Sozialwohnungen:Wie klimafreundlich darf es sein?

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Baukräne im Südosten von Hannover, in einem von Norddeutschlands größten Neubaugebieten. (Foto: Julian Stratenschulte/picture alliance/dpa)

Ein Bündnis fordert zusätzliche Milliarden für Sozialwohnungen. Sollen die besonders energiesparend sein, wird es noch mal deutlich teurer. Fachleute empfehlen einen anderen Ansatz.

Von Roland Preuß, Berlin

Die Bundesregierung hat sich viel vorgenommen: Sie will jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen schaffen, 100 000 davon als staatlich geförderte Sozialwohnungen. Auch beim Umweltschutz sind die Ziele ehrgeizig, Deutschland soll schnell klimafreundlich werden. Will man beidem gerecht werden, dürfte das einiges kosten. So jedenfalls lautet die Botschaft eines Zusammenschlusses von Mieterbund, IG Bau, Wissenschaftlern und weiteren Verbänden, die am Freitag eine Untersuchung samt Forderungen zum sozialen Wohnungsbau vorgestellt haben. "Es wäre eine kluge Zukunftsinvestition, jetzt schon mit höheren Klimastandards zu bauen als gesetzlich verlangt", sagte IG-Bau-Chef Robert Feiger.

Schon nach jetzigen Standards beziffert das renommierte Pestel-Institut die Kosten für die Förderung der 100 000 "Ampel-Sozialwohnungen" auf fünf Milliarden Euro pro Jahr. Sollten die Mietshäuser besonders energieeffizient gebaut werden, nach Vorgaben des sogenannten Effizienzhauses 40, dann wären sogar 8,5 Milliarden Euro nötig. Wenn man bei den Klimaschutz-Standards alle Register ziehe, mache dies das Bauen sehr teuer, etwa durch die dann notwendigen Lüftungsanlagen, sagte der Studienleiter Matthias Günther.

Bisher stellt der Bund gut eine Milliarde Euro für Sozialwohnungen zur Verfügung, eine weitere Milliarde soll aus dem Klimapaket hinzukommen, auch die Bundesländer steuern Geld bei. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) unterstrich am Donnerstagabend im Bundestag, dass sie beides im Blick habe. "Wir brauchen viel mehr bezahlbaren und klimaneutralen Wohnungsbau", sagte sie. Die Ampelkoalition will bis 2045 die Klimaneutralität Deutschlands erreichen. Dafür müssten die Emissionen der Häuser deutlich schneller zurückgehen als bisher, während die Zahl der Wohnungen weiter wachsen soll.

Wie dringend neue Sozialwohnungen sind, bekräftigten die Vertreter des Bündnisses "Soziales Wohnen". Es gebe elf Millionen Haushalte, die auf Sozialwohnungen angewiesen seien, aber nur noch 1,1 Millionen Sozialwohnungen, sagte Janina Bessenich, Geschäftsführerin des Bundesverbands Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie. Und die Zahl schrumpft weiter, jährlich verschwinden Zehntausende staatlich geförderte Wohnungen, weil weniger Sozialwohnungen gebaut werden, als aus der Mietbindung herausfallen. "Wir brauchen eine echte soziale Wende im Wohnungsbau", sagte Bessenich.

Die erste zentrale Frage ist nun, wie viel Geld die Ampel dafür aufwenden will. Die Bundesregierung hat weitere kostspielige Pläne, etwa für die Digitalisierung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat seine Kabinettskollegen bereits gemahnt, Prioritäten zu setzen. Geywitz erklärte am Freitag allgemein, sie werde sich "für eine ausreichende Förderung starkmachen", um eine Trendumkehr bei den Sozialwohnungen zu erreichen.

Die zweite zentrale Frage ist, wie die staatlichen Milliarden eingesetzt werden sollen. Sollte man tatsächlich zum deutlich teureren Energiestandard des Effizienzhauses 40 bauen oder lieber an anderer Stelle Treibhausgase einsparen? IG-Bau-Chef Feiger argumentiert, man werde bis 2045 ohnehin sehr hohe Standards erreichen müssen, da sei es geboten, die Häuser bereits jetzt entsprechend zu bauen als sie später zur Klimaneutralität hin sanieren zu müssen.

"Entscheidend muss die eingesparte Tonne CO₂ sein."

Dietmar Walberg, ein Co-Autor der Studie, weckte hingegen Zweifel an diesem Weg. Die Baukosten seien durch die erhöhten gesetzlichen Energiestandards bereits stark gestiegen. Seit dem Jahr 2000 hätten sich die Preise für Mehrfamilienhäuser etwa verdoppelt, die Hälfte dieses Anstiegs gehe auf die zusätzlichen staatlichen Anforderungen zurück. Die letzten Prozent der Energieeinsparung zu erreichen sei so teuer, dass sich dies auch langfristig für die Mieter voraussichtlich nicht auszahle, sagte Walberg. Er plädierte dafür, stärker auf die Art der verwendeten Energie zu setzen, also etwa erneuerbare Quellen zum Heizen zu verwenden.

In diese Richtung geht auch die Einschätzung von Daniel Föst, wohnungspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag. Man wolle künftig da fördern, "wo die größten Effekte erzielt werden", sagt er der SZ. "Entscheidend muss die eingesparte Tonne CO₂ sein. Nur so können Neubau und Bestand schnellstmöglich klimafit werden und dabei bezahlbar bleiben."

Der Präsident des Deutscher Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, sprach von einer schwierigen Frage. Es müsse höhere Energiestandards geben, wie hoch die sein müssten, darauf wollte er sich allerdings nicht festlegen. Ohne massive staatliche Förderung sei die Verbindung von Klimaschutz und sozialem Wohnungsbau jedenfalls nicht möglich.

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