Europäische Union:Rückschlag im Kampf gegen Steuertricks

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2017 verkündete EU-Kommissarin Margrethe Vestager ihre Entscheidung im Fall Amazon. Bald darauf zogen Luxemburg und der Konzern vor Gericht. (Foto: EMMANUEL DUNAND/AFP)

Für EU-Kommissarin Vestager ist das eine bittere Niederlage: Amazon gewinnt vor einem EU-Gericht den Streit über Steuerkonstrukte in Luxemburg. Doch eine andere Entwicklung lässt Vestager hoffen.

Von Björn Finke, Brüssel

Ein Sieg und eine Niederlage für Margrethe Vestager - wobei die Niederlage schwerer wiegen dürfte: Am Mittwoch urteilte das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg bei Steuerstreitfällen einmal für die EU-Kommission und einmal gegen sie. Die zwei Verfahren gegen den Internetkonzern Amazon und den französischen Energieversorger Engie könnten nun bei der nächsten und letzten Instanz landen, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Die für Wettbewerb zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Vestager hat in den vergangenen Jahren systematisch Steuerarrangements internationaler Konzerne in Irland, den Niederlanden und Luxemburg angegriffen. Der Vorwurf: Der Fiskus vor Ort habe für die Unternehmen extrem günstige Entscheidungen getroffen und ihnen damit unfaire Steuervorteile gewährt. Dies sei eine unerlaubte Subvention, die anderen Firmen und Mitgliedstaaten schade. Die Richter des EU-Gerichts bekräftigten, dass die Brüsseler Wettbewerbshüter derartige Arrangements in Frage stellen dürfen. Sie bemängelten aber im Verfahren über Amazons Steuerkonstrukte in Luxemburg, die Kommission habe mit ihrer Methodik nicht nachgewiesen, dass die Steuerlast tatsächlich künstlich verringert worden sei. Beim Verfahren um Engie in Luxemburg verwarf das Gericht hingegen den Widerspruch des Konzerns und der luxemburgischen Regierung.

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Engie soll nach dem Beschluss der EU-Kommission 120 Millionen Euro Steuern in Luxemburg nachzahlen. Bei Amazon geht es um eine Nachforderung von 250 Millionen Euro plus Zinsen. Besonders bedenklich aus Vestagers Sicht dürfte sein, dass die Richter jetzt schon zum dritten Mal befanden, dass es der Kommission nicht gelungen sei, ausreichend Nachweise für eine Vorzugsbehandlung zu erbringen - und ohne besondere Vorteile lässt sich eben nicht von einer Subvention sprechen.

Denn bereits im vorigen Juli gaben die Richter mit dieser Begründung Apple Recht. Der Technologiekonzern und die irische Regierung waren gegen den Beschluss der Kommission vorgegangen, dass Apple die ungeheure Summe von 13 Milliarden Euro plus Zinsen an Steuern nachzahlen solle. Das sind fast 3000 Euro pro irischen Bürger. Vestager legte gegen das Urteil Berufung ein. Und schon im September 2019 kassierte das Gericht eine Nachforderung der Kommission an die Kaffeekette Starbucks in den Niederlanden.

Wurden drei Viertel der Gewinne nicht besteuert?

Vestagers Kampf gegen die Steuertricks der Konzerne trugen zu ihrem Ruf als unerschrockene Star-Kommissarin bei. Ende 2019 beförderte die neue Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen die liberale Politikerin aus Dänemark zur geschäftsführenden Vizepräsidentin. Umso schmerzhafter sind nun die Niederlagen vor Gericht. Vestager sagte zum Amazon-Verfahren, dass die Kommission "das Urteil genau studieren und über mögliche nächste Schritte nachdenken" werde. Sie wiederholte den Vorwurf, dass wegen einer Entscheidung des Luxemburger Fiskus "drei Viertel der Gewinne, die mit sämtlichen Amazon-Umsätzen in der EU erzielt wurden, bis zum Jahr 2014 nicht versteuert" worden seien.

Der Europäische Gerichtshof urteilt über europäische Geldpolitik, sollte man meinen. Doch so einfach ist das nicht. Auch das Bundesverfassungsgericht redete zuletzt mit und sorgte mit einem Urteil zu Anleihekäufen der EZB für Furore und Konfliktpotenzial mit dem EuGH. (Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa)

Luxemburgs Regierung begrüßte den Richterspruch. Zum Engie-Fall hieß es, die Regierung werde das Urteil mit der nötigen Sorgfalt untersuchen und behalte sich weitere rechtliche Schritte vor. Amazon teilte mit, das Urteil bekräftige den Standpunkt des Konzerns, alle Gesetze befolgt und keine Vorzugsbehandlung erhalten zu haben.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber nannte das Urteil "eine Blamage" für die EU-Kommissarin. "Margrethe Vestager wollte sich unbedingt politisch profilieren, hat dem Kampf gegen Steuervermeidung in ihrem Übereifer aber am Ende einen Bärendienst erwiesen", klagte der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold nannte Vestagers Vorgehen hingegen "richtig und wichtig". Der finanzpolitische Sprecher seiner Fraktion forderte "strengere Wettbewerbsregeln, die staatlichen Beihilfen in Form von Steuervergünstigungen enge Grenzen setzen: Wir brauchen endlich faire Steuerregeln in Europa."

Eine weltweite Steuerreform soll helfen

Tatsächlich könnten sich die Steuerregeln für globale Konzerne künftig ändern. Bei der Industrieländer-Organisation OECD in Paris laufen Verhandlungen über eine Mindeststeuer und darüber, wie die Steuerverpflichtungen solcher Unternehmen zwischen Staaten gerechter aufgeteilt werden könnten. Nachdem die neue US-Regierung hier Kompromissbereitschaft signalisiert hat, ist die Hoffnung groß, dass im Sommer eine Einigung gelingen könnte.

Auch Vestager wies in ihrer Stellungnahme auf die Verhandlungen über diese "historische weltweite Vereinbarung" hin. Sie ergänzte, dass die Kommission daneben bald die Einführung einer Digitalabgabe in der EU vorschlagen werde, "damit Unternehmen, die vom digitalen Binnenmarkt profitieren, angemessen zum EU-Haushalt beitragen: Wir müssen den Schwung nutzen, um Fortschritte in Richtung einer fairen Besteuerung auf allen Ebenen zu machen." Die Einnahmen aus dieser Sondersteuer für Digitalkonzerne sollen es der Kommission vereinfachen, die Schulden für den Corona-Hilfsfonds zurückzuzahlen. Doch damit die Steuer wirklich in Kraft tritt, müssten alle EU-Regierungen zustimmen - was ein harter Kampf für die Kommission werden dürfte.

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