Siemens Alstom:Gabriels neuer Job hat einen Beigeschmack

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Sigmar Gabriel unterwegs von Berlin nach Hamburg im ICE, und der wird von Siemens aus München hergestellt. (Foto: Marko Priske/laif)
  • Sigmar Gabriel wird den Verwaltungsrat des deutsch-französischen Zugherstellers Siemens Alstom einziehen. Er werde sich an die vorgeschriebene Karenzzeit halten, beteuert der ehemalige SPD-Chef.
  • Als Wirtschaftsminister hatte er das Fusionsprojekt beider Konzerne unterstützt.
  • Gabriel wird sein Bundestagsmandat weiterhin behalten.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, Caspar Busse und Leo Klimm, Paris, Berlin/München/Paris

Um sich die Geschicke "seines" künftigen Unternehmens anzuschauen, muss Sigmar Gabriel, 58, nicht lange reisen. Schließlich ist das wichtigste Alstom-Werk nur eine halbe Stunde von Gabriels Heimatstadt Goslar entfernt, praktischerweise liegt es auch im Wahlkreis des SPD-Politikers. Gleich nebenan, in Braunschweig, arbeiten 1000 Leute bei Siemens. Wenn Gabriel also im kommenden Jahr wie geplant in den Verwaltungsrat des fusionierten Zugherstellers Siemens Alstom einzieht, hat er hier schon einmal den Überblick.

Siemens hat den Ex-Wirtschafts- und Außenminister für den Posten vorgeschlagen, und Gabriel hat nicht Nein gesagt. "Über das Vertrauen, das dieser Vorschlag ausdrückt, freue ich mich und fühle mich sehr geehrt", sagt Gabriel. En passant wird die Nebentätigkeit bei dem neuen Konzern mit Sitz bei Paris auch komfortabel vergütet. Wie viel genau Gabriel für die mindestens vier geplanten Sitzungen pro Jahr erhalten wird, steht noch nicht fest - aber die Größenordnung lässt sich an den Bezügen der Verwaltungsräte des heutigen Alstom-Konzerns ablesen: Sie bekamen jüngsten verfügbaren Zahlen aus dem Geschäftsbericht zufolge zwischen 53 000 Euro und 114 000 Euro.

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Trotz seiner Popularität als Außenminister muss Sigmar Gabriel gehen. Das neue SPD-Machtduo hat ihn wohl wegen seiner destruktiven Unberechenbarkeit kaltgestellt.

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Es ist ein durchaus wichtiger Posten. Siemens und Alstom haben im vergangenen Herbst die Fusion zum deutsch-französisches Weltunternehmen im Bahnbau verkündet. Es soll ein Vorbild sein, wie man zusammenarbeiten kann, ein europäischer Champion, der es mit den internationalen Zugherstellern aufnimmt, insbesondere mit der immer dominierender werdenden Konkurrenz aus China. Siemens produziert unter anderem den Hochgeschwindigkeitszug ICE, Alstom das französische Pendant TGV. 62 000 Mitarbeiter und einen Umsatz von 16 Milliarden Euro wird das neue Unternehmen haben. Ende des Jahres soll der Zusammenschluss stehen, wenn alle Kartellbehörden zustimmen.

Siemens wird die knappe Mehrheit der Anteile halten, die Franzosen stellen den Vorstandschef Henri Poupart-Lafarge. Den Verwaltungsrat soll Siemens-Vorstand Roland Busch führen. Es wird neben Siemens- und Alstom-Vertretern sechs unabhängige Mitglieder geben. Davon werden zwei von Siemens vorgeschlagen. Die Wahl fiel dabei auf Gabriel - in der Hoffnung, dass er mit seiner Erfahrung, seinem Netzwerk und seiner Autorität für die deutschen Interessen eintreten wird. Er sei sicher, dass Gabriel dem neuen Unternehmen "ziemlich nützen" werde, sagt auch Poupart-Lafarge.

Lange war unklar, wo Gabriel seine Zukunft suchen würde. Als SPD-Chef zurückgetreten, bei der Besetzung von Ministerposten von der eigenen Partei übergangen, hatte sich sein Rückzug aus der ersten Reihe der Politik abgezeichnet. Gabriel, der zuletzt seinem Nachfolger als SPD-Chef, Martin Schulz, in den Rücken gefallen war ("Mann mit den Haaren im Gesicht"), hatte in der eigenen Partei massiv an Rückhalt verloren. Jetzt macht er es wie weiland Kanzler Gerhard Schröder: Er geht in die Wirtschaft, in einen Verwaltungsrat; wenn auch nicht in den eines so umstrittenen Projekts wie Schröders Ostseepipeline. Die Kritik war seinerzeit entsprechend laut.

Schon deshalb sucht Gabriel am Mittwoch die Flucht nach vorn. Die Bundesregierung sei rechtzeitig und umfassend informiert worden. "Strikt" werde er sich an die Regeln halten, die 2015 verabschiedet wurden. Demnach muss ein Ex-Regierungsmitglied anzeigen, wenn es binnen 18 Monaten nach Ende der Amtsgeschäfte eine private Tätigkeit aufnehmen will. Die Bundesregierung kann dann eine Karenzzeit verlangen, die "in der Regel ein Jahr nicht überschreiten" soll. Gabriel könnte damit im März 2019 seinen neuen Job aufnehmen. Zu diesem Termin will auch er selbst erst für den neuen Job "zur Verfügung stehen", teilt Gabriel mit. Sehr viel früher wird es den neuen Konzern aller Voraussicht nach auch nicht geben. Gabriel will übrigens auch danach Bundestagsabgeordneter bleiben, wie sein Wahlkreisbüro am Mittwoch mitteilte.

"Aus Schröder nichts gelernt."

Er sitzt seit 2005 im Bundestag. Ein Beigeschmack allerdings bleibt. Schließlich hatte Gabriel in seiner Zeit als Wirtschaftsminister ein erstes Fusionsprojekt zwischen Siemens und Alstom befürwortet. 2014 unterstützte er den Plan von Siemens-Chef Joe Kaeser, das Bahngeschäft von Siemens und Alstom unter der Führung der Franzosen zusammenzuführen. Kaeser stand damals in einem Bieterkampf mit General Electric (GE) und wollte die Übernahme der Alstom-Energiesparte durch den US-Konkurrenten vereiteln. Im Gegenzug trug er den Franzosen den Siemens-Zugbau an - allerdings ohne die gewinnträchtige Sparte für Signaltechnik, die nun, vier Jahre später, in dem deutsch-französischen Geschäft mitenthalten ist.

"Aus Schröder nichts gelernt. Sigmar Gabriel geht in den Verwaltungsrat von Siemens und Alstom und hatte den Deal selbst miteingefädelt", sagt der Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger. Der frühere Kanzler Schröder steht bis heute wegen seiner Jobs in der Wirtschaft, als Aufsichtsratsvorsitzender von Nordstream sowie beim russischen Staatskonzerns Rosneft, in der Kritik. Der Wechsel von Politikern in die Wirtschaft sorgt immer für Diskussionen. Der ehemalige Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ging zur Versicherung Allianz, Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) zum Autohersteller Daimler und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) in den Vorstand der Deutschen Bahn. Siemens sicherte sich erst vor Kurzem die Dienste des ehemaligen Wirtschafts- und Gesundheitsministers Philipp Rösler. Er ist seit einigen Wochen Aufsichtsratsmitglied der börsennotierten Siemens-Tochter Healthineers.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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