Geschichte - Berlin:Historiker: Fotos aus Sobibor liefern neue Einblicke

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Berlin (dpa) - Jetzt aufgetauchte Fotos aus dem deutschen Vernichtungslager Sobibor liefern nach Darstellung von Forschern einen neuen Einblick in die berüchtigte "Aktion Reinhard", bei der 1,8 Millionen Juden im besetzten Polen ermordet wurden. Wahrscheinlich zeigten zwei der 361 Bilder des stellvertretenden Lagerkommandanten Johannes Niemann den Täter Iwan Demjanjuk, der 2011 in München als John Demjanjuk verurteilt worden war, sagte der wissenschaftliche Leiter der NS-Forschungsstelle Ludwigsburg (Universität Stuttgart), Martin Cüppers, am Dienstag in Berlin.

Die Sammlung erlaube "einen Quantensprung" bei der visuellen Überlieferung des Holocaust im besetzten Polen, sagte Cüppers im NS-Dokumentationszentrum Topographie des Terrors. Bisher seien vom Lager Sobibor nur zwei Fotos überliefert. Die Alben waren von Nachfahren Niemanns zur Verfügung gestellt worden.

Die beiden Fotos, die den aus der Ukraine stammenden SS-Helfer Demjanjuk zeigen sollen, seien mit Hilfe des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg mit einem biometrischen Fotovergleich untersucht worden. In einem Gruppenfoto von SS-Helfern tauche Demjanjuk liegend auf.

Die 49 Bilder, die Niemann in Sobibor machte, erweiterten das Wissen über Geschehen und Struktur im Lager, sagte Steffen Hänschen vom Bildungswerk Stanislaw Hantz, das sich für die Gedenkstätte in Sobibor einsetzt. Zu sehen sind auf den Schwarz-Weiß-Bildern unter anderem die Lagergebäude und Zusammenkünfte der Wachmannschaften.

In zwei Alben und zusätzlichen Bildern hatte Niemann Stationen seiner Karriere festgehalten - vom Malergesellen zum NS-Täter. Er beteiligte sich an der Aktion "T4", bei der 70 000 Kranke ermordet wurden, und war in den Konzentrationslagern Esterwegen, Sachsenhausen und Belzec aktiv. In den Todeslagern Sobibor, Belzec und Treblinka wurden von März 1942 bis November 1943 Juden aus Polen und anderen europäischen Ländern ermordet.

Niemann wurde bei dem Aufstand von Sobibor von Häftlingen erschlagen. Wegen seines Todes blieb wohl auch die Fotosammlung erhalten, da der SS-Mann nicht mehr rechtlich belangt werden konnte, sagte Cüppers. Die Sammlung soll an das Holocaust-Museum in Washington gehen.

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