Erderwärmung:Ideen im Kampf gegen die Klimakrise

Solarauto, Wasserstoff-Zug, Laborfleisch, Schwammstadt - einige Entwicklungen stehen kurz vor dem Durchbruch. Sieben Technologien für die klimafreundliche Zukunft.

Von Camilla Kohrs und Thomas Hummel

Photovoltaik, Stromspeicher, E-Auto - der ideale Dreiklang?

Eine Photovoltaik (PV)-Anlage auf dem Dach hat sich lange gelohnt über die hohe Einspeisevergütung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), doch die Förderung ging zurück, von mehr als 54 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2004 auf derzeit etwa zwölf Cent. Rechnet sich das Sonnendach noch? Vielleicht bald mehr denn je - wenn der Strom auch selbst genutzt wird, etwa für das eigene Elektroauto.

Das funktioniert im Zusammenspiel mit einem Batteriespeicher im Haus, denn den meisten Strom nutzen Verbraucher, wenn es dunkel und kalt ist. Mehr als 100 000 Speicher sind in bereits in deutschen Häusern installiert, Tendenz stark steigend. Auch weil der Preis für solche Speicher fällt. Der Bundesverband Solarwirtschaft rechnet vor: "Eine 40 Quadratmeter große PV-Anlage mit einer Nennleistung von sieben Kilowatt produziert im Jahr rund 6650 Kilowattstunden Solarstrom. Damit deckt sie rechnerisch den durchschnittlichen Strombedarf einer vierköpfigen Familie und liefert zudem genug Strom für eine jährliche Fahrleistung von 15 000 Kilometern im Elektroauto." In der Regel amortisieren sich PV-Anlage plus Speicher nach etwa elf bis 13 Jahren.

Dieser Artikel gehört zur Werkstatt Demokratie, ein Projekt der SZ und der Nemetschek Stiftung. Alle Beiträge der Themenwoche "Klimakrise" finden Sie hier, alles zum Projekt hier.

Extra-Nutzen: Selbst produzierter und genutzter Strom entlastet die Stromnetze. Zudem könnte das eigene Dach so zur Tankstelle werden. Erste Anbieter setzen das Modell auch für Mietshäuser oder Eigentümer-Gemeinschaften in Städten um.

Kritik: Autark ist man damit nicht, weil die PV-Anlage im Winter zu wenig Strom produziert, stattdessen wird im Sommer der überschüssige Strom ins Netz eingespeist. Derzeit können Eigenheimbesitzer etwa 70 Prozent ihres Strombedarfs damit abdecken. Wenn E-Autos den Rückfluss des Stroms aus ihren Akkus ins Haus ermöglichen, ist eine höhere Quote möglich. Zudem beklagen Nutzer einen sehr hohen bürokratischen Aufwand, etwa bei der Steuererklärung.

Solarauto - die Sonne als Antrieb

Erderwärmung: Das Solarauto Sion bei seiner Vorstellung in München 2017.

Das Solarauto Sion bei seiner Vorstellung in München 2017.

(Foto: Sono Motors)

Die Idee ist nicht neu, schon 1987 gab es in Australien die erste World Solar Challenge für Fahrzeuge, die ihre Energie alleine aus Sonnenlicht beziehen. Lange sahen die Autos aus wie überdimensionierte Liegestühle mit Solarzellenoptik. Doch jetzt basteln Firmen, Start-ups und Forscher an alltagstauglichen Autos mit einer Haut aus Photovoltaik-Zellen.

Das Münchner Unternehmen Sonomotors plant, sein E-Auto Sion vom zweiten Halbjahr 2020 an zu produzieren. Das erste "Serien-Solar Electric Vehicle" (SEV - nicht zu verwechseln mit SUV) soll ganzflächig mit PV-Zellen bedeckt sein, also auf dem Dach, der Motorhaube, den Seitenflächen. Steht das Auto den ganzen Tag im Sonnenlicht soll damit im Sommer eine Reichweite von 30 Kilometern allein mit Sonnenenergie möglich sein, im Winter von 13 Kilometern. Wird das Auto selten genutzt, kann die Batterie so komplett aufladen, die Reichweite beträgt dann maximal 250 Kilometer. Wem der Sonnenstrom nicht reicht, der lädt an der Ladestation. Das Auto kostet mit Batterie 25 500 Euro, nach Firmenangaben sind bereits mehr als 10 000 vorbestellt.

In den Niederlanden will das Start-Up Lightyear mit einem Solarauto auf den Markt, mit einer Leichtbauweise soll eine Reichweite von 800 Kilometern erreicht werden. Kosten: fast 120 000 Euro. Von den großen Herstellern experimentiert Audi mit dem Solarauto. Dabei kommt Hilfe vom Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme in Freiburg: Die Forscher haben ein Solardach entwickelt, das sich in jedes Elektroauto integrieren lässt.

Extra-Nutzen: Selbst produzierter Strom entlastet die Netze. Steigt der Wirkungsgrad der Solarzellen und sinkt der Energieverbrauch der Elektroautos, kann das die Reichweite der Solarautos erheblich erhöhen.

Kritik: Tiefgaragenplätze, Carports oder Parkplätze unterm Baum sind für ein Solarauto unpraktisch. Das Platzproblem in den Städten löst man dadurch nicht, im Gegenteil.

Strom-Communitys - gemeinsam unabhängig

Eine Strom-Community basiert darauf, dass sich private Strom-Erzeuger zusammenschließen, sei es mit Photovoltaik-, Windkraft-, Biogas-Anlagen oder anderen erneuerbaren Energiequellen. Die Anbieter versprechen die Unabhängigkeit von großen Kraftwerksbetreibern, dauerhaft günstigen Strom, dazu noch zu 100 Prozent klimaneutral.

Durch Batteriespeicher sowie eine Software-Steuerung soll der erzeugte Strom anschließend so verteilt werden, dass die Community in sich autark ist. Der größte Anbieter in Deutschland ist die Sonnen GmbH aus dem Allgäu (inzwischen eine Tochter des Rohstoffriesen Shell) mit etwa 40 000 Kunden. Weitere Anbieter heißen LichtBlick oder Senec. Die Gemeinde Brunnthal bei München startet gerade mit der Firma GreenCom eine Kooperation, Photovoltaik-Anlagen auf kommunalen Gebäuden sollen die Basis für eine lokale Energie-Gemeinschaft sein. Etwaige Schwankungen in der Stromerzeugung etwa bei schlechtem Wetter sollen Biogas-Anlagen und Blockheizkraftwerke übernehmen.

Extra-Nutzen: Derzeit müssen bei Sturm mitunter Windräder abgeschaltet werden, weil sonst zu viel Strom die Netze überlasten würde. Community-Anbieter wollen diesen überschüssigen Strom in den privaten Batteriespeichern zwischenlagern und später nutzen.

Kritik: Das Unternehmen EuPD-Research beobachtet den Markt für erneuerbare Energien. "Für den Kunden bieten Communities nicht immer einen Kostenvorteil", erklärt Mitarbeiterin Natalja Semerow. Wer mehr Strom braucht als selbst hergestellt wird, der benötigt zusätzlich Strom des Anbieters und der sei bei nur vier von zehn untersuchten Angeboten kostengünstiger als bei handelsüblichen Ökostromanbietern.

Brennstoffzelle, Laborfleisch, Sponge City

Sponge City - eine Stadt als Schwamm

Wasser kann in Beton nicht versickern - mit diesem Problem haben Städte überall zu kämpfen. In chinesischen Orten wird für Gehwege ein offenporiger Asphalt verwendet, in den das Wasser einsickert, darunter wird es gespeichert und weiterverwendet. Das ist nur eine Maßnahme, um eine sogenannte "Schwammstadt" zu realisieren. In China ist das Programm besonders ambitioniert: 20 Städte nehmen als Modellregionen teil, bis 2030 sollen 80 Prozent ihrer urbanen Fläche mit Schwammfunktionen ausgestattet sein. Auch in Deutschland gibt es dafür Ansätze. Klimaforscher rechnen damit, dass es hierzulande durch den Klimawandel zwar im Sommer insgesamt deutlich weniger regnen wird, an einzelnen Tagen dafür sogar stärker.

Umgang mit Regenwasser am WISTA Adlershof

Rigolen am Straßenrand zur Aufnahme von Regenwasser sind ein Bestandteil des Konzepts "Schwammstadt".

(Foto: picture alliance / Britta Peders)

Darauf sind hiesige Städte häufig nicht ausgelegt. Im Sommer 2017 gab es nach starken Regenfällen vielerorts Überschwemmungen. In Berlin etwa nahm die Kanalisation zu wenig Wasser auf, Straßen und Keller standen unter Wasser. Einige Teile der Stadt kommen indes ohne Regenabfluss in die Kanalisation aus, wie der Physik-Campus der Humboldt Universität oder eine Wohnanlage in der Rummelsburger Bucht. Dort sind Dächer und Innenhöfe fast vollständig begrünt, unter dem Gras ist eine extra dicke Erdschicht, die viel Wasser aufnimmt. Laut Carlo Becker, Landschaftsarchitekt und Experte für Schwammstädte, werden zahlreiche Neubaugebiete in Berlin so geplant.

Extra-Nutzen: "Bevor wir Klimaanlagen einbauen, sollten wir den Kühleffekt selbst produzieren", sagt Becker. Das in Mulden, auf Wiesen, in Pflanzen und auf Dächern gespeicherte Wasser verdunstet an warmen Tagen nach und nach. Das wirkt kühlend auf die Stadttemperatur.

Kritik: Das Konzept der Schwammstadt setzt nicht primär bei der Verhinderung des Klimawandels, sondern bei der Anpassung an. Natürlich sei die erste Prämisse Klimaschutz, sagt Becker. Aber angesichts der steigenden Temperaturen müsse man sich gleichzeitig auf Veränderungen einstellen. Ein anderes Problem ist: Wenn das Wasser in der Stadt gehalten wird, gelangt weniger in die Flüsse, außerdem konkurrieren die Grünflächen auf den Dächern mit Photovoltaikanlagen.

Fleisch aus dem Labor

dpa-Story - Laborfleisch; Laborfleisch

Das Ziel vor Augen: Das israelische Unternehmen Aleph Farms stellte 2018 sein erstes Laborsteak. So echt wie richtiges Fleisch (rechts im Bild) sieht es jedoch noch nicht aus.

(Foto: Ilia Yechimovich/dpa)

Fleisch ohne Tierleid? Das verspricht In-Vitro-Fleisch, das im Labor hergestellt wird. Es besteht vor allem aus Muskelgewebe. Dafür werden Tieren Muskelstammzellen entnommen, die sich in einer Nährlösung vermehren und danach in einem Bioreaktor eine sogenannte Myogenese, eine Muskelentwicklung, durchlaufen, wie in einer Studie des Karlsruher Institut für Technologie beschrieben. Ein israelisches Start-Up verkündete im Dezember 2018, ein richtiges Steak hergestellt zu haben, das auch von der Textur her gelungen sei. Das Laborfleisch soll auch nachhaltiger sein. Zahlen der Non-Profit-Organisation Institute for Agriculture and Trade Policy von 2016 zufolge macht die Fleisch- und Milchproduktion weltweit 14 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus.

Das niederländische Unternehmen Mosa Meat hatte 2013 den ersten Laborburger vorgestellt. Seine Entwicklung kostete mehr als 300 000 Euro. Das Unternehmen will in zwei Jahren Burger für etwa neun Euro auf den Markt bringen. Um auf diesen Preis zu kommen, müsste man in die Massenproduktion einsteigen. Die meisten Firmen sind davon weit entfernt, doch die Branche wächst.

Kritik: Die Muskelzellen reifen zumeist auf einer Nährlösung heran, die oft aus Fetalem Kälberserum (FKS) besteht. Dieses Blutserum wird ungeborenen Kälbern aus dem Herzen entnommen. Die Föten sterben dabei, die Mutterkuh wird vorher geschlachtet. Ob In-Vitro-Fleisch in Massenproduktion klimafreundlich ist, hängt vom Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch ab. Denn die Herstellung verbraucht viel Energie. Eine weitere Frage ist, wie die Konsumenten das Produkt annehmen.

CO₂ aus der Atmosphäre ziehen

Debatte um CO2-Preis

Wie kriegt man das CO2 wieder aus der Atmosphäre?

(Foto: dpa)

Langfristig muss der Treibhausgas-Ausstoß nicht nur auf null sinken, sondern sogar negativ werden. Davon ist der Physiker Klaus Lackner überzeugt. Der Forscher leitet das Center for Negative Carbon Emissions an der Arizona State University, zu deutsch: das Zentrum für negative Kohlenstoff-Emissionen. Dort wird erforscht, wie Kohlendioxid aus der Luft gefiltert und verwertet werden kann. Das sei nicht so schwer, sagt der Forscher. "Bäume können das ja auch."

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Gas einzufangen, etwa mit Propellern oder mit Kunstharz. Letzteres ist an Lackners Institut entstanden. Das Harz funktioniert über das Prinzip des Ionenaustauschs, erklärte Lackner im SZ-Magazin: Wenn das Kunstharz trocken ist, binde es CO₂ an sich, wenn es nass wird, gebe es den Stoff wieder ab. "Wir können draußen im Trockenen CO₂ aufnehmen und dann im feuchten Gewächshaus wieder rauslassen", sagte er. Dort könnten es Pflanzen verwerten.

Ein weiterer Ansatz ist der Anbau von schnell wachsenden Pflanzen zur Gewinnung von Bio-Energie. Während ihres Wachstums ziehen die Pflanzen Kohlendioxid aus der Luft und wandeln es in Fett und Stärke um. Dann werden sie verbrannt oder zu Kraftstoffen wie Ethanol oder Biodiesel verarbeitet. Dabei wird das CO₂ aufgefangen und danach unter die Erde in Lagerstätten gepresst. BECCS heißt diese Methode und steht für "Bioenergy with Carbon Capture and Sequestration".

Extra-Nutzen: Weitere Ideen zur Verwendung von Kohlendioxid: Eine kanadische Firma will damit massentauglich Benzin herstellen. Gründer und Harvard-Professor David Keith berichtet, es sei möglich, Kohlendioxid für etwa 100 Dollar pro entfernter Tonne aus der Luft zu ziehen. Beim von der EU geförderten Carbfix-Forschungsprojekt in Island wird CO₂ mit hohem Druck aus der Luft geholt und 250 Meter unter der Erde in vulkanisches Basaltgestein gepresst. In Verbindung damit wird es beispielsweise zu Kalkstein.

Kritik: Es besteht die Gefahr, dass manche die Methode als Freifahrtschein dafür nutzen könnten, CO₂-Emissionen nicht oder nur wenig zu reduzieren.

Brennstoffzelle - der Schwerlast-Versorger

Wasserstoff-Brennstoffzellenzug; Wasserstoff-Brennstoffzellenzug

Der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Zug "Coradia iLint" von Alstom.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Fernbus-Anbieter FlixBus erklärte kürzlich, das Unternehmen "arbeite am Einsatz von Wasserstoffbussen auf der Langstrecke". Zusammen mit dem Freudenberg-Konzern aus Weinheim an der Bergstraße, der die nötige Brennstoffzelle liefert, sollen einige Busse bald ohne Abgase auskommen. Noch sind die Unternehmen auf der Suche nach einem Fahrzeug-Hersteller, weshalb frühestens 2021 mit dem ersten Brennstoffzellen-Bus zu rechnen ist.

Vor allem für den Schwerlast-Verkehr, für Lkw, Busse, Schiffe und Züge gilt die Brennstoffzellen-Technik als derzeit vielversprechendste Lösung. Über einen Druck-Tank fließt Wasserstoff (H₂) in die Brennstoffzelle und reagiert dort mit Sauerstoff aus der Luft, dabei entsteht Wasser - und Strom. Im Vergleich zu Batterien erlaubt dieser Antrieb einen schnellen Tankvorgang, große Reichweiten und den Transport von schweren Lasten ohne überdimensionierte Batterien. Der erste Wasserstoff-Zug in Deutschland fährt bereits: Zwischen Buxtehude und Cuxhaven ersetzt seit rund einem Jahr der "Coradia iLint" des französischen Herstellers Alstom eine Diesellok. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 140 km/h, der Betrieb läuft einwandfrei. Das Land Niedersachsen hat nun weitere 13 solcher Züge bestellt. Vor allem China und Japan fördern diese Technologie. Deutsche Hersteller von Wasserstoff-Bussen oder -Zügen gibt es bislang nicht.

Extra-Nutzen: Wasserstoff kann sehr viel überschüssigen Strom speichern, zum Beispiel aus Windkraftanlagen. Außerdem können Brennstoffzellen etwa auch mit Methanol betrieben werden.

Kritik: Zur Herstellung des Wasserstoffs wird sehr viel Strom benötigt. Deshalb ist auch hier die Wende hin zu erneuerbaren Energien Voraussetzung für weniger CO₂-Emissionen. Zudem sind die Preise für H₂-Fahrzeuge noch sehr hoch und Wasserstoff-Tankstellen gibt es bislang wenige.

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