Raumfahrt:"Starship" geht kurz vor der Landung verloren

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Unter dem Jubel der Mitarbeiter startete die Space-X-Rakete am Donnerstag zu ihrem dritten Testflug. (Foto: CHANDAN KHANNA/AFP)

Space-X startet seine Super-Rakete beim dritten Versuch erfolgreich, doch nach einer Stunde geht der Kontakt verloren. Bis dahin sollen Flug und Tests reibungslos verlaufen sein.

Von Dieter Sürig

Zum Schluss hat es dann doch wieder nicht ganz geklappt: Etwa eine Stunde nach dem Start haben die Ingenieure von Elon Musks Raketenfirma Space-X den Kontakt zum "Starship" verloren. Es war im Landeanflug bereits in der Erdatmosphäre, auf Livebildern war zu sehen, wie Teile des Hitzeschildes glühten. Kurz vor der Landung im Indischen Ozean brach dann der Kontakt ab. Das Starship befand sich zuletzt 65 Kilometer über der Erde. "Wir haben das Schiff verloren", sagte ein Space-X-Mitarbeiter im Livestream. Space-X muss die Ursache nun untersuchen.

Bis dahin war zumindest der Flug der Oberstufe nach Angaben einer Space-X-Sprecherin im Livestream reibungslos verlaufen. Um 14.25 Uhr mitteleuropäischer Zeit hob der 5000 Tonnen schwere und 120 Meter lange Stahlkoloss von der Startrampe im texanischen Boca Chica ab, die Oberstufe erreichte nach wenigen Minuten die Erdumlaufbahn. Aus der Zentrale von Space-X in Hawthorne war über den Livestream lauter Jubel der Mitarbeiter zu vernehmen. Die Unterstufe ging allerdings wegen Problemen mit den Triebwerken viel zu schnell über dem Meer nieder. Wegen Schiffen in der Sperrzone hatte sich der Start zunächst mehrfach verzögert.

Space-X spricht ausdrücklich von einem Testflug

Space-X hatte für diesen dritten Flug eine Reihe neuer Tests geplant: So konnten die Ingenieure plangemäß zwölf Minuten nach dem Start die Ladebucht des Starship öffnen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass künftig Satelliten im Orbit platziert werden können. Außerdem war vorgesehen, Treibstoff von Tank zu Tank umzufüllen. Hintergrund ist der Plan, eine Art Tankstelle in der Erdumlaufbahn zu etablieren, um dort in ein paar Jahren die Starship-Mondfähre zu betanken, bevor sie mit Nasa-Astronauten auf dem Mond landen soll. Anders als bisher geplant, sollte das Starship bei diesem Testflug aber nicht 90 Minuten nach dem Start bei Hawaii im Pazifik wassern, sondern bereits nach 65 Minuten im Indischen Ozean. Bis zur Landephase war das Raumschiff mit etwa 25 200 Stundenkilometern auf 210 Kilometern Höhe unterwegs, so lang war es bisher nie geflogen.

Es handelte sich sowieso ausdrücklich wieder um einen Testflug, bei dem die Ingenieure vor allem Daten sammeln wollten, um die Rakete zu optimieren. Diese Tests "finden nicht in einem Labor oder auf einem Prüfstand statt, sondern setzen die Hardware in einer Flugumgebung ein, um den Lerneffekt zu maximieren", schreibt Space-X.

"Elon Musk schießt die Rakete lieber gleich, bevor er am Boden zu lange herum testet", sagt Ulrich Walter. Der Professor für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München war 1993 selbst zehn Tage lang mit dem Space Shuttle im All. "Musk schaut, was in der Praxis schiefgeht und korrigiert das dann entsprechend", sagt der Raketenwissenschaftler. "So konnte er beim ersten Testflug des Starship auf einen Schlag über tausend echte Fehler finden und beseitigen."

Ein Leck in der Oberstufe des Starship hatte den Abbruch des Fluges Mitte November vergangenen Jahres verursacht. An der Oberstufe hatte sich flüssiger Sauerstoff entzündet, die Kommunikation zwischen den Flugcomputern der Rakete brach ab. Die sechs Triebwerke der Oberstufe schalteten ab, das autonome Flugsicherheitssystem aktivierte den Abbruch. Bei der Unterstufe des Starship gab es während der Rückkehr zur Erde Probleme mit den Triebwerken, sodass sich der Booster über dem Golf von Mexiko selbst zerstörte. Die "wahrscheinlichste" Ursache dafür sei ein verstopfter Filter bei der Treibstoffzufuhr der Triebwerke gewesen, analysierte Space-X. Die US-Flugaufsichtsbehörde FAA ordnete 17 technische Nachbesserungen an, die Space-X selbst vorgeschlagen hatte: Veränderungen an der Hardware der Unterstufe sowie zusätzliche Brandschutzmaßnahmen und weitere Upgrades für die Oberstufe. Am Mittwoch erhielt Space-X dann die neuerliche Startgenehmigung der FAA.

Startvorbereitungen für das "Starship" von Space-X in Boca Chica/Texas. (Foto: Cheney Orr/REUTERS)

"Elon Musk hat seit dem ersten Start wirklich Feinstarbeit gemacht, um die Probleme zu beseitigen, die wird er nun nicht mehr haben", sagt Professor Walter. Herausfordernd seien aber die neuen Tests. "Ich glaube, dass es beim Wiedereintritt des Starship oder beim geplanten Auftankmanöver im Weltraum noch mal Schwierigkeiten geben könnte, weil Space-X das noch nicht ausprobiert hat." Damit sollte Walter letztlich recht behalten.

Mit dem "Starship" könnten die Frachtpreise drastisch sinken

Sobald das Starship zuverlässig fliegt, könnte dies eine Zeitenwende in der Raumfahrt bedeuten. Das Riesen-Raumschiff soll irgendwann rund 200 Tonnen Fracht in den niedrigen Erdorbit (Leo) bringen können, anstatt der rund 20 Tonnen, welche die Falcon 9 von Space-X oder die Esa-Rakete Ariane 6 transportieren können. Im Leo spielt sich ein Großteil der Raumfahrt ab. Space-X könnte dann wesentlich günstigere Transportpreise als bisher anbieten. "Wenn ein Starship-Flug 15 Millionen Dollar kostet, wie Musk es angekündigt hat, wird das weder durch eine Ariane 6 noch irgendeine andere Rakete geschlagen werden können", prognostiziert Ulrich Walter.

Im Gegenteil: Die Ariane 6 werde von den Startkosten her sechs- bis achtmal teurer sein als das Starship, und dazu noch wesentlich geringere Frachtkapazitäten haben. "Ich weiß nicht, ob sich die Europäer das finanziell erlauben können", fürchtet er.

Das Esa-Raketensystem, das mit der Ariane 5 jahrelang erfolgreich war, wäre auch im Vergleich zu der Falcon 9 noch weniger international konkurrenzfähig als ohnehin schon. "Ein Start der Ariane 6 soll 90 Millionen Euro kosten. Solange der Preis aber nicht auf 30 Millionen Euro heruntergeht, die solche Flüge künftig kosten werden, haben die Europäer aus Wettbewerbssicht keine Chance", sagt Walter. Wenn es Europa nur darum gehe, einen unabhängigen Zugang zum All zu haben, was ja ein Wert an sich ist, seien die Mehrkosten der Ariane 6 pro Satellit aber womöglich "nicht so entscheidend", vor allem bei Satelliten-Konstellationen, wie zum Beispiel ein Breitbandnetz aus dem All mit Hunderten Satelliten, sagt der Wissenschaftler.

Kommerziell gesehen, könne Europa aber nur dann aufholen, wenn die Ariane oder eine Nachfolgerakete schneller entwickelt und diese dann in großen Stückzahlen gebaut werden würde. "Massenproduktion ist das Kosten-Geheimnis von Space-X", sagt der frühere Astronaut. Die Europäer hätten allerdings "auch nicht das Geld dafür, um die Entwicklung zu beschleunigen", sagt er. "Die Esa-Länder geben Ariane-Group nicht einfach mal 100 Millionen Euro, um einen Testflug zu machen." Schließlich gelte in Europa noch die klassische Ingenieursphilosophie: "Vorher versuchen, jeden nur denkbaren Fehler in mühsamer Kleinarbeit ausschließen, bis ein Raketentestflug gemacht wird - das braucht sehr viel Zeit und übrigens auch sehr viel Geld", sagt Walter.

Space-X wird nun jedenfalls die Daten auswerten und mittelfristig den vierten Testflug ansetzen. Bisher ist jede Starship-Rakete weiter gekommen als die vorige. Der zweite Flug im November 2023 hatte nur etwa acht Minuten gedauert. Und Elon Musk reagierte auf X gewohnt gelassen: "Starship wird das Leben multiplanetarisch machen", twitterte er nach dem Verlust des Raumschiffes.

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