muss nur eine Festplatte an ein bestehendes Glasfasernetz anschließen

Das Interferometer sendet Laserimpulse annähernd mit Lichtgeschwindigkeit durch die Glasfasern. Gibt es eine Störquelle entlang der Strecke, kann Fichtner mit seinem Team anhand der Rücklaufzeit Ort und Stärke der Störung bestimmen. So lassen sich sogar kleinste Erschütterungen aufspüren. "Wir sehen in Echtzeit kleine Erdbeben, die wir mit dem regionalen Seismometer-Netzwerk nicht sehen würden", sagt Fichtner.

Mit Kollegen der ETH Zürich und dem Eidgenössischen Institut für Metrologie Metas hat er diese bereits erprobte Methode weiterentwickelt: Glasfasernetze könnten sich zur Erdbeben- und Vulkanbeobachtung einsetzen lassen - sogar ohne teure Apparate oder Extranetze. Nötig sei lediglich, eine Festplatte an das bestehende Glasfasernetz anzuschließen.

Möglich mache das eine Funktion, die es ganz ähnlich in High-End-Kopfhörern gibt: Um den Umgebungslärm auszublenden, nehmen Mikrofone die Außengeräusche auf und senden das Gegensignal in den Ton hinein. Im Falle der Glasfasernetze geht es nicht um Akustik, sondern um Optik: Turbulenzen in der Atmosphäre, Meereswellen oder Erdbeben verformen die Glasfasern minimal und verlangsamen oder beschleunigen die Lichtsignale. Beides verändert die Frequenz, die Signale werden ungenauer. Um dieses Rauschen zu unterdrücken, wird die Störfrequenz automatisch kompensiert. Aus dem Korrektursignal wiederum lässt sich die Erschütterung des Erdbodens ablesen. Die Daten müssen lediglich gespeichert und ausgewertet werden.

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Dass die Methode funktioniert, konnten Fichter und seine Kollegen mit der Glasfaserverbindung zwischen Basel und Bern demonstrieren. Sie konnten ein Erdbeben der Magnitude 3,9 im Elsass detailliert nachvollziehen, wie sie im August im Fachjournal Sci entific Reports schrieben.

Die Methode bietet sich vor allem dort an, wo klassische Seismometer fehlen. Etwa im Ozean zur Tsunami-Vorwarnung. Oder in ärmeren Ländern wie Afghanistan, wo erst im Oktober ein verheerendes Erdbeben das Land erschütterte. "Dort gibt es ein Glasfasernetzwerk, das bis in die entlegensten Regionen reicht", erklärt Fichtner. "Wir können mit Glasfasernetzen eine hohe Abdeckung erreichen und etwas über die Struktur des Geländes lernen."

Genau das beabsichtigt er nun für Island: Ähnlich einer Ultraschalltomografie will Fichtner den Untergrund kartieren. Also herausfinden, wie sich die Magmakammer über Wochen ausgebreitet hat. Bislang ermöglicht die seismische Tomografie nur Momentaufnahmen; der Geophysiker hofft, mithilfe der Glasfasernetze ein dynamisches Abbild des Untergrunds erstellen zu können. "So etwas haben wir noch nie gesehen", sagt er.

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