Die Verhaltensforscherin Francesca Gino hat Klage gegen drei Wissenschaftler eingereicht, die das Blog Data Colada betrieben, sowie gegen die Harvard University, an der sie eine Professur inne hat. Gino fordert insgesamt 25 Millionen US-Dollar Schadensersatz wegen mutmaßlicher Rufschädigung. Sie beschuldigt die Betreiber von Data Colada, falsche Behauptungen über sie und ihre Arbeit zu verbreiten und eine "bösartige, diffamierende Schmutzkampagne" gegen sie zu betreiben. Ihrer Universität wirft sie vor, in einer internen Untersuchung "exzessiv" vorgegangen zu sein und dennoch keine wesentlichen Belege für die ihr vorgeworfene Fälschung beziehungsweise Manipulation von Daten vorgelegt zu haben. Das berichtet The Chronicle of Higher Education in einem umfangreichen Beitrag.
Gino wird vorgeworfen, Daten für mehrere Studien manipuliert zu haben. Darunter ist eine Arbeit zum Thema Ehrlichkeit, an der auch der Verhaltensforscher Dan Ariely von der Duke University beteiligt war, dem ebenfalls - unabhängig von Gino - vorgeworfen wird, dafür seinerseits Daten gefälscht zu haben. Die 2012 im Fachjournal PNAS erschienene Studie ist längst zurückgezogen worden. Zwei weitere Studien Ginos wurden ebenfalls von den Journalen zurückgezogen. Eine vierte Arbeit steht offenbar kurz davor, zurückgezogen zu werden. Auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn betonte Gino, sie habe niemals Daten gefälscht oder sich des wissenschaftlichen Fehlverhaltens schuldig gemacht.
Der Anwalt teilt mit, dass die Rohdaten nicht mehr vorliegen
Die Forscherin ist seit dem 13. Juni für zwei Jahre von ihrer Position bei der Harvard University freigestellt und auf "administrative leave". Die Universität hatte zuvor Vorwürfe gegen Gino untersucht, wonach sie Daten gefälscht haben soll. Die Forscherin argumentiert nun, man habe ihr nicht ausreichend Zeit eingeräumt, um auf die Vorwürfe in dem Bericht zu reagieren. Die Universität hatte ihr drei Wochen dafür gegeben. Die Vorwürfe gegen sie seien zudem nicht ausreichend belegt, so die Argumentation Ginos. Außerdem wertete sie, heißt es im Chronicle of Higher Education, den Vorgang als weiteren Angriff gegen prominente Frauen in der Wissenschaft und betonte, dass sie die Mutter von vier Kindern und die Ernährerin ihrer Familie sei.
Die Vorwürfe und die Untersuchung der Harvard University gegen Gino waren ins Rollen gekommen, nachdem eine Replikation der Studie von 2012, an der sie und Ariely beteiligt waren, gescheitert war. Damals fielen unbeteiligten Forschern Anomalien in den Rohdaten auf, die sie dann weiter untersuchten. Die Autoren der Beiträge auf dem Blog Data Colada - Leif Nelson von der University of California in Berkeley, Uri Simonsohn von der Esade Business School und Joe Simmons von der University of Pennsylvania - übergaben ihre Analyse dann im Herbst 2021 an die Harvard University. Die Blog-Autoren argumentierten, dass die Daten merkwürdige Verteilungen aufwiesen, offenbar Daten zwischen Testgruppen hin- und hergetauscht oder verändert worden seien und Teile der Rohdaten nicht mit den später veröffentlichten übereinstimmten.
Einige der Journale, in denen die mittlerweile zurückgezogenen Studien publiziert worden waren, sowie der Bericht der Harvard University kamen offenbar zu dem gleichen oder zumindest ähnlichen Ergebnis. Laut The Chronicle of Higher Education teilte der Anwalt Ginos der Harvard University mit, dass die Rohdaten für die betroffenen Studien aus den Jahren 2012, 2014 und 2015 nicht mehr vorlägen, da Daten, die älter als sechs Jahre seien, nicht aufbewahrt werden müssten.