Tiere:Wenn wilde Tiere Menschen helfen

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Ein männlicher Großer Honiganzeiger im Niassa Special Reserve in Mosambik. (Foto: CLAIRE SPOTTISWOODE/AFP)

In ganz Afrika helfen Vögel Menschen bei der Suche nach Honig. In Tansania unterhalten sich Tier und Mensch dabei in einer anderen Sprache als in Mosambik.

Von Tina Baier

Wenn die Yao in Mosambik Lust auf etwas Süßes haben, kaufen sie keinen Schokoriegel oder Gummibärchen. Sie locken einen Honiganzeiger an. Der etwa zwanzig Zentimeter große, braun-weiße Vogel führt sie dann zu einem Nest mit Wildbienen, aus dem die Yao den süßen Honig ernten. Die Vögel tun das nicht aus Menschenliebe, sie profitieren von dieser Kooperation: Die Menschen verschaffen ihnen durch die Honigernte Zugang zum Bienennest, das sich oft gut geschützt in einer Baumhöhle befindet. Alleine würden die Honiganzeiger, die gar keinen Honig mögen, nie an ihr Lieblingsessen kommen: Bienenwachs und Bienenlarven.

Honig-Jäger Carvalho Issa Nanguar öffnet ein Bienennest mit einer Axt. Der Rauch soll die Bienen vertreiben. (Foto: Claire Spottiswoode)

Eine Studie, die gerade im Wissenschaftsjournal Science erschienen ist, hat jetzt gezeigt, dass diese ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen Vögeln und Menschen wahrscheinlich durch eine besondere Art der Evolution entstanden ist, bei der sich beide Arten gegenseitig beeinflusst und voneinander gelernt haben. Biologen sprechen von "kultureller Koevolution".

Um das herauszufinden, nutzten die Forschenden das Phänomen, dass Menschen nicht nur in Mosambik auf die Idee gekommen sind, mit den Honiganzeigern zusammenzuarbeiten, sondern auch in anderen afrikanischen Ländern. Allerdings gibt es große Unterschiede in der Art und Weise, wie die Vögel angelockt werden. Die Yao in Mosambik geben eine Art Triller-Grunzer von sich, der sich wie "Brrrr ... hmm" anhört. Die Hadza in Tansania dagegen pfeifen, um Honiganzeiger auf sich aufmerksam zu machen.

In Brasilien helfen Delfine Menschen beim Fischfang

In ihrem Experiment lief die Ornithologin Claire Spottiswoode von der britischen University of Cambridge mit dem Anthropologen Brian Wood von der University of California durch die Kidero Hills in Tansania, in denen die Hadza leben. Während ihrer Tour spielten die Forschenden den Honiganzeigern nacheinander den Pfiff der Hadza, den Ruf der Yao sowie Aufnahmen von Menschen vor, die sich gegenseitig beim Namen riefen, und beobachteten die Reaktion der Vögel. Dasselbe wiederholten sie im Niassa Special Reserve, einem großen Naturreservat in Mosambik, wo die Yao leben.

Honig-Jäger Seliano Rucunua hält einen weiblichen Honigzeiger im Niassa-Reservat, Mosambik. (Foto: CLAIRE SPOTTISWOODE/AFP)

Die Reaktionen der Vögel waren äußerst unterschiedlich. In Tansania kamen die Honiganzeiger dreimal so oft angeflogen, wenn sie den vertrauten Pfiff der Hadza hörten, als wenn ihnen der Triller-Grunzer der Yao vorgespielt wurde. Die Rufe der Menschen, die sich gegenseitig beim Namen riefen, dienten als Kontrolle. Die Vögel reagierten auf sie genauso wenig wie auf den Yao-Ruf. In Mosambik war es genau umgekehrt: Das "Brrrr ... hmm" der Yao lockte die Vögel dort zweimal so effektiv an wie der Pfiff der Hadza oder die Kontrollstimmen.

Die wahrscheinlichste Erklärung dafür sei, dass "die Vögel lernen, auf die Signale ihrer lokalen Partner zu reagieren", sagt Claire Spottiswoode in einer Mitteilung der University of Cambridge. Dafür spricht nach Ansicht der Forschenden auch, dass sich das Erbgut der Honiganzeiger in Mosambik in keiner Weise von dem der Vögel in Tansania unterscheidet. Die unterschiedlichen Vorlieben für bestimmte Klänge können also nicht vererbt sein.

Das Wachs der Wabe ist für die hilfreichen Vögel bestimmt. (Foto: Claire Spottiswoode)

Eigentlich sei es genau wie bei Menschen, die ja auch in verschiedenen Sprachen miteinander kommunizieren, sagt Spottiswoode. "Menschen in verschiedenen Regionen Afrikas kommunizieren mit den Honiganzeigern mithilfe verschiedener lokaler Laute."

Dass wilde Tiere mit Menschen kooperieren, kommt sehr selten vor. Ein anderes Beispiel sind Delfine, die Fischern der südbrasilianischen Stadt Laguna dabei helfen, Meeräschen zu fangen. Die Delfine treiben die Fische zusammen und signalisieren den Fischern dann, wo sie ihre Netze auswerfen sollen. Was die Tiere davon haben? Das ist noch unklar. Allerdings hat sich gezeigt, dass kooperierende Delfine eine um 13 Prozent größere Überlebensrate haben als Artgenossen, die nicht mit Menschen zusammenarbeiten.

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