Klimawandel:Weltklimarat: Nahrungsmittelproduktion gefährdet die Erde

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  • Der Weltklimarat IPCC hat einen Sonderbericht zu den Wechselwirkungen zwischen Erderwärmung und Landnutzung veröffentlicht.
  • Die Erderwärmung, in Kombination mit nicht nachhaltiger Landwirtschaft, könne sich demnach massiv auf die Nahrungsproduktion auswirken und zu Versorgungsengpässen führen.
  • Laut dem Bericht haben sich die Landflächen der Erde seit Ende des 19. Jahrhunderts um rund 1,5 Grad Celsius erwärmt.
  • Derzeit stammt rund ein Viertel der menschlichen Treibhausgasemissionen aus der Landnutzung, vor allem aus Waldrodungen und aus der Landwirtschaft.

Von Marlene Weiß

Laut dem Weltklimarat IPCC muss die Menschheit nicht nur die Verbrennung fossiler Brennstoffe drastisch zurückfahren, sondern auch die Nutzung der Landflächen schnell und grundsätzlich verändern, um dramatische und potenziell irreversible Schäden durch Klimawandel und Übernutzung sowie massive Nahrungsmittelknappheit zu vermeiden.

In dem am Donnerstag veröffentlichten "Spezialbericht über Klimawandel, Wüstenbildung, Landverschlechterung, nachhaltiges Landmanagement, Ernährungssicherheit und Treibhausgasflüsse in terrestrischen Ökosystemen" haben rund 100 Wissenschaftler aus aller Welt den aktuellen Stand der Forschung zusammengetragen. In Genf wurde der Text der politischen Zusammenfassung in den vergangenen Tagen mit den UN-Regierungsvertretern verhandelt, der finalen Version haben alle beteiligten Staaten zugestimmt.

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Der Bericht betrachtet die Zusammenhänge zwischen Landnutzung und Klimawandel. Land- und Forstwirtschaft tragen derzeit knapp ein Viertel zum Treibhausgasausstoß der Menschheit bei. Da die Emissionen insgesamt bis zur Mitte des Jahrhunderts auf null fallen müssten, wenn das Zwei-Grad-Ziel realistisch bleiben soll, müsste auch die Landwirtschaft einen Beitrag leisten. Zugleich rechnen die meisten Modelle für ambitionierten Klimaschutz auch mit Maßnahmen wie Bioenergie und Aufforstung kombiniert mit CO₂-Einlagerung, was zusätzliche Landflächen erfordern würde und Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion mit sich brächte. Und schließlich sind auch Äcker, Wälder und Land-Ökosysteme stark von den Folgen des Klimawandels betroffen.

Es wäre genug Land da - doch Politik und Verbraucher müssten umsteuern

Diese sind umso schlimmer, je rücksichtsloser der Mensch diese Flächen verwendet. So werden laut dem Bericht derzeit 70 Prozent der eisfreien Landfläche vom Menschen genutzt, gut ein Drittel dieser Fläche sei dadurch von Verschlechterungsprozessen betroffen. Dazu gehören etwa Erosion durch zu intensive landwirtschaftliche Nutzung oder Beweidung oder Versalzung durch zu starke Bewässerung. Der Klimawandel verschärft dieses Problem noch: Die Fläche der von Dürren betroffenen Trockengebiete etwa wächst laut dem IPCC-Bericht seit 1961 im Mittel um rund ein Prozent pro Jahr. Gleichzeitig nehmen heftige Regenfälle zu, die in Erosionsgebieten die verbleibende fruchtbare Erde wegschwemmen können. Die Temperaturen an Land sind seit der industriellen Revolution um rund 1,5 Grad Celsius gestiegen. Die Folge sind häufigere Hitzewellen und verstärkte Wasserknappheit.

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Wie sich die Situation weiter entwickelt, hängt nicht nur von der weiteren Erwärmung, sondern auch von wirtschaftlichen und sozialen Trends ab. Es sei im Prinzip genug Land für Klimaschutz, Artenschutz und Ernährung da, sagte IPCC-Co-Autor Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven bei einer Pressekonferenz, aber nur unter zwei Bedingungen: Einerseits müsse politisch so umgesteuert werden, dass die Menschen sich gesünder ernähren, moderater konsumieren und das Bevölkerungswachstum gebremst wird. Und andererseits müssten natürlich die Treibhausgasemissionen schnell reduziert werden. "Dann ist Nachhaltigkeit zu erreichen", sagte Pörtner.

"Jetzt noch 20 Jahre auf irgendeinen technischen Durchbruch zu hoffen, bringt uns nicht weiter"

Allerdings ist eine solche globale Kehrtwende derzeit nicht unbedingt in Sicht, das ist auch den Autoren bewusst. Trotzdem bemühen sie sich um Optimismus. "Das Bild ist nicht rosig, aber der Bericht zeigt auch: Wenn schnell gehandelt würde, gäbe es schon Möglichkeiten", sagt Almut Arneth, IPCC-Autorin und Ökologin am Karlsruher Institut für Technologie. So streicht der Bericht heraus, dass Waldschutz oder eine nachhaltigere, bodenverträgliche Landwirtschaft sich vergleichsweise leicht und mit vielen positiven Nebeneffekten umsetzen ließen. "Jetzt noch 20 Jahre auf irgendeinen technischen Durchbruch zu hoffen, bringt uns jedenfalls nicht weiter", sagt Arneth.

Schon heikler wird es, wenn es darum geht, große Flächen für den Klimaschutz bereitzustellen, etwa um der Atmosphäre mit Hilfe von Energiepflanzen oder Bäumen CO₂ zu entziehen. "Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass wir großflächig Bioenergie produzieren oder aufforsten können", sagt Arneth. Alles, was mit zusätzlichem Flächenbedarf zu tun hat, werde wohl "schwierig bis unmöglich".

Wie auch immer die Menschheit sich entscheidet: Der Bericht zeigt, wie eng alles mit allem zusammenhängt, was die Aufgaben nicht leichter macht. "Man kann Klimaschutz, Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung nicht getrennt betrachten", sagt Arneth. Um die Lebensgrundlagen zu erhalten, müsse man immer das gesamte System im Blick haben.

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