Weltraumtechnik:Dresscode: Mondanzug

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Eine Illustration der neuen Anzüge zeigt, was man halt so macht auf dem Mond: Souvenirs sammeln, Fotos knipsen. (Foto: Nasa)

Seit 15 Jahren versucht die Nasa, einen neuen Raumanzug für Mondlandungen zu entwickeln. Herausgekommen ist nicht viel, jetzt soll es eine private Firma erledigen. Über das wohl teuerste Kleidungsstück aller Zeiten.

Von Peter M. Schneider

Das weiße Kleid der Marilyn Monroe, das in Billy Wilders "Das verflixte 7. Jahr" im Luftstrom wirbelt, kostete seinen Käufer bei einer Versteigerung 2011 umgerechnet 3,2 Millionen Euro. Die Ingenieurinnen und Ingenieure, die derzeit an einem neuen Raumanzug der Nasa tüfteln, dürften da nur milde lächeln. Ihre Kleidungsstücke werden ein Vielfaches davon kosten.

Das wohl teuerste Kleidungsstück der Welt soll 2025 oder später bei der Artemis-3-Mission zum Einsatz kommen, wenn mehr als 50 Jahre nach der bislang letzten Landung wieder Menschen den Mond betreten. Den Auftrag für die Raumanzüge hat die Nasa kürzlich an das Unternehmen Axiom Space vergeben. Allein für die Anzüge der ersten zwei Mondspaziergänger soll Axiom umgerechnet 230 Millionen Euro erhalten. Für weitere Missionen auf und am Mond sowie für die Internationale Raumstation ISS stellt die Nasa bis 2034 Aufträge im Wert von umgerechnet gut 3,5 Milliarden Euro in Aussicht.

Für Kritiker einer neuen Mondlandung mag das Preisschild an der exklusiven Arbeitskleidung ein Beleg für den Irrsinn der ganzen Unternehmung sein. Es liegt jedoch daran, dass Raumanzüge nicht weniger sind als Raumschiffe in Miniaturform. Die Hightech-Bekleidung - nicht zu verwechseln mit den simplen Druckanzügen für Start und Landung - sollen Astronauten und Astronautinnen in einer Umgebung von kaum zu überbietender Lebensfeindlichkeit am Leben erhalten: Weltraumstrahlung, die von keiner Atmosphäre gefiltert wird, Oberflächentemperaturen zwischen plus 100 Grad und minus 180 Grad Celsius, und dazu feinster, scharfkantiger Mondboden erfordern aufwendigste Technik.

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Von außen stört der Mondstaub, von innen der Astronautenschweiß

Der Regolith genannte Mondstaub setzt sich derart fest in das Gewebe von Raumanzügen, dass schon die Apollo-Astronauten am Ende ihrer Ausflüge aussahen wie Kumpel von der Ruhr. Der Staub gilt auch heute noch als akute Gefahr für Dichtungen, Gelenkverbindungen und Ventile. Dazu kommen die Ausdünstungen. "Astronauten schwitzen und atmen feuchte Luft aus", sagt Esa-Astronaut Matthias Maurer, der dieses Frühjahr als bislang letzter Deutscher im All unterwegs war. "Diese Luft mit weniger Sauerstoff und mehr CO₂ muss abtransportiert und durch das Lebenserhaltungssystem im Rucksack gereinigt und entfeuchtet werden."

Raumanzüge sind daher in einer Art luftdichtem Zwiebellook aufgebaut, durch dessen Schichten zahlreiche Kabel und Schläuche führen, damit die Astronauten nicht überhitzen oder erfrieren und dabei immer trocken bleiben - wobei: Eine anzuginterne Toilette gibt es dann doch nicht, Astronauten tragen darin Windeln.

Zwar besitzt die Nasa ein aktuelles Raumanzug-Modell, welches sie vor fast 50 Jahren für die US-Raumfähren entwickelte und später für die Reparatureinsätze außerhalb der ISS weiterentwickelte. Aber die EMUs ("Extravehicular Mobility Unit") genannten Kleidungsstücke sind für den Mond ungeeignet. "Die ISS-Anzüge sind für die Schwerelosigkeit entwickelt worden, nicht für die Mondoberfläche", sagt Maurer. Ihnen fehlen also die erforderlichen Moon Boots, da ihre Träger nur im All umherschweben. "Außerdem sind sie viel zu schwer und sperrig. Wenn ich mich damit hinknien wollte, um einen Stein anzuschauen, würde ich umkippen."

Auch der Anzug der ersten Mondlandung lässt sich nicht einfach modernisiert nachbauen. Die Apollo-Astronauten zogen ihn nur für einige Stunden an, und auch nur maximal dreimal pro Mission. Die Artemis-Astronauten sollen aber mehrere Wochen auf dem Mond verbringen und entsprechend häufiger in ihre Outdoor-Anzüge schlüpfen, um bis zu neun Stunden am Stück auf der Oberfläche zu arbeiten.

Ein neuer, xEMU genannter Anzug soll zudem mit aktueller Technik wie hochauflösenden Kameras und Weltraum-Wlan ausgestattet werden. Zudem müssen die Anzüge künftig auch Astronautinnen passen, schließlich soll dieses Mal eine Frau den ersten Schritt auf dem Mond tun. Den aktuellen EMU gibt es zwar in den Größen M, L und XL - aber nur für Männer.

Vor allem aber sollen sich die Astronauten nicht mehr verrenken müssen, wenn sie in den Anzug steigen, der bisher quasi in eine Hose und ein recht starres Oberteil unterteilt ist. "Da reinzugehen, ist wie eine Geburt im Rückwärtsgang, eine richtige Qual", so Maurer. Pikanterweise nimmt sich der neue Anzug den russischen Orlan-Raumanzug zum Vorbild, dessen Ursprünge nicht weniger alt sind als die des EMU: "Beim Orlan steigt man durch eine rückwärtige Tür ein, das ist viel einfacher, und ich komme sogar allein hinein. Auch wenn der russische Anzug braun und alt aussieht - das ist top Engineering."

Auch auf der "ISS" werden die Anzüge knapp

Das Problem der Nasa: Ihre Ingenieure forschen schon seit 15 Jahren an neuen Modellen und gaben dabei umgerechnet über 400 Millionen Euro aus. Trotzdem gibt es immer noch keinen fertigen Anzug. Denn die Ingenieure kämpfen mit derart vielen technischen und organisatorischen Schwierigkeiten, dass sich die Verzögerungen mittlerweile auf fast zwei Jahre summieren, was der Nasa gleich zwei Probleme beschert.

Denn der xEMU sollte im besten Fall in angepasster Form auch auf der ISS zum Einsatz kommen. Dort geht zumindest den US- und Esa-Astronauten allmählich die Arbeitskleidung aus. Von den ursprünglich 18 angefertigten Anzügen sind nur noch elf einsatzfähig, deren Wartung im Jahr 150 Millionen Euro kostet. Und ein Exemplar fehlt, denn Matthias Maurer lief während seines Außeneinsatzes Wasser in den Helm, der Anzug musste zur Inspektion auf die Erde geflogen werden.

Das andere Problem ist der Zeitplan: 2025 könnte knapp werden. Das liegt auch daran, dass sich die wechselnden US-Regierungen über Jahrzehnte nicht auf ein konkretes Missionsziel im Weltraum festlegen wollten. So wurde erst vor wenigen Jahren klar, dass die Astronauten in der felsigen Südpol-Region des Mondes landen sollen, erst dann konnte die Nasa mit der Entwicklung der Schuhe beginnen.

All ihre Probleme mit Kostensteigerungen und Verzögerungen versucht die Nasa nun - zur Überraschung des Astronauten-Korps - mit dem Service-Vertrag mit dem privaten Unternehmen Axiom Space zu zerschlagen. Axiom darf dabei uneingeschränkt auf die Arbeit der Nasa zugreifen. Im Gegenzug verspricht das Unternehmen, die Anzüge zu einem festen Preis pünktlich zu liefern.

Dieses Beschaffungssystem setzt die Nasa auch bei anderer teurer Hardware ein, etwa bei Raketen und Raumschiffen. Dabei kauft die Nasa nur den Service des Partners, der sein Produkt auch für andere Zwecke verwenden darf. Das hat auch Axiom Space vor. Das Unternehmen organisiert für Weltraumtouristen Millionen Dollar teure Flüge zur ISS und baut eine private Raumstation, um sie in zwei Jahren an die ISS anzudocken. Für deren Wartung werden auch Raumanzüge gebraucht.

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