Wohnungskonzerne:Mehr Macht, mehr Ungleichheit

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Vonovia behauptet, die geplante Milliardenfusion mit Deutsche Wohnen sei "im Interesse der deutschen Bevölkerung". Das kann man so nicht stehen lassen.

Von Benedikt Müller-Arnold

Der Chef von Deutschlands größtem Vermieter sagte jüngst einen verrückten Satz. Es ging um die Fusion des Vonovia-Konzerns mit dem Konkurrenten Deutsche Wohnen. Dass sie gelinge, sei "im Interesse der gesamten deutschen Bevölkerung", tönte Vonovia-Chef Rolf Buch. Diese Aussage kann man so nicht stehen lassen, nicht in dieser Absolutheit.

Buch spielt darauf an, dass viele Deutsche-Wohnen-Aktien "Hedgefonds und kurzfristigen Spekulanten" gehören. Das wurde dem Vonovia-Chef im jüngsten Übernahmeversuch zum Verhängnis. Zu viele Investoren wetteten darauf, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr Geld bekommen könnten. Vonovia will es bald noch mal versuchen - und mehr Geld bieten.

Bloß: Läge ein fusionierter Vermieter mit 560 000 Wohnungen wirklich im Interesse der Bevölkerung?

In einem Punkt hat Buch recht: Kurzfristig orientierte Investoren können Wohnungsmärkten schaden. Das haben manche Städte erlebt, nachdem sie um die Jahrtausendwende herum Immobilien privatisierten. Solche Investoren versuchen tendenziell, viel Geld aus Häusern herauszupressen und wenig für Instandhaltung und Erneuerung zu zahlen.

Doch viele Regionen brauchen genau das Gegenteil: zusätzlichen Wohnraum, idealerweise auf bereits versiegelten Flächen, etwa durch den Umbau leer stehender Immobilien oder den Ausbau von Dächern. Und Investitionen in mehr Klimaschutz, beispielsweise in Solarzellen und neue Heizsysteme. Zu beiden Zielen kann auch ein Konzern wie Vonovia etwas beitragen.

Doch wenn man schon mit der gesamten Bevölkerung argumentiert, dann muss die Frage gestattet sein: Liegt es im allgemeinen Interesse, dass sich immer mehr Immobilienkapital in der Hand einer börsennotierten Firma aggregiert? Die Häuser von Vonovia haben allein in der ersten Hälfte dieses Jahres 4,2 Milliarden Euro an Wert gewonnen, noch ganz ohne eine Übernahme von Deutsche Wohnen. Vonovia verlangt im Schnitt 3,7 Prozent höhere Mieten als vor einem Jahr - gerade weil der Konzern fleißig modernisiert und baut.

Private Großvermieter enteignen? Hinter der Forderung steht berechtigter Frust

Viele Menschen betrachten das mit Missmut. In Berlin hat eine Initiative genug Unterschriften gesammelt, damit die Bevölkerung bald darüber abstimmen kann, private Großvermieter zu vergesellschaften. So weit muss man wahrlich nicht gehen, arg teuer wären etwa die Milliarden-Entschädigungen. Doch die Politik sollte jene Sorgen ernst nehmen, die in der Enteignungsforderung zum Ausdruck kommen.

Denn es ist fatal für die Verteilung des Reichtums und für die Chancengleichheit, wenn Millionen Haushalte immer höhere Teile ihres Einkommens für die Miete ausgeben - und zugleich befürchten, dass sie niemals als Eigentümer vom Immobilienboom profitieren werden. Zwar sind die Zinsen historisch niedrig, aber eben auch Kaufpreise deutlich gestiegen. Da Banken in aller Regel einen Eigenkapitalanteil fordern, kommen viele Menschen ohne Unterstützung von Verwandten oder entsprechendes Erbe gar nicht mehr zu Wohneigentum. Das kratzt am Aufstiegsversprechen einer sozialen Marktwirtschaft.

Die amtierende Bundesregierung hat versucht, das Dilemma mit dem Baukindergeld zu lösen: einem Zuschuss für Mittelschicht-Familien mit Kindern, die erstmals Eigentum erwerben. Doch pauschale Förderungen bergen stets die Gefahr, dass sie ohnehin hohe Preise weiter anheizen können. Da wären mehr zielgerichtete Zuschüsse besser: beispielsweise für Erstkäufer, die bislang leer stehenden Immobilien neues Leben einhauchen. Generell bleibt eine drängende Herausforderung auf dem Wohnungsmarkt, das Umland besser und umweltfreundlicher an boomende Städte anzubinden.

Oder wäre es nicht praktisch, wenn mehr Mieter Aktien von Konzernen wie Vonovia kaufen würden? Mal abgesehen von der Frage, ob sie sich das leisten könnten und ihre Anlage nicht breiter streuen sollten, führt dieser Gedanke interessanterweise zur alten Idee der Wohnungsgenossenschaften.

Diese Organisationen erwirtschaften idealerweise zwar ebenfalls Gewinne, die sie wieder investieren können. Aber sie schütten keine Hunderte Millionen Dividenden an internationale Investoren aus. Vielmehr gehören sie anteilig den Menschen, die in ihren Häusern wohnen. Es ist daher nachvollziehbar, wenn Menschen in boomenden Städten wieder mehr kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau fordern. Dieser läge wirklich: im Interesse der Bevölkerung.

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