Bilanzskandal:Untersuchungsausschuss will Herausgabe des Wirecard-Insolvenzgutachtens

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Die Zentrale der Wirecard AG in Aschheim bei München. (Foto: ANDREAS GEBERT/REUTERS)

Linke, Grüne und FDP haben einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht München gestellt. Sie erhoffen sich so einen ungeschönten Blick auf das Unternehmen.

Von Klaus Ott und Nils Wischmeyer

Schon bevor der Untersuchungsausschuss zum Skandalkonzern Wirecard so richtig begonnen hat, haben Linke, FDP und Grüne losgelegt und beim Amtsgericht in München die Herausgabe des Insolvenzgutachtens beantragt. Davon erhoffen sich die Parteien einen möglichst schonungslosen Überblick über die Lage des Konzerns. Dieser kollabierte im Juni, weil herauskam, dass ein Großteil seines Geschäfts gar nicht existierte, und musste kurz darauf Insolvenz anmelden.

Ein Untersuchungsausschuss soll in den kommenden Wochen klären, ob Bundesregierung und Behörden über die Aktivitäten von Wirecard informiert waren - und ob Aufsichtspflichten verletzt wurden. Bei einer Abstimmung zur Einrichtung des Ausschusses am Donnerstag enthielten sich Union und SPD, während die Oppositionsparteien dafür stimmten.

Das Gutachten des Insolvenzverwalters Michael Jaffé soll Linken, FDP und Grünen nun dabei helfen, das Treiben des Konzerns besser zu durchschauen. Danyal Bayaz, Bundestagsabgeordneter und Finanzpolitiker der Grünen, sagt, das Dokument sei wichtig, um größtmögliche Transparenz zu schaffen. "Michael Jaffés Insolvenzgutachten kann dabei helfen, den undurchsichtigen Wirecard-Konzern besser zu verstehen und die richtigen Lehren daraus zu ziehen."

Der Bundestagsabgeordnete Florian Toncar von der FDP ergänzt, dass es unerlässlich sei, die aktuelle Lage des Unternehmens zu kennen. "Daraus lassen sich Rückschlüsse auf Art und Ausmaß des Betrugs und die beteiligten Personen ziehen", sagt Toncar. Er erhofft sich zudem auch einen besseren politischen Einblick: "Es ist gut möglich, dass sich dadurch auch ein anderer Blick auf politische Verantwortung für diesen Skandal ergibt. Bisher war es jedenfalls so, dass wir in jeder Schublade, die wir im Fall Wirecard aufgezogen haben, auch irgendetwas gefunden haben."

Auch Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion, betont die Bedeutung des Dokuments: "Es gibt ein starkes öffentliches Interesse, sich einen ungeschönten Blick von der Situation bei Wirecard zu machen." Dass die Parteien sich zusammengetan haben, erklärt er so: "Wir haben keine Zeit zu verlieren und spielen daher auf Pressing und Tempo!"

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen diverse Wirecard-Manager

Die Wirecard AG musste bereits im Juni eingestehen, dass sie 1,9 Milliarden Euro vermisst, kurz darauf war die Firma aus Aschheim bei München gezwungen, Insolvenz zu beantragen. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen diverse Wirecard-Manager. Einige sitzen in Untersuchungshaft, darunter Ex-Chef Markus Braun. Dieser bestreitet alle Vorwürfe. Jan Marsalek, ebenfalls Ex-Vorstand, ist auf der Flucht und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Der Insolvenzverwalter der Wirecard AG versucht seit dem Kollaps, den Konzern zu ordnen. Als er die Bücher durchforstete, machte er einige unschöne Entdeckungen: Ein Großteil der Geschäfte von Wirecard war wohl eine Luftnummer, und kaum ein Teil des Unternehmens machte überhaupt Gewinn. 3,2 Milliarden Euro Schulden stehen laut dem Insolvenzgutachten, das die Süddeutsche Zeitung einsehen konnte, gerade einmal 26,8 Millionen Euro an frei verfügbaren Bankguthaben gegenüber. Hinzu kommen Vermögenswerte im dreistelligen Millionenbereich. Gläubiger dürften aber auch nach dem Verkauf vieler Tochterfirmen auf einem Großteil der Schulden sitzen bleiben.

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