Tesla:Tesla-Chef Musk ist für die Autoindustrie eine unkalkulierbare Gefahr

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Multimilliardär und Mysterium: Tesla-Chef Elon Musk (Foto: AFP)

Die etablierten Autokonzerne haben bis heute nicht verstanden, wie Elon Musk tickt. Dennoch fürchten sie seine Pläne - aus gutem Grund.

Kommentar von Thomas Fromm

Als der Börsenkurs der Tesla-Aktie in der vergangenen Woche einbrach, war Elon Musk gerade schwer damit beschäftigt, die Welt zu retten. "Die Weltbevölkerung bewegt sich in Richtung Kollaps, aber nur wenige scheinen das zu bemerken", twitterte er. Aktienkurse sind für den Unternehmer erst einmal zweitrangig, wenn die Menschheit gerade dabei ist, vor die Hunde zu gehen.

Als die elektrische Tesla-Sportlimousine Model S in diesen Tagen bei einem Crashtest nur kläglich abschnitt, war der Tesla-Chef dann gerade dabei, Australien zu retten. Im Süden des Landes soll in nur 100 Tagen das weltgrößte Batteriesystem zur Speicherung von erneuerbarer Energie entstehen: Musk sagte, er sei "verdammt beeindruckt" von der australischen Regierung. Und er twitterte: "Australia rocks!"

Australien rockt!

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So ist das meistens mit Elon Musk, dem Unsteten, dem Multimilliardär und Wunderknaben aus dem Silicon Valley: Irgendwo brennt es, aber er ist eigentlich schon wieder beim nächsten Projekt. Vom Online-Bezahldienst Paypal zum Elektroautobauer Tesla zum Raum- fahrt- und Marsbesiedlungsunternehmen Space-X bis zur unterirdischen Kapseltunnelbahn Hyperloop - Musk macht alles, solange es ums große Ganze geht. Die Manager in der traditionellen Autoindustrie schauen sich das alles fassungslos an - und haben Angst, und das aus gutem Grund. Sie verstehen diesen Elon Musk nicht, im Grunde haben sie ihn von Anfang an nicht verstanden. Ist Musk der geniale Vertreter eines völlig neuen Unternehmer-Typs? Einer, der Altes abschafft und sich selbst an die Spitze setzt? Oder doch ein Scharlatan? Am Ende etwa ein Durchgeknallter?

Weil sie aber nicht verstehen, wer dieser Musk ist und was er will, ist die Lage für sie so gefährlich.

Sie fürchten zu Recht, dass sie der 46-Jährige eines Tages mit seinen E-Autos vom Markt fegen könnte - egal wie hoch oder niedrig die Tesla-Aktie steht. Schon heute gibt Musk bei Elektroautos mit Tesla den Takt vor. Wenn Musk losrockt, reichen ein paar Twittereinträge aus dem Silicon Valley zum neuen massentauglichen Elektroauto Model 3, und in deutschen Konzernzentralen stecken Autostrategen ihre Köpfe zusammen und überdenken ihre Elektroautostrategie. Sie wissen: Sollte sich das Model 3 für knapp 30 000 Euro gut verkaufen, dann sitzt Musk mit seiner Firma mittendrin im Massenmarkt. Eine Art Volkswagen aus Kalifornien sozusagen.

Noch aber ist es nicht so weit, und Männer, die oft seit Jahrzehnten über Benzin- und Dieselmotoren brüten, sehen den Rivalen durch ihre alten Automanager- und Ingenieursbrillen. Und was sie da sehen, ergibt für sie keinen Sinn. Wie kann es sein, dass eine Autofirma, die zuletzt an die 80 000 Wagen im Jahr verkauft (BMW verkauft 30-mal so viel) und kaum profitabel ist, am Börsenwert gemessen zeitweise der wertvollste US-Autokonzern ist?

Die Frage ist legitim, zeigt aber auch das große Missverständnis: Die gelernten Ingenieure aus München, Wolfsburg und Stuttgart messen den Mann, der als Gründer von IT-Unternehmen begann, mit ihren eigenen Maßstäben. Maßstäbe aus einer Welt, in der Motoren, PS, Umsatz, Absatz und Gewinn pro verkauftem Auto entscheidend sind und in der diejenigen, die diese Autos bauten und entwickelten, noch Männer mit "Benzin im Blut" waren.

Vielleicht interessiert er sich eines Tages mehr für den Mars als für E-Autos

Musk aber, der Galaxien-Reisende und Mars-Siedler, der Hyperloop-Visionär und Weltenretter, das Mysterium von der Westküste, stammt aus einer ganz anderen Welt. Das Projekt mit elektrischen Autos ist für den Unternehmer nur eines von vielen. Vielleicht will er wirklich den größten Autobauer der Welt hochziehen und damit die alte Autowelt ersetzen. Vielleicht aber ist es auch so, wie er sagt, und er begreift Tesla als seinen ganz persönlichen Beitrag gegen den Klimawandel. Vielleicht wird er sich eines Tages mehr für Marsmissionen und intergalaktische Kolonien interessieren als für die Flügeltüren beim Model X. Weiß man's?

Indem Musk nicht nur mit den Regeln der Autoindustrie bricht, sondern gleich auch die Regeln der Industrie insgesamt auf den Kopf stellt, wird er für seine Wettbewerber unkalkulierbar. Möglich, dass die Autokonzerne in den nächsten Jahren unter die Räder kommen. Möglich aber auch, dass sich Tesla eines Tages wieder selbst abschafft und die historische Rolle der Kalifornier vor allem darin besteht, Audi, BMW und die anderen aus ihrem Diesel-Schlummer zu holen und zu modernen Autokonzernen zu machen. Solange die alten Autoschrauber aber nicht so genau wissen, wie die Sache ausgeht, sollten sie auf der Hut sein.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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