Verhaltensforschung:Wie Parasiten die Hirnchemie verändern

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Ein Einzeller manipuliert Mäuse so, dass sie leichte Beute für Katzen werden. Britische Wissenschaftler haben nun herausgefunden, wie ihnen das gelingt. Ihre Erkenntnisse haben auch eine Bedeutung für das menschliche Verhalten.

Markus C. Schulte von Drach

Drogen verändern unsere Persönlichkeit vorübergehend oder langfristig, und auch die Zerstörung von Teilen unseres Gehirns kann dazu führen, dass wir nicht mehr derselbe Mensch sind wie zuvor. Das gilt sowohl für manche Unfallopfer wie für Patienten mit Krankheiten wie Alzheimer oder Hirntumoren.

Katze lässt sich von Mäusen auf dem Kopf herumtanzen

Mäuse, die mit Toxoplasma gondii infiziert sind, finden den Geruch von Katzen interessant. Das macht sie zur leichten Beute.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Ein weiterer Hinweis darauf, wie stark unser Verhalten vom Zustand unseres Gehirns abhängt, kommt aus einer Richtung, an die man nicht gleich denkt: Parasiten, Krankheitserreger, die unseren Hirnstoffwechsel beeinflussen.

Der bekannteste Fall ist die Tollwut, die nicht von ungefähr ihren Namen trägt. Das Virus verursacht eine Gehirnentzündung, die zu Symptomen wie Angst, Depression, erhöhter Aggression, Verwirrung, Halluzinationen und extremen Verhaltensauffälligkeiten wie Wutausbrüchen in Reaktion auf Licht oder Geräusche - etwa von Wasser - führen kann.

Doch es gibt weitere Parasiten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie sich nachhaltig auf unsere Psyche auswirken können. In einem Fall haben britische Forscher nun neue Indizien dafür entdeckt: Es geht um Toxoplasma gondii, einen einzelligen Parasiten.

Wenn Mäuse oder Ratten von dem Erreger der Toxoplasmose befallen werden, dann ändert dieser ihr Verhalten so, dass Katzen sie leichter fangen können. Natürlich steuern die Parasiten das Verhalten der Nagetiere nicht gezielt. Doch ihr Einfluss auf die Hirnchemie hat sich im Verlauf der Evolution so entwickelt, dass infizierte Mäuse und Ratten nun den Geruch von Katzen oder deren Urin besonders interessant finden, anstatt wie gewöhnlich das Weite zu suchen. Das erhöht ihr Risiko, gefressen zu werden - und verbessert die Chancen des Parasiten, dorthin zu kommen, wo er hin will: in die Katze, seinen Endwirt.

Wie die Toxoplasma-Einzeller die von ihnen befallenen Zwischenwirte manipulieren, war bislang unklar. Wissenschaftler um Glenn McConkey von der University of Leeds haben nun festgestellt, dass der Parasit nachweislich in die Produktion des Hirnbotenstoffes Dopamin eingreift.

Dieser Neurotransmitter spielt beim Menschen eine wichtige Rolle in Bezug auf Bewegung, Kognition und Verhalten. Insbesondere kann er sich offenbar auch auf emotionale Reaktionen wie Angst und auf ein Bedürfnis nach Erregung (Sensation Seeking) auswirken. Es gab bereits zuvor Hinweise darauf, dass Toxoplasma bei Nagetieren auf den Dopaminhaushalt wirkt. So konnte das unvorsichtige Verhalten von Mäusen in Experimenten verhindert werden, indem ihnen Mittel wie das Schizophreniemedikament Haloperidol verabreicht wurden, das die Wirkung des Botenstoffes unterdrückt.

Auch hatte McConkey und sein Team zuvor bereits festgestellt, dass die Parasiten ein Enzym (Tyrosinhydroxylase, TYH) produzieren, das die Produktion von Dopamin in infizierten Zellen verstärkt.

Wie die britischen Forscher nun im Fachmagazin Plos One berichten, konnten sie die Dopaminproduktion von Hirnzellen in Laborkulturen deutlich erhöhen, indem sie sie mit Toxoplasmazellen infizierten. Je mehr Parasiten sich in der Zellkultur befanden, desto höher lag auch die Dopaminproduktion, die schließlich bis zum Dreifachen des Niveaus in nicht infizierten Kulturen zunahm.

Um entsprechende Prozesse im Gehirn lebender Tiere aufzuspüren, suchten die Wissenschaftler nach dem Enzym TYH, mit dessen Hilfe die Parasiten die Dopaminproduktion heraufsetzen könnten. Tatsächlich spürten sie besonders große Konzentration des TYH dort im Gewebe auf, wo sich Einzeller in Zysten eingekapselt hatten.

Ihre Studie sei die erste, die darauf hindeute, dass ein Parasit den Dopamin-Signalweg direkt beeinflussen und so Verhaltensänderungen des Wirtes herbeiführen könne, schließen die Wissenschaftler. "Diese Ergebnisse legen einen möglichen Mechanismus der von T. gondii ausgelösten Verhaltensänderungen nahe."

Weil Gewebezysten des Parasiten besonders häufig in limbischen Hirnregionen auftreten, könnte ihr Einfluss auf den Botenstoff besonders schädliche Konsequenzen haben, "da sie zu einer ganzen Reihe von Verhaltensänderungen und neurologischen Fehlfunktionen führen" könnten.

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