Schweiz: UBS-Skandal in neuem Licht:Joker in Iran

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Neues zum UBS-Steuerskandal: Wie gelang es der Schweiz, den Konflikt zwischen der Großbank und der US-Justiz aus der Welt zu schaffen? Wikileaks-Dokumente legen nahe, dass die Schweiz eine Trumpfkarte in der iranischen Atomindustrie gezogen hat.

Paul Katzenberger

Es war ein Tête-à-Tête zweier mächtiger Frauen, bei dem es aber um ein eher frauenfeindliches Land ging: Als sich im März 2009 die damalige Schweizer Bundesrätin Micheline Calmy-Rey und US-Außenministerin Hillary Clinton zum Gespräch in Genf trafen, diskutierten sie auch länger über den Iran. Clinton hatte das Thema aus Übersee mitgebracht: Die Amerikanerin störte sich an der schwedisch-schweizerischen Firma AF-Colenco, die die USA verdächtigten, dem Iran indirekt Wissen zur Anreicherung von Uran zur Verfügung zu stellen. So geht es zumindest aus neuen Wikileaks-Depeschen hevor, die von der norwegischen Tageszeitung Aftenposten jetzt veröffentlicht wurden.

Das UBS-Logo vor dem Bundesratsgebäude in Bern. Bekam die Großbank Hilfe von den Volksvertretern? Dies zumindst, suggerieren neue Wikileaks-Dokumente. (Foto: REUTERS)

Colenco bestreitet vehement, jemals auch nur im Entferntesten bei einem iranischen Aufbereitungsprogramm für waffenfähiges Material mitgemischt zu haben: "Wir können Kernkraftwerke bauen, doch wir haben gar nicht das Know-how für die Anreicherung von Uran", sagte Colenco-Chef Roberto Gerosa zu sueddeutsche.de.

Unbestritten ist allerdings, dass AF-Colenco bereits von 2004 an ein Verbindungsbüro in Iran unterhielt. "Wir haben dort am Bau eines Wasserkraftwerkes mitgewirkt, deswegen war seither ein Mitarbeiter von uns vor Ort", erklärt Gerosa. Zudem bestätigt der Colenco-Chef ausdrücklich die Beteiligung des Unternehmens am Bau des iranischen Kernkraftwerkes Darkovin, der 2007 begann. All diese Aktivitäten seien vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) genehmigt gewesen und hätten das UN-Embargo wegen der iranischen Urananreicherungspläne aus offizieller Sicht der Schweiz nicht unterlaufen.

Fragen zum Timing

Dennoch waren diese Pläne, so Wikileaks, den Amerikanern ein Dorn im Auge. Clinton habe Calmy-Rey daher gedrängt, AF-Colenco die Geschäfte endlich zu verbieten. Im Juni 2009 hätten die Amerikaner den Schweizern zudem geheimes Material zu den Colenco-Aktivitäten übergeben. Daraufhin habe der eidgenössische Bundesrat AF-Colenco ein Ultimatum gesetzt, um die Vorwürfe zu entkräften. Weil dies dem Kraftswerkshersteller nicht gelungen sei, habe der Bundesrat gehandelt und alle weitere Aktivitäten AF-Colencos in Darkovin suspendiert.

Dass einem Schweizer Unternehmen die Mitarbeit an einem iranischen Kernkraftwerk untersagt wird, ist per se nicht erstaunlich - selbst wenn das Verbot unberechtigterweise ausgesprochen wurde und lediglich auf politischen Druck der USA hin erfolgte.

Doch die Schweizer fragen sich nun, warum die Regierung nicht bereits im Jahr 2007 gegen AF-Colencos Engagement in Darkovin aktiv wurde. Denn bereits damals machten die Amerikaner Front gegen das Schweizer Unternehmen in Iran. Und schon in jenen Tagen äußerten die USA Bedenken, dass Colencos Leichtwasser-Technologie für den Bau von Reaktoren mit Schwerem Wasser zur Herstellung waffenfähigen Plutoniums zweckentfremdet werden könnte.

Eine mögliche Antwort findet sich nun bei Wikileaks. Demnach liegt sie in einem zweiten amerikanisch-schweizerischen Zusammenstoß jener Zeit begründet. Denn im Jahr 2009 hatte sich der Konflikt in der Auseinandersetzung über massenhafte Steuerhinterziehungen zwischen der eidgenössischen Großbank UBS und der amerikanischen Justiz aufs Äußerste zugespitzt.

Um aus der Sache rauszukommen, hätte Bern der gewünschten Suspendierung im Fall Colenco endlich zugestimmt. Dies legen zumindest die Wikileaks-Depeschen nahe. Dort heißt es, dass US-Diplomaten das Entgegenkommen des Bundesrates als Mittel bewerteten, die UBS-Steueraffäre durch Konzessionen auf anderen Gebieten aus der Welt zu schaffen. Ein weitere mögliche Gefälligkeit der Schweiz: Die Aufnahme zweier Guantánomo-Häftlinge, die die Regierung Obama damals unbedingt loswerden wollte, sei ebenfalls durch die Scherereien mit der UBS begründet gewesen.

Bundesrätin bestreitet Zusammenhang

Nach der Veröffentlichung der Wikileaks-Dokumente bestritt die Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard allerdings eine Verbindung zwischen dem UBS-Deal und dem Verbot des Colenco-Engagements in Iran.

"Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Dossier UBS und der Aufnahme von Häftlingen aus Guantánamo sowie den Aktivitäten der Firma Colenco in der Schweiz", sagte Leuthard.

"Wie Sie wissen, hat der Bundesrat bereits am 21. Januar 2009 die Bereitschaft bekundet, Häftlinge aus Guantánamo aufzunehmen, nachdem US-Präsident Barack Obama die Schließung von Guantánamo angekündet hatte", sagte Leuthard weiter.

Die Schließung der Firma Colenco sei das Resultat eines normalen UNO-Sanktionsverfahrens. Das Seco habe das Verfahren 2008 eröffnet und 2009 abgeschlossen. Sie habe die Entscheidung am 30. Juni 2009 mitgeteilt, sagte Leuthard.

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