Verhaltensmanipulation:Gehirnwäsche durch Parasiten

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Was macht ein Schmarotzer in einer Ratte, um in eine Katze zu gelangen? Er sorgt dafür, dass sich der Nager so bizarr verhält, dass er gefressen wird.

Der Schmarotzer Toxoplasma gondii muss aus einer Ratte oder Maus in seinen Endwirt, eine Katze, gelangen - und der einzige Weg in das Raubtier geht über dessen Magen.

Ausbreitung von Toxoplasma gondii im äußeren Gewebe einer Maus (Zahlen = Tage nach der Infektion). Nach drei Wochen ist die Infektion chronisch. Im Kopf sitzen Zysten des Erregers. (Foto: Foto: Vyas et al. PNAS)

Bekanntlich vermeiden die Nager jedoch Katzen. Und dass ein solches Tier in der Nähe ist, sagt ihnen zum Beispiel der Geruch von Katzenurin.

Um zu seinem Ziel zu gelangen, wendet der Parasit deshalb einen Trick an: Er wandert in den Kopf der Ratte oder der Maus und greift dort in bestimmte Hirnfunktionen ein.

Statt zu flüchten, wenn ihnen der Katzen-Duft in die Nase steigt, zeigen die Nager plötzlich ein großes - fatales - Interesse an den Ausscheidungen ihrer Fressfeinde.

Jetzt haben Wissenschaftler der Stanford University in California festgestellt, dass die Einzeller dabei mit der Präzision eines Hirnchirurgen vorgehen.

Die Nager erleiden durch den Eingriff keine Einschränkungen in ihren normalen Funktionen. Und auch alle angeborenen oder erlernten Verhaltensweisen zur Vermeidung von Gefahren bleiben erhalten - bis auf eine einzige: Sie gehen Katzen nicht mehr aus dem Weg.

Das ist insofern überraschend, da die Verhaltensweisen alle von denselben Hirnregionen kontrolliert werden. Der Eingriff muss also an einer ganz bestimmten Stelle erfolgen - genau in jenem Hirnschaltkreis, der den Geruch von Katzen verarbeitet.

Wie Ajai Vyas und seine Kollegen in den Proceedings of the National Academy of Sciences (DOI: 10.1073/pnas.0608310104) berichten, gelangen besonders viele Parasiten in eines dieser Hirnteile von Ratten, die Amygdala.

Demnach dürfte dies der Ort sein, an dem die Schmarotzer den Schrecken, der für die Nager von Katzenurin ausgeht, gezielt in Anziehung umwandeln.

Bestätigung der Manipulationshypothese

Ihre Beobachtungen interpretieren die Forscher als Beleg für die sogenannte Manipulationshypothese, der zufolge Parasiten das Verhalten ihrer Wirte gezielt verändern, um sich möglichst effektiv auszubreiten.

Es sind bereits eine ganze Reihe von Schmarotzern bekannt, die Verhaltensänderungen bei ihren Zwischenwirten auslösen, um in den Endwirt zu gelangen. Der Kleine Leberegel zum Beispiel bringt infizierte Ameisen dazu, sich in das Ende von Grashalmen zu verbeißen. Kühe fressen das Gras, verschlucken die Ameise - und der Leberegel ist am Ziel.

Mäuse, die sich mit dem Hundespulwurm ( Toxocara canis) infiziert haben, verlieren unter anderem ihre Scheu vor Neuem - was ihr Risiko, von einem Hund oder Fuchs gefressen zu werden, erhöht.

Seit einiger Zeit wird sogar diskutiert, ob Toxoplasma gondii bei Menschen Schizophrenie auslösen kann. Zum einen haben US-Forscher beobachtet, dass auffällig viele Patienten mit Schizophrenie Antikörper gegen den Einzeller tragen ( Schizophr Bull, November 3, 2006; doi:10.1093/schbul/sbl050).

Und britische Wissenschaftler haben festgestellt, dass Haldol und Valproinsäure, also Medikamente zur Behandlung von Schizophrenie und bipolaren Störungen, bei infizierten Ratten das selbstmörderische Interesse an Katzen verhindert ( Proc Biol Sci. Bd. 273(1589), S. 1023, 2006)

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