Stahlwerke:Thyssenkrupp kommt nicht von den Wurzeln los

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Warm aufgewickelter Stahl: Thyssenkrupp erwirtschaftete zuletzt gut ein Viertel des Umsatzes mit der Stahlherstellung. (Foto: Rolf Vennenbernd/picture alliance/dpa)

Infolge des Kriegs in der Ukraine ordert die Industrie weniger Stahl und Komponenten. Thyssenkrupp sagt daher die Trennung vom alten Stammgeschäft vorerst ab. Die Aktie verliert kräftig an Wert.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Mit ihr hat alles begonnen, aber wie es mit ihr weitergeht, droht zur ewigen Frage zu werden: Die Stahlherstellung steht am Anfang der Geschichte von Thyssen und Krupp, die vor 23 Jahren fusionierten. Der Konzern sucht seine Zukunft eher im Stahlhandel, in Komponenten für Autos oder Windräder. Doch nun scheint es zum dritten Mal, als kämen die Essener nicht los von ihren Wurzeln.

So wollte Thyssenkrupp die Stahlwerke mit 26 000 Beschäftigten an Rhein und Ruhr eigentlich in ein eigenständiges Unternehmen auslagern. Wie so etwas funktioniert, haben Firmen wie Siemens oder Continental ja vorgemacht. Und es heißt auch weiterhin, eine Trennung böte "sehr gute Zukunftsperspektiven". Doch ob sie machbar wäre, könne man nun nicht mehr sagen. Das hat Thyssenkrupp am Mittwochabend mitgeteilt - und kommt an der Börse nicht gut an: Dort hat Deutschlands größter Stahlhersteller am Donnerstag zeitweise elf Prozent an Wert verloren.

In manchen Bereichen bereitet sich der Konzern nun auf Kurzarbeit vor

Thyssenkrupp verweist darauf, dass der Krieg in der Ukraine Lieferketten unterbricht. Beispielsweise kann die Autoindustrie deutlich weniger Elektro-Kabelbäume aus der Ukraine importieren. Das schränkt die Produktion ein, in der Folge ordert die Branche weniger Stahl oder Autoteile. Gleichzeitig sind Rohstoffe wie Kohle oder Nickel infolge des Kriegs und der internationalen Sanktionen deutlich teurer geworden. So kaufen Unternehmen wie Thyssenkrupp Energieträger und Vorräte nun zu höheren Preisen ein.

"Die Folgen des Krieges werden uns und insbesondere den Stahl treffen", konstatiert Vorstandschefin Martina Merz. In manchen Bereichen müsse sich der Konzern auf Kurzarbeit vorbereiten. Thyssenkrupp versuche aber auch, höhere Kosten an die Kundschaft weiterzureichen, wo das möglich sei.

Krisenmanagerin: Martina Merz rückte im Herbst 2019 an die Thyssenkrupp-Spitze. Wenige Monate später brach die Corona-Krise aus, die den Konzern hart traf. (Foto: dpa)

Die Essener hatten von 2017 an versucht, ihre Stahlsparte mit dem britisch-niederländischen Konkurrenten Tata Steel Europe zu fusionieren. Doch der Zusammenschluss scheiterte letztlich an Wettbewerbsauflagen der EU. 2020 wollte dann die britische Firma Liberty Steel das Stahlgeschäft von Thyssenkrupp übernehmen. Doch man konnte sich nicht auf einen Kaufpreis einigen. Vor gut einem Jahr wurde die Absicht bekannt, die Stahlwerke in die Selbstständigkeit zu entlassen.

Die Stahlindustrie in Deutschland steht seit Jahren in internationaler Konkurrenz; während der Corona-Krise schrieben viele Betriebe Verluste. Obendrein will die Branche mehrere Milliarden Euro in neue Anlagen investieren, die Stahl nicht mehr mit klimaschädlicher Kohle, sondern mit Erdgas und langfristig mit Wasserstoff herstellen. Hier setzen die Unternehmen auch auf staatliche Klimaschutz-Zuschüsse. Doch solange derart viele Fragen offen seien, sagt Merz, könne man keine Aussage zur Zukunft treffen.

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