Menschheitsgeschichte:Bauten Frühmenschen bereits mit Holz?

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Das Ausgrabungsteam vor der womöglich bislang ältesten Holzkonstruktion der Menschheit. (Foto: Professor Larry Barham, University of Liverpool)

Schon vor fast einer halben Million Jahren haben Vormenschen in Afrika eine Konstruktion aus Holz angefertigt. Waren sie womöglich viel früher als gedacht sesshaft?

Von Jakob Wetzel

Das Leben der Menschen in der Altsteinzeit war mutmaßlich recht mobil. Der Homo sapiens und seine Vorgänger waren Jäger, Fischer und Sammler, also Nomaden: Sie folgten den Tieren, die sie jagten. Hin und wieder wohnten sie eine Zeit lang unter Felsvorsprüngen oder in Höhlen, doch statt sich dauerhafte Häuser zu bauen, zogen sie umher. Bis dann der moderne Mensch vor rund 10 000 Jahren begann, Land zu bestellen und sesshaft zu werden - so das gängige Bild der Menschheitsgeschichte. Aber stimmt es auch?

Wissenschaftler der University of Liverpool sowie der Aberystwyth University berichten nun von einem Fund, der zu dieser Vorstellung nicht recht passen will. Wie sie im Wissenschaftsmagazin Nature schreiben, fanden sie oberhalb des 235 Meter hohen Kalambo-Wasserfalls an der Grenze Sambias zu Tansania eine mindestens 476 000 Jahre alte Struktur aus Holz: einen rund 1,40 Meter langen Holzbalken, der durch eine künstlich gefertigte Einkerbung mit einem darunterliegenden Baumstamm verbunden ist. Die Kerbe wurde herausgekratzt und geschlagen; womöglich hatten die Handwerker auch Feuer zu Hilfe genommen. Es handelt sich um die älteste je entdeckte Holzkonstruktion. Wer dort einst gezimmert hat, ist unklar; es könnten Angehörige der Art Homo erectus gewesen sein. Offen ist auch, was aus den Stämmen werden sollte oder wozu sie gehörten: zu einem Steg, einer Plattform, einer Behausung? In jedem Fall hätten die Menschen damit die Landschaft um sie herum dauerhaft verändert. Doch warum sollten Nomaden so etwas tun?

Hölzerne Funde aus der Altsteinzeit sind selten. Bisher entdeckt wurden vor allem Werkzeuge, zum Beispiel die etwa 330 000 Jahre alten Schöninger Speere. Organische Stoffe wie Holz überdauern nur unter speziellen Bedingungen, etwa bei extremer Trockenheit oder in durchnässten Sedimenten ohne Kontakt mit Sauerstoff - so wie nun oberhalb des Kalambo-Wasserfalls. Dort, in einer seit den 1950ern bekannten Ausgrabungsstelle, fanden Forscherinnen und Forscher um den Archäologen Larry Barham von der University of Liverpool 2019 insgesamt fünf bearbeitete Holzobjekte im nassen Sand. Neben der Balkenstruktur stießen sie unter anderem auf einen 36 Zentimeter langen Holzkeil und einen 62 Zentimeter langen Stock, der mutmaßlich zum Graben verwendet worden war. Die Forscher datierten ihre Funde mit der Thermolumineszenz-Methode; dabei wird ermittelt, wann eine Substanz zuletzt Sonnenlicht ausgesetzt gewesen ist. Die Gegenstände sind demnach etwas jünger als die Holzkonstruktion und zwischen 390 000 und 324 000 Jahre alt.

Doch was genau haben die Handwerker dort gefertigt? "Die hominine Nutzung des Kalambo-Flussbeckens fällt mit einer längeren Periode zusammen, in der die Gegend mit Wald bedeckt war", schreiben die Forscher in ihrer Studie. Rund 200 000 Jahre lang hätten dort Bedingungen geherrscht, die für ein dauerhaftes Leben vor Ort günstig waren. Waren die Menschen dort also bereits sesshaft? Womöglich wurde das Gelände periodisch überschwemmt, schreiben die Wissenschaftler - ein Steg oder eine Plattform wären dann hilfreich gewesen. Die Urmenschen hätten "ihre Umgebung umgestaltet, um sich das Leben zu erleichtern", sagt Larry Barham laut einer Mitteilung. "Diese Leute waren uns ähnlicher, als wir dachten."

Weil sich Steine und Knochen viel besser erhalten als organische Stoffe, sei das Bild, das sich aus archäologischen Funden ergebe, verzerrt, schreibt die Archäologin Annemieke Milks von der University of Reading, die nicht an der Studie beteiligt war, in einem begleitenden Kommentar in Nature. Als älteste von Menschen geschaffene Konstruktion gelten bislang Strukturen in der Höhle von Bruniquel im Südwesten Frankreichs. Es handelt sich um Kreise aus Stein, Neandertaler haben sie aus abgebrochenen Stalagmiten errichtet. Sie werden auf ein Alter von 176 500 Jahren datiert. Sie sind also rund 300 000 Jahre jünger als die Holzkonstruktion vom Kalambo-Wasserfall.

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