Bundesarbeitsgericht:Zeitarbeiter dürfen schlechter bezahlt werden

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Leihmitarbeiter bekommen oft einen niedrigeren Lohn als ihre festangestellten Kollegen. (Foto: Robert Haas)

Wenn der Tarifvertrag ein Lohngefälle zu Festangestellten festschreibt, ist ein niedrigerer Stundenlohn hinnehmbar - zumindest in gewissen Grenzen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Gewerkschaften hatten große Hoffnungen auf das Verfahren gesetzt, das notorische Lohngefälle zwischen Zeitarbeitern und Kernbelegschaften sollte angeglichen werden - ein klein wenig zumindest. Doch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Erwartungen enttäuscht. Die Klage einer Leiharbeiterin auf ein merkliches Lohnplus ist nun abgewiesen worden.

Die Klägerin - im Prozess vertreten durch den DGB-Rechtsschutz - hatte 2017 als Leiharbeiterin im Auslieferungslager eines Einzelhandelsunternehmens gearbeitet, für einen Stundenlohn von 9,23 Euro; Festangestellte verdienten dort nach ihren Angaben in vergleichbaren Jobs 13,64 Euro. Der geringere Lohn war indes im Tarifvertrag festgeschrieben, den der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) mit der Gewerkschaft Verdi geschlossen hatte. Die Frau zog also vor Gericht, um die Differenz einzuklagen, rund 1300 Euro für vier Monate Arbeit.

Das Verfahren war bereits vor drei Jahren beim Bundesarbeitsgericht anhängig, das den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte. Kern des Streits ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Danach gilt zwar der Equal-pay-Grundsatz auch für Leiharbeit: Die Zeitarbeitsfirma muss ihren Leuten die "wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts" gewähren, die auch im Betrieb gelten, in dem sie beschäftigt sind. Eine Ausnahme gilt allerdings, wenn die Lohnlücke durch einen Tarifvertrag gleichsam festgeschrieben ist; schlechtere Bezahlung ist danach in gewissen Grenzen hinnehmbar, wenn sie unter gewerkschaftlicher Beteiligung zustande kam.

Das BAG erkannte hier freilich einen möglichen Konflikt mit der europäischen Leiharbeitsrichtlinie, daher die Anfrage an den EuGH. Das oberste EU-Gericht antwortete im vergangenen Dezember mit einem salomonischen, vielleicht aber auch mit einem irgendwie unpräzisen Urteil. Der tarifvertraglich untermauerte Nachteil beim Geld sei dann in Ordnung, wenn das Gefälle auf andere Weise ausgeglichen werde. Den Leiharbeitern also im Gegenzug Vorteile hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen gewährt werden, "die geeignet sind, ihre Ungleichbehandlung auszugleichen". Was genau das sein sollte - mehr Urlaub zum Beispiel -, blieb freilich im Dunkeln.

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Der gesetzliche Mindestlohn gilt allerdings auch für Zeitarbeiter

Das BAG hat nun in der Tat entschieden, dass zusätzliche Freizeit die richtige Währung ist, um die Kluft beim Entgelt zu schließen. Das gilt auch für die Freizeit in "verleihfreien" Zeiten: Wenn eine Leiharbeitnehmerin gerade nicht an einen Betrieb ausgeliehen ist, steht ihr nach deutschem Recht dennoch ein Anspruch auf Vergütung zu. Dies, so das BAG, gelte für befristete wie für unbefristete Verträge. Auch im Tarifvertrag ist die Lohnfortzahlung gewährleistet. Dem BAG genügt dies als Kompensation des Lohngefälles. Der Tarifvertrag, gegen den die Klägerin sich gewandt hatte, ist wirksam.

Das Urteil ist damit relevant für praktisch die gesamte Zeitarbeitsbranche mit knapp 800 000 Beschäftigten. Denn für nahezu alle Unternehmen gelten Tarifverträge, die der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister mit den DGB-Gewerkschaften geschlossen haben. Überall dort akzeptiert das oberste Arbeitsgericht mithin eine Lohndifferenz zwischen Leih- und Kernbelegschaft. Mit anderen Worten: Es liegt nun wieder in den Händen der Sozialpartner, die bessere Entlohnung von Leiharbeitern durchzusetzen. Das BAG machte zudem darauf aufmerksam, dass der gesetzliche Mindestlohn - derzeit zwölf Euro pro Stunde - auch für Leiharbeit gelte.

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