Mächtig stolz war die Runde, die sich da am Mittwoch unter dem Emblem des Department of Justice versammelt hatte. Der Fall Volkswagen zeige, erklärte der stellvertretende FBI-Chef Andrew McCabe: Kein Unternehmen ist zu groß, um nicht von US-Behörden verfolgt zu werden. "Niemand steht über dem Recht!"
Gemeinsam mit Justizministerin Loretta Lynch und einem halben Dutzend anderer Behördenchefs ist McCabe vor die Presse getreten, um über die neuesten Entwicklungen im Diesel-Skandal zu informieren. Das Unternehmen musste vor bald eineinhalb Jahren eingestehen, die Abgaswerte vieler seiner Autos gefälscht zu haben. Die Quittung dafür kommt jetzt: 4,3 Milliarden Dollar Strafe; VW hat dem nun auch zugestimmt, um weitere Ansprüche abzuwehren.
Auch sechs ehemalige VW-Manager sollen sich verantworten müssen
Doch nicht nur das Unternehmen wird belangt, wie die Justizministerin Lynch erklärte; die US-Behörden haben auch Anklage gegen sechs ehemalige VW-Manager erhoben, darunter das frühere Mitglied des VW-Markenvorstands, Heinz-Jakob Neußer, sowie Bernd Gottweiss, der frühere Leiter des Ausschusses für Produktsicherheit. Einer der anderen vier Manager, der frühere Chef des Umweltbüros von VW USA, Oliver S., sitzt bereits in US-Gewahrsam. Er war am vergangenen Samstag während seines Florida-Urlaubs verhaftet worden.
Auch für die anderen fünf wird das Leben nun ein wenig unangenehm. Deutschland wird diese Bürger voraussichtlich nicht an die USA ausliefern. Doch Reisen in so ziemlich jedes andere Land werden gefährlich: Italien etwa hat vor Kurzem einen deutschen Finanzbetrüger an die USA überstellt.
Und es könnte sein, dass die Liste der Verfolgten noch länger wird. "Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen", sagt Lynch auf die Frage, ob noch Manager aus der ersten Reihe zur Verantwortung gezogen werden könnten, die Riege um den früheren Vorstandschef Martin Winterkorn und den einstigen Patriarchen Ferdinand Piëch.
Schon jetzt habe man hochrangige Manager und nicht einfache Angestellte im Fokus. Es sei offensichtlich geworden, dass Leute auf unterer Hierarchie vor Gesetzesverstößen warnten, diese Höhergestellten jedoch weiter machten, betonten die Ankläger in Washington. Und sie machten klar: Die US-Behörden seien weiter daran interessiert, zu erfahren, wer die Betrügerei letztlich "orchestriert" habe.
Das Unternehmen zeigte sich dennoch erleichtert, wie auch die Arbeitnehmervertreter und das Land Niedersachsen als Großeigentümer: Immerhin gibt es jetzt ein wenig Klarheit, über die Kosten zumindest in den USA. Dort muss Volkswagen insgesamt wohl 22 Milliarden Dollar an Strafen und Schadenersatz zahlen.
Gravierend sind auch die Regelungen, die abseits der Geldsummen getroffen werden. Es werden anstrengende Jahre für Volkswagen, fremdbestimmte. Völlig ungewohnt für den Konzern, in dem so lange nur zwei Männer regierten: Piëch und Winterkorn, der sich übrigens am 19. Januar dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Dieselaffäre stellen soll.
Künftig wird bei VW in vielen Fällen ein "Monitor" das letzte Wort haben, oder zumindest ungewohnt intensiv auf das Treiben schauen. Ein unabhängiger Aufpasser, entsandt von den USA. Einer von außen, der in wichtigen Fällen das letzte Wort oder zumindest entscheidenden Einfluss hat, genau das hatten die Hauptaktionäre von Volkswagen immer verhindern wollen. Die Industriellenfamilien Porsche und Piëch. Deshalb war es bei Volkswagen nach Beginn der Abgas-Affäre auch nicht zu einem Schnitt gekommen, zu einem Neuanfang. Die Porsches und Piëchs hatten lieber mit alten Kräften weitergemacht. Mit ihrem Vertrauten Hans Dieter Pötsch als Aufsichtsratsvorsitzendem. Und mit dem vormaligen Porsche-Chef Matthias Müller als neuem Konzernchef. Neue Köpfe waren unerwünscht.
Daimler hatte sich 2010 schuldig bekannt, Beamte bestochen zu haben
Auffällig auch, wie diese beiden am Mittwochabend den US-Deal kommentierten. Müller sprach von "Dieselkrise", Pötsch von "Dieselthematik". Krise? Thematik? Welch eine Wortwahl. Volkswagen hat in den USA zugegeben, Behörden und Kunden betrogen, Umweltrecht verletzt und die Justiz behindert zu haben. Nun kommt also ein Aufpasser von außen.
Beim Konkurrenten Daimler kennt man das, auch wenn die Dimensionen weit kleiner waren als im jetzigen Fall: Der Dax-Konzern hatte sich 2010 schuldig bekannt, über zehn Jahre hinweg in etlichen Ländern Beamte für Aufträge bestochen zu haben. Die Stuttgarter mussten 185 Millionen Euro Strafe zahlen. Und bekamen Louis Freeh in die Zentrale in Untertürkheim gesetzt, den ehemaligen FBI-Chef, der für diesen neuen Auftrag im Englischen eben die Bezeichnung "Monitor" hat, auch wenn das für deutsche Ohren ein wenig kurios klingt.
Zu bezahlen waren Freeh und sein Team aus Rechtsanwälten aus Daimler-Mitteln; billig war das nicht, aber das nahmen die Schwaben klaglos hin. Als Freeh nach drei Jahren Bilanz zog, fiel die glänzend aus: "Daimler ist sehr klug geworden, hat sich komplett geändert", sagte Freeh. Daimler sei integer geworden.
Sein Konterpart im Unternehmen war ebenfalls jemand mit bemerkenswerter Vita: Christine Hohmann-Dennhardt. Die ehemalige Bundesverfassungsrichterin war zur Krisenbewältigung in den Konzern-Vorstand geholt worden, verantwortlich für "Recht und Integrität". Gegen ein "Good-Old-Boys-Netzwerk" musste sie damals arbeiten - und stellte schließlich fest: Dank der Arbeit von Freeh und ihr sei das Unternehmen ein besseres geworden.
Mittlerweile kann Volkswagen auf ihre Erfahrungen mit den Beharrungskräften von Autojungs und dem strengen Regiment eines Aufsehers zurückgreifen: Vor einem Jahr wechselte Hohmann-Dennhardt von Stuttgart nach Wolfsburg, in den Vorstand von Volkswagen.