SZ-Klimakolumne:Vom Urlaub in Zeiten der Klimakrise

Lesezeit: 2 min

Eine große Qualle mit fließenden Tentakeln im Meer vor Schottland. (Foto: IMAGO/Mark Kirkland/IMAGO/VWPics)

Die Meere sind heiß wie nie. Dahinter steckt der Klimawandel. Was macht das mit der Badelaune?

Von Vera Schroeder

Alle zwei Jahre fahren wir Anfang September nach Elba, in ein großes Ferienhaus aus Stein, das dann die Wärme des ganzen italienischen Sommers noch in seinen Mauern trägt, während draußen der erste kühle Herbstwind weht. Noch erwärmender als das Haus war im vergangenen Sommer allerdings das Meer. 28 Grad hatte das Wasser in unserer Bucht, mindestens drei Grad mehr als wir es aus den Jahren zuvor gewohnt waren. All die dicken Steine im Sand am Meeresgrund und auch der versunkene Leiterwagen, zu dem die Kinder immer mit ihren Schlauchbooten und Taucherbrillen hinaus paddeln, waren von einer Art grüngrauem Pelz überzogen, der der Unterwasserwelt alle ihre Farben nahm. Unsere Bucht sah an Luft und Land aus wie immer. Und unter Wasser apokalyptisch.

Seit Anfang März dieses Jahres messen Meeresforschende nie dagewesene Temperaturrekorde in den Ozeanen. Im Pazifik hat der El Niño begonnen. Aber auch der Nordatlantik wird derzeit von einer nie dagewesenen marinen Hitzewelle geprägt. Wie solche außergewöhnlichen Erwärmungen der Meeresoberfläche zustande kommen, haben wir hier in Grafiken erklärt (SZ Plus).

Mich persönlich jedenfalls gruselt der eskalierende Zustand der Weltmeere sehr. Ich kann nicht verstehen, weshalb das Thema keine Titelseiten füllt und weshalb, außer auf Twitter, die meisten Menschen um mich herum sehr ruhig bleiben und gemütlich ihre nächste Reise ans Meer planen. Dabei kommt mir, wenn ich mich selbst beobachte, gleichzeitig der Verdacht, dass das Weiterplanen von Ferien wie gehabt vielleicht einfach eine Übersprungshandlung ist. Ein hektischer Versuch, die eigenen Ängste, die eine durch massive klimatische Veränderungen geprägte Zukunft hervorrufen kann, dadurch wegzuschieben, dass man sich möglichst fest an geliebte Gewohnheiten klammert. Urlaub ist eine der schönsten Gewohnheiten von allen.

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Ich selbst fahre also diesen Sommer nach Schottland. Geplant ist eine Familienreise auf den Spuren Harry Potters, wie sie Dominik Prantl hier beschrieben hat (SZ Plus). Genau dort, wo wir hinreisen, sind die Meeresoberflächentemperaturen derzeit teilweise bis zu 6 Grad höher üblich. Zum Schnorcheln ist das Wasser zwar immer noch zu kalt. Unheimlich fühlt es sich trotzdem an.

Noch eine ganz andere Geschichte, die in einer Urlaubsregion spielt, möchte ich Ihnen ans Herz legen: Eine Reportage meiner Kolleginnen Gianna Niewel und Christoph von Eichhorn aus dem Ahrtal (SZ Plus), wo zwei Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe Menschen vor ihren neu gebauten Häusern stehen - die nach der Einschätzung von Experten erneut gefährlich nah am Fluss gebaut sind. Wie kann sowas passieren? Die Geschichte macht nicht unbedingt Ferienlaune, sie schildert aber eindrücklich, wie stark die menschliche Sehnsucht nach Normalität ist, besonders in der Not - und dass es Zeit braucht, die neue Klimarealität wirklich zu verstehen.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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