Umweltschutz:Schweden schafft Steuer auf Plastiktüten wieder ab

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Plastiktüten verursachen in den Meeren schwere Schäden. Eine Steuer soll die Menschen animieren, weniger von ihnen zu kaufen. (Foto: Reinhard Dirscherl/imago)

Der Verbrauch ist von 74 auf 17 Tüten pro Kopf gesunken - und plötzlich ist die Regierung der Meinung, die Steuer werde nicht mehr gebraucht. Die schwedische Umweltschutzbehörde ist entsetzt.

Von Alex Rühle, Stockholm

Am Mittwoch hat die schwedische Klima- und Umweltministerin Romina Pourmokhtari angekündigt, dass die Plastiktütensteuer im November 2024 abgeschafft wird. "Wir sind davon überzeugt, dass die Schweden in ihrem Alltag sinnvoll mit Plastiktüten umgehen und dass es keinen Grund gibt, sie besonders teuer zu machen", sagte sie dem Fernsehsender SVT.

Die Steuer war am 1. Mai 2020 aufgrund einer EU-Richtlinie zur Reduzierung des Plastikverbrauchs eingeführt worden und betrug drei Kronen für Tragetaschen (circa 25 Cent) und 30 Öre für die dünnen Obst- und Gemüsetüten (2,5 Cent). Damals waren sowohl die Liberalen als auch die Christdemokraten für die Steuer, doch inzwischen haben beide Parteien in dieser Frage eine Kehrtwende gemacht. Sie bilden mit den Moderaten eine konservative Minderheitsregierung, die von den einflussreichen rechtspopulistischen Schwedendemokraten unterstützt wird. Die jubelten am Mittwoch auf X: "Dank der Schwedendemokraten und der Regierung ist nun klar, dass die Plastiktütensteuer im Jahr 2024 abgeschafft wird! Die Steuer ist nichts anderes als eine Strafsteuer für die schwedischen Verbraucher, die kaum Auswirkungen auf die Umwelt hat."

Die Steuer hat durchaus gewirkt

Das stimmt so nicht. 2019, im Jahr vor Einführung der Steuer, verbrauchten die Schweden pro Kopf jährlich 74 Plastiktüten. 2022 war die Zahl auf 17 gesunken. Das Ziel der EU ist maximal 40 Plastiktüten pro Person im Jahr 2025. Dieses Ziel, so Romina Pourmokhtari, habe man ja jetzt deutlich unterschritten.

Die schwedische Umweltschutzbehörde hatte von einer Senkung oder Abschaffung der Steuer dringend abgeraten, da dadurch die Gefahr bestehe, dass die Zahl der in der Natur verstreuten Plastiktüten wieder zunehmen werde. Ganz ähnlich hatte sich die See- und Wasserbehörde geäußert mit Verweis auf die Schäden, die Plastiktüten in den Meeren verursachen. Die EU-Richtlinie war aus genau dem Grund eingeführt worden, die Vermüllung der Natur zu reduzieren.

Die Regierung begründet ihre ersatzlose Streichung der Steuer auch damit, dass der geringere Verbrauch von Plastiktüten in einigen Fällen zu einer Umstellung auf Papiertüten geführt habe, die in der Regel bei der Herstellung mehr Energie verbrauchen als die Plastiktüten.

Durch die Abschaffung der Steuer dürften die Steuereinnahmen um jährlich circa 650 Millionen Kronen (54 Millionen Euro) sinken. Die Tageszeitung Dagens Nyheter berechnete, dass dem Staat darüber hinaus zusätzliche Kosten durch Strafgelder an die EU entstehen dürften. Schließlich haben sich die EU-Regierungen 2020 darauf geeinigt, dass jedes Land pro Kilo Verpackungsmüll, das nicht recycelt wird, 80 Cent zahlen soll. Würde der Plastiktütenverbrauch in Schweden wieder auf die Mengen von 2019 ansteigen, würde das laut Dagens Nyheter rund 200 Millionen Kronen Strafe im Jahr bedeuten. Ob Plastiktüten wirklich bei der EU-Regelung mit inbegriffen sind, ist jedoch unklar.

Erst in der vergangenen Woche hatte die Regierung angekündigt, die Steuern auf Benzin und Diesel im kommenden Jahr deutlich zu senken, um die Haushalte zu entlasten. Die konservativen Parteien hatten einander im Wahlkampf, der sich vor allem um die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die Inflation drehte, in Preissenkungsversprechungen überboten. Jetzt schlägt die Regierung vor, die Benzinsteuer um 1,64 Kronen pro Liter und den Dieselpreis um 43 Öre pro Liter zu senken, was, wenn man eine zusätzliche Maßnahme zur Senkung der Steuer auf Agrardiesel mit einbezieht, insgesamt 6,5 Milliarden Kronen weniger Kraftstoffsteuern bedeutet. Diese Steuern sind eines der wichtigsten Instrumente, das Regierungen zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen aus dem Verkehrssektor zur Verfügung haben. Schweden, das in Europa so viele Jahre umweltpolitisch voranging, dürfte nun wohl wichtige Emissionsziele verfehlen.

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