Whatsapp-Alternative Wire:Dieser Messenger ist privater als Whatsapp und kann mehr als Threema

Lesezeit: 4 Min.

Braucht es wirklich noch eine Whatsapp-Alternative? Ja, sagen die Entwickler von Wire - und haben dafür gute Argumente.

Von Simon Hurtz, Berlin

919 Tage. So lange hat Mark Zuckerberg sein Versprechen gehalten. Im Februar 2014 übernahm Facebook den Messenger Whatsapp, und Zuckerberg versicherte, dass keine Nutzerdaten ausgetauscht würden. Whatsapp selbst schrieb in einem Blogeintrag: "Für Sie, unsere Nutzer, wird sich Folgendes ändern: nichts."

Vor zwei Wochen aktualisierte Whatsapp seine Nutzungsbedingungen. Künftig übermittelt die App bestimmte Nutzerdaten an Facebook, darunter die Telefonnummer. Wer das nicht will, kann zwar widersprechen, der Datenaustausch an sich wird damit aber nicht unterbunden. Nutzer untersagen lediglich, dass Facebook Werbung anzeigt, die auf Grundlage der Whatsapp-Daten personalisiert wurde.

Zweieinhalb Jahre sind eine lange Zeit, andere Versprechen werden viel früher gebrochen. Whatsapp verschlüsselt alle Nachrichten und kann die Inhalte selbst nicht mitlesen. Der Messenger selbst bleibt werbefrei, und für die Nutzer ändert sich unmittelbar tatsächlich nichts. All das könnte man Zuckerberg und Whatsapp-Chef Jan Koum zu Gute halten. Doch es dauerte nur wenige Tage, bis Datenschützer protestierten und die EU-Kommission ankündigte, die eigentlich längst genehmigte Übernahme durch Facebook erneut zu prüfen. Auch die Reaktion der Nutzer folgte prompt: Der Krypto-Messenger Threema registrierte zwischenzeitlich eine Verdreifachung der Käufe.

Soziale Medien und Messenger leben von großen Nutzerzahlen

Neben der Schweizer App Threema und dem von Edward Snowden empfohlenen Messenger Signal gibt es eine dritte, weniger bekannte Alternative. Sie heißt Wire und kommt aus Deutschland und der Schweiz. Seit knapp zwei Jahren arbeiten Entwickler in Berlin und in Zug an der App. Im Vergleich zu Whatsapp (Erscheinungsjahr 2009), Signal (2010, damals Textsecure) und Threema (2012) ist Wire also noch recht neu auf dem Messenger-Markt - und das merkt man: Wer sich zum ersten Mal anmeldet, kann E-Mail-Adressen und Handynummern aus seinem Adressbuch auslesen lassen (der Vorgang ist freiwillig, die Daten werden anonymisiert und verschlüsselt gespeichert und nicht an Dritte weitergegeben). Wo bei Whatsapp anschließend Hunderte und bei den etablierten Alternativen Dutzende Bekanntschaften warten, kann man jedem Wire-Kontakt einzeln Hallo sagen.

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Der Messenger leitet die Telefonnummern seiner Nutzer weiter -  für Werbezwecke. Zumindest teilweise lässt sich dieser Automatismus blockieren.

Das ist das augenfälligste Problem von Wire: Soziale Medien und Messenger leben von den Nutzern, daran sind schon viele vermeintliche Facebook-Konkurrenten gescheitert. Menschen, die Wert auf Privatsphäre und Datenschutz legen, versuchen seit Jahren, ihre Freunde und Bekannten von Whatsapp zu Threema oder Signal zu lotsen - durchaus mit Erfolg, davon zeugen die konstant steigenden Nutzerzahlen. Warum also sollte man von vorne beginnen und ab sofort Überzeugungsarbeit für Wire leisten?

Skype-Mitgründer an Wire beteiligt

"Diese Frage stellen wir uns natürlich auch", sagt Alan Duric, Technik-Chef bei Wire. Er habe großen Respekt vor den Entwicklern von Threema und Signal und preist ausführlich deren Arbeit. Trotzdem glaubt er, dass Wire mehr kann als die Konkurrenz: "Verschlüsseln und Nutzer nicht als Ware behandeln, das tun die anderen auch. Aber wir sind die einzigen, die das komplette Paket bieten."

Was er damit meint: Threema-Nutzer können lediglich Nachrichten schreiben, eine Telefonfunktion fehlt. Bei Signal gibt es keine Gruppen- und Videoanrufe, außerdem lässt die Sprachqualität beim Telefonieren bisweilen zu wünschen übrig. Wire bietet Audio- und Videogespräche; der Klang ist tatsächlich deutlich besser als bei den anderen Apps, auch Whatsapp und der Facebook Messenger können nicht mithalten - hier zahlt es sich aus, dass Janus Friis, einer der Mitgründer von Skype, an Wire beteiligt ist und mehrere ehemalige Skype-Mitarbeiter mit entsprechender Kompetenz mitgebracht hat.

Für Wire ist kein Smartphone nötig. Neben iOS- und Android-Apps gibt es Programme für Macs und Windows-Rechner sowie eine Browser-Version, die im Unterschied zu Whatsapp eigenständig funktioniert und nicht mit einem Smartphone verknüpft werden muss. Signal-Nutzer, die am Desktop chatten wollen, sind auf eine Chrome-Erweiterung angewiesen, Threema bietet ausschließlich mobile Apps (inklusive einer Version für Windows Phone, die bei Wire fehlt).

Verschlüsselte Telefonate und Videoanrufe in hoher Qualität, dazu eine breite Palette an Apps - mit diesen beiden Vorteilen könnte Marketing-Chef Siim Teller bereits gut arbeiten. Doch die meisten Menschen überzeuge er mit einem anderen Argument, sagt er: "Gifs. Unsere Nutzer lieben das." Dank nativer Giphy-Integration fällt es besonders leicht, zu jedem Stichwort animierte Bilder zu verschicken. Auch Links zu Youtube, Vimeo, Soundcloud und Spotify wandelt Wire automatisch um und spielt die Videos und Songs ab.

"Wire ist nicht nur sicher, sondern macht auch Spaß", sagt Teller. "Das ist ein Aspekt, auf den die anderen Krypto-Messenger nicht so viel Wert legen." Für viele Nutzer sei das aber mindestens genauso wichtig wie Verschlüsselung und Datenschutz - den beiden Punkten, nach denen sich Journalisten meist zuerst erkundigten. Auch hier kann Wire überzeugen: Das Axolotl-Protokoll geht auf Signal-Entwickler Moxie Marlinspike zurück und wurde für Wire leicht angepasst. Der Code ist Open Source und lässt sich bei Github einsehen. Hinzu kommen regelmäßige Transparenzberichte über Behördenanfragen (bislang gab es keine) sowie eine strikte Selbstverpflichtung zum Schutz von Nutzerdaten (Privacy-Whitepaper am Ende dieser Seite).

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Wire ist gratis und will Nutzerdaten nicht zu Geld machen

Insgesamt kommt Wire bei Sicherheitsforschern und Datenschützern gut weg, lediglich die Verschlüsselung von Audio- und Video-Gesprächen habe noch "Raum für Verbesserungen", wie auch Technik-Chef Alan Duric zugibt. Das Team arbeite derzeit an noch sichereren Telefonaten, ein Update stehe kurz bevor.

Threema kostet zwei (iOS) beziehungsweise drei Euro (Android), Signal finanziert sich durch private Spenden und wird durch Stiftungen unterstützt. Wire ist gratis und will Nutzerdaten nicht zu Geld machen, bislang tragen Investoren das Projekt - darunter Janus Friis, der unter anderem mit dem Verkauf von Skype zum Milliardär geworden ist.

"Auch Skype war mal klein"

Doch ein lukrativer Exit sei nicht das Ziel, versichert Duric. "In den kommenden sechs Monaten werden wir an unserem Geschäftsmodell arbeiten", sagt er. Dazu könnten kostenpflichtige Funktionen gehören, etwa eine Art sichere Dropbox für sensible Dateien. "Oder wir lassen Unternehmen dafür bezahlen, dass sie verschlüsselt mit Kunden kommunizieren können, ohne dass deren Daten zu Geld gemacht werden." Gerade im Gesundheitssektor gebe es dafür hohe gesetzliche Auflagen und dementsprechend große Nachfrage nach sicheren Messengern wie Wire. "Eines steht jedenfalls fest: Keine der bestehenden Funktionen wird wegfallen oder kostenpflichtig werden."

Fest steht aber auch: Wollen die Wire-Macher irgendwann Geld verdienen, müssen sie mehr Menschen überzeugen, sich anzumelden. Nutzerzahlen verrät das Unternehmen nicht, sie dürften aber weit unter denen von Threema liegen, das bis Mitte 2015 mehr als 3,5 Millionen Mal gekauft wurde. Das weiß auch Marketing-Chef Teller: "Auch Skype war mal klein, und meine Freunde fragten mich, warum sie von MSN wechseln sollten", erzählt er. "Am Anfang war es zäh, aber dann wurden es immer mehr, und schließlich rollte eine Nutzerlawine über uns hinweg. Dafür braucht es einen langen Atem. Aber den haben wir bei Wire."

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