SZ-Klimakolumne:Keep calm and eat Gazpacho

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Wenn es nicht allzu heiß ist, lässt es sich im Schatten auch in der Hängematte aushalten. (Foto: imago stock&people/imago/robertharding)

Deutschland steht vor einer Hitzewelle. Oder sind wir schon mittendrin? Was sich von den Andalusiern für die kommenden Tage lernen lässt - und was vielleicht lieber nicht.

Von Vivien Timmler

Ist Ihnen warm? Oder schon heiß? So oder so: Sie haben allen Grund dazu. Fast überall in Deutschland ist es Ende dieser Woche ganz schön schwül. Da kann ein Land, in dem die Durchschnittstemperatur aufs Jahr gerechnet bei gerade einmal neun Grad liegt, schon mal ins Schwitzen kommen. Und ins Grübeln. Schließlich war es noch nicht immer so, dass man sich Jahr für Jahr auf einen neuen Hitzerekord im Sommer gefasst machen musste. Über Jahrzehnte hinweg lag der deutsche Hitzerekord bei 40,2 Grad. Vor sieben Jahren stieg er dann auf 40,3 Grad. Und vor drei Jahren erneut auf 41,2 Grad.

Und 2022? Sah es zwischenzeitig so aus, als könnte der Klimawandel auch diesen traurigen Rekord pulverisieren. Anfang der Woche hatten einzelne meteorologische Modelle für die kommenden Tage Temperaturen von bis zu 45 Grad ergeben. Mittlerweile liegen die Prognosen etwas niedriger, nun wird mit bis zu 40 Grad gerechnet. Wie solche Wettervorhersagen entstehen und warum die Modelle der Meteorologen manchmal ganz schön ungenau sind, erklärt meine Kollegin Marlene Weiß hier. Und wie viel Klimawandel im Wetter steckt, hat der Kollege Benjamin von Brackel hier aufgeschrieben.

Ob Rekord oder nicht, fest steht jedoch: Es wird warm. Als jemand, der in der Schule ein Jahr in Sevilla verbracht hat, kann ich da trotzdem nur müde lächeln (über die Temperatur an sich, nicht über den Klimawandel). Sevilla gilt als eine der heißesten Städte Europas. Ich erinnere mich, dass 2012, als ich dort lebte, im Hochsommer gleich mehrmals die Schwelle des Gerade-noch-Aushaltbaren von 45 Grad überschritten wurde. Was das damals für einen Teenager bedeutete? Der Unterricht fiel aus. Wer ein Schwimmbad im Garten hatte, war plötzlich sehr beliebt. Eigentlich aber hat man das Haus nur verlassen, wenn es sich wirklich gar nicht vermeiden ließ. Und außer eisgekühltem Wasser tagelang nur eisgekühltes Gazpacho (Salmorejo ging auch gerade noch) gegessen.

Natürlich habe ich außer dem Trick mit der eiskalten Gurken-Tomaten-Suppe noch ein paar andere Dinge von den Andalusiern gelernt. Wie wichtig es ist, nachts und früh morgens zu lüften zum Beispiel. Wie sinnvoll, dass Siesta von 14 bis 17 Uhr gesellschaftlich akzeptiert ist, weil alles andere einfach schweißtreibend wäre. Und wie praktisch, dass auch die Geschäfte erst anschließend wieder öffnen und man noch bis spät abends einkaufen gehen kann.

Eine nicht ganz so schöne Angewohnheit der Sevillaner (auf die ich ansonsten wirklich wenig kommen lasse): ihr Tick, in wirklich jeden einzelnen Raum einen Ventilator zu stellen. Nicht nur, dass die Unmengen Strom verbrauchen und dabei selbst Wärme erzeugen. Sie kühlen den Raum nicht mal wirklich herunter, sie produzieren allenfalls eine sanfte Brise. Auch angenehm, aber halt nicht fürs Klima.

Was also tun in der kommenden Woche, sich selbst und der Umwelt zuliebe? Viel Wasser trinken. Früh morgens und spät abends gut durchlüften. Markise ausfahren oder Tücher (alternativ Bettlaken) vors Fenster hängen (ja, hilft wirklich!). Elektrogeräte auslassen. Sonne, Bewegung und öffentliche Verkehrsmittel meiden. Noch mehr Anpassungsstrategien für noch höhere Temperaturen hat meine Kollegin Dunja Ramadan ganz wunderbar für die Samstagsausgabe der SZ zusammengefasst.

Ach und übrigens: Wer hofft, wegen der hohen Temperaturen frei zu bekommen, den muss ich leider enttäuschen: Ganz so einfach ist das nicht. Die Chancen auf hitzefrei sind minimal, wie meine Kollegin Kathrin Werner herausgefunden hat - es sei denn, Sie gehen noch zur Schule, aber dann würde ich Sie wahrscheinlich duzen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende mit viel Sonnencreme und noch mehr Eiscreme (treue Klimafreitag-Leser wissen, wovon ich spreche).

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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