Pläne der Nasa:Den Mond links liegen lassen

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Muss es denn immer der Mond sein? Nein, sagt die Nasa und will stattdessen Astronauten zu einem winzigen Asteroiden schicken. Das könnte wirklich neue Erkenntnisse bescheren - und wäre zudem viel billiger.

A. Stirn

Man nehme: Ein paar wagemutige Astronauten, gerne auch einen mürrischen Bohrexperten, ein nicht allzu modernes Raumschiff und einen Asteroiden, der auf die Erde zurast. Fertig ist der Hollywood-Kassenschlager - oder die nächste Nasa-Mission.

Warum nicht mal einen Asteroiden genauer ansehen? Die Nasa entwickelt neue Pläne. (Foto: Foto: AP / Asteroid 234 Ida)

Die US-Raumfahrtbehörde denkt derzeit ernsthaft darüber nach, den Mond links liegen zu lassen und ihre Astronauten stattdessen zum nächstbesten Asteroiden zu schicken. Nach dem Motto: Was Hollywood kann, das schafft die Nasa schon lange.

Der Stimmungswandel kommt allerdings nicht ganz freiwillig. Seit US-Präsident George W. Bush im Januar 2004 seine "Vision" von der Erkundung des Weltalls verkündet hatte, kannte die amerikanische Raumfahrt nur ein Ziel - den Mond.

Spätestens 2020, so die Vorgabe des damaligen Präsidenten, sollte wieder ein US-Astronaut auf dem Erdtrabanten landen. Heute, fünf Jahre nach Bushs Ankündigung, wird zwar noch immer pflichtschuldig an Raumschiffen und Raketen gebaut. Doch mittlerweile sind nicht nur die Visionäre verschwunden, sondern auch das Geld.

"Mit dem gegenwärtigen Budget lässt sich so ein Programm schlichtweg nicht verwirklichen", sagt Sally Ride. Die ehemalige Astronautin ist Mitglied einer zehnköpfigen Kommission, die Präsident Barack Obama Wege aus der Raumfahrtkrise weisen soll.

Ride kümmert sich dabei ums Geld, und nach ihren Berechnungen fehlen 50 Milliarden Dollar, um die ursprünglich vorgesehenen Pläne umsetzen zu können. Ohne zusätzliches Geld würde die neue Mondrakete frühestens im Jahr 2028 fertig werden. "Und eine Landefähre oder gar eine Basis wären dann noch nicht einmal entwickelt", sagt Ride.

Erfahrungen in den Tiefen des Alls

Zeit also, sich billigere, vor allem aber sinnvollere Alternativen auszudenken. Und die könnten in der Tat zu einem Asteroiden führen. Unter den Ideen, die die Kommission am kommenden Montag dem Präsidenten vorschlagen will, findet sich ein entsprechender Plan. Im Jahr 2020 könnte es losgehen.

"Wir sind schon sechsmal auf dem Mond gelandet", sagt Ed Crawley, Astronautik-Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ebenfalls Mitglied der Regierungskommission. "Doch Erfahrungen mit Missionen in die Tiefen des Alls haben wir bislang kaum gemacht." Das soll sich nun ändern.

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Völlig überraschend kommen die Überlegungen für die Nasa nicht - bereits 2006 hatte die Behörde eine erste Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Deren Ergebnisse waren ermutigend.

"Eine bemannte Mission zu einem Asteroiden wäre eine einzigartige Herausforderung für die Crew, für das Raumschiff und für das Kontrollzentrum", sagt Rob Landis, Ingenieur beim Johnson Space Center in Houston. Landis hat nicht nur die ursprüngliche Studie betreut, sondern Mitte Juni in der Fachzeitschrift Acta Astronautica auch einen Plan für die Mission zu einem Asteroiden veröffentlicht.

Dem Asteroiden nahe kommen

Bevorzugtes Ziel wäre demnach einer der vielen Himmelskörper, der die Sonne auf einer ähnlichen Bahn wie die Erde umkreist und dem Planeten regelmäßig nahekommt. Etwa sieben Wochen würde eine zweiköpfige Crew brauchen, um so einen Brocken zu erreichen.

Mit ihrem Raumschiff würden sich die Astronauten dem Asteroiden nähern und ihn dann in sicherem Abstand begleiten. Sie könnten den Himmelskörper mit Radargeräten durchleuchten und so mehr über dessen Aufbau und dessen innere Struktur erfahren - wichtige Informationen, falls eines Tages doch mal ein Asteroid Kurs auf die Erde nimmt und zerstört werden muss.

Mit einer ferngesteuerten Sonde könnten die Astronauten Proben entnehmen. Sie könnten, wenn keine Gefahr droht, sogar aussteigen und selbst Hand anlegen. Da sich Asteroiden zur selben Zeit wie die Planeten gebildet haben, sind sorgfältig ausgewählte Proben für irdische Forscher von großem Interesse: Die Gesteinsbrocken könnten ihnen verraten, welche Bedingungen damals im Sonnensystem geherrscht haben müssen.

In den Augen der Kommissionsmitglieder hätten Flüge zu einem Asteroiden noch einen weiteren großen Nutzen: "Unsere Astronauten wären über einen langen Zeitraum genau den Bedingungen ausgesetzt, die wir auch bei einem Flug zum Mars vorfinden", sagt MIT-Professor Crawley. Denn dieses Ziel, den bemannten Flug zum Roten Planeten, will die Kommission trotz aller finanziellen Probleme aufrechterhalten.

Ohne Erfahrungswerte, besonders zur Strahlenbelastung der Astronauten fernab der Erde, kann ein solcher Flug aber nicht in Angriff genommen werden. Für Rob Landis sind Asteroiden-Missionen daher auch "ein kleiner Schritt hin zum Mars".

Filmreifer Auftritt

Die Raumkapsel, die Astronauten zu einem Asteroiden bringen kann, wird bereits gebaut. Sie heißt Orion, soll von 2015 an Menschen zur Internationalen Raumstation bringen, ist aber auch für größere Aufgaben bestimmt.

Um während des mehrmonatigen Flugs genügend Platz für Ausrüstung und Verpflegung zu haben, denken die Orion-Entwickler darüber nach, zwei Raumkapseln zu koppeln. Das geht aus einem Film hervor, den die Konstrukteure der Kapsel Anfang des Monats auf einer Konferenz präsentiert haben - inklusive eines Astronauten, der filmreif um einen Asteroiden schwebt.

Selbst Kandidaten für einen ersten Besuch gibt es bereits. Galt zunächst ein etwa 40 Meter großer Brocken, der im Jahr 2069 der Erde bedrohlich nahe kommen könnte, als Favorit, hat Ed Crawley nun ein noch kleineres Ziel auserkoren: Der Asteroid 2007 UN12 ist gerade einmal sechs Meter lang und 30 Tonnen schwer.

Aufgrund seiner äußerst geringen Anziehungskraft muss keine teure Landefähre entwickelt werden; die Astronauten können einfach zum Asteroiden hinüberschweben. Da zudem beim Rückflug keine Schwerkraft überwunden werden muss, kommt die Crew - im Vergleich zu einem Start von der Mondoberfläche - mit äußerst wenig Treibstoff aus.

Die fehlende Schwerkraft hat aber auch ihre Nachteile. Auf einem solchen Asteroiden herumzulaufen, eine Fahne einzurammen oder gar Löcher für eine gezielte Sprengung zu bohren, wie es der mürrische Experte im Blockbuster "Armageddon" macht, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das bleibt Hollywood vorbehalten.

© SZ vom 27.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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