Unternehmen:Raumfahrtfirma OHB holt sich Finanzinvestor ins Haus

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OHB hat auch den Satelliten "Heinrich Hertz" gebaut. Seit einem Monat ist er im All und testet neue Kommunikationstechnologien. (Foto: Stefan Gerding/picture alliance/dpa/OHB)

Die US-Beteiligungsgesellschaft KKR steigt bei dem Bremer Unternehmen ein. Die Gründerfamilie will aber langfristig die Mehrheit behalten - und verlässt frustriert die Börse.

Von Dieter Sürig

Es ist ziemlich genau sechs Jahre her, dass der Investor Guy Wyser-Pratte Unruhe beim Bremer Raumfahrtunternehmen OHB auslöste. Der Amerikaner besaß zeitweise zwar nur wenige Prozent der Anteile, forderte das börsennotierte Familienunternehmen damals aber dazu auf, Strukturen und Unternehmensführung zu verändern, um effizienter zu werden und vom Boom in der Branche zu profitieren. Die Familie Fuchs, mit 70 Prozent deutlich in der Mehrheit, antwortete höflich, aber bestimmt. Wyser-Pratte zog sich danach zurück - und verkaufte.

Nun holt sich die Familie mit KKR ausgerechnet einen anderen US-Investor an Bord und will OHB nach 22 Jahren von der Börse nehmen. Die Beteiligungsgesellschaft will erklärtermaßen alle Anteile übernehmen, die nicht in Familienbesitz sind und bietet dafür 44 Euro pro Aktie. Außerdem ist eine zehnprozentige Kapitalerhöhung für etwa 77 Millionen Euro geplant. KKR würde damit bis zu 288 Millionen Euro in das Unternehmen investieren, hinzu kommen 30 Millionen Euro für die OHB-Tochter Rocket Factory Augsburg (RFA), die im kommenden Jahr ihre erste Kleinrakete starten will. Auf den Weg gebracht hat den Deal die Gründerfamilie, die selbst aber keine Anteile verkaufen und hinterher noch gut 65 Prozent an OHB halten wird.

Trotz der Episode mit Wyser-Pratte fürchtet OHB-Chef Marco Fuchs auch nicht, dass KKR wie ein aktivistischer Investor zu viel Unruhe ins Unternehmen bringen könnte. Im Gegenteil: "Mit 65 Prozent haben wir immer noch eine sehr komfortable Mehrheit, aber Mitsprache ist ausdrücklich erwünscht", sagte Fuchs der SZ. Schließlich habe OHB aus der Kritik von damals auch gelernt und beispielsweise den Aufsichtsrat erweitert. Mit KKR erhofft er sich nun mehr Dynamik. "Wir waren schon risikoscheu und manchmal auch bequem, ich will der Firma damit auch einen Impuls geben." Es gehe darum, "dass sich die Firma besser entwickelt, ich darf nicht nur an mein persönliches Empfinden denken." Fuchs schätzt an KKR, "dass sie sehr interessiert sind, sich als Minderheitsgesellschafter in Familienunternehmen zu engagieren". Auch die KKR-Übernahme des Rüstungskonzerns Hensoldt, wo er seit Kurzem im Aufsichtsrat sitzt, sei eine Erfolgsgeschichte.

Fuchs bleibt nun mindestens bis Mitte 2028 OHB-Vorstandschef, dann ist er 66 Jahre alt. Er versichert, dass der KKR-Einstieg nicht der erste Schritt des Rückzugs der Familie sei. "Wir bleiben langfristig Mehrheitsgesellschafter, wir haben ja unser Vermögen aus diesem Investment geschaffen." Nicht zuletzt verbiete es auch das Stiftungsmodell, Anteile zu verkaufen. Für den Abschied von der Börse nennt Fuchs einen anderen Grund: "Die Börse ist für eine kleine Aktie wie OHB unattraktiv. Ich habe das Gefühl gehabt, dass wir mit 32 Euro unterbewertet sind." Der Kurs der OHB-Aktie gewann am Montag rund 30 Prozent. Der Angebotspreis von 44 Euro pro Aktie entspricht einem Aufschlag von 36,6 Prozent auf den Schlusskurs vom vergangenen Freitag.

Marco Fuchs soll bis Mitte 2028 OHB-Chef bleiben. (Foto: Stephan Rumpf)

RFA will kommendes Jahr die erste Rakete starten

KKR zeigt mit dem Investment, dass die deutsche und europäische Raumfahrt angesichts des weltweiten Wachstums in der Branche immer wichtiger werden. "Wir sehen in Europa großes Potenzial", hieß es von Christian Ollig, dem zuständigen Partner bei KKR. OHB sei mit zusätzlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung "ideal für langfristiges nachhaltiges Wachstum positioniert". Wegen des Ukraine-Kriegs erwarten die Bremer aber auch vermehrt Aufträge im Rüstungsbereich.

Mit dem Einstieg des Investors könnten auch die Chancen steigen, dass sich OHB finanziell am geplanten Breitband-Satellitennetz Iris² der EU beteiligt. "Wir wollen ein starker Partner sein, es wird immer mehr Raumfahrtprojekte geben, die auch mehr Engagement der Firmen erfordern", sagte Fuchs.

Konkret werden sich die Amerikaner mit 30 Millionen Euro an RFA beteiligen. Das Start-up baut sogenannte Microlauncher, der erste Start ist für das zweite Quartal 2024 geplant. Dafür hat RFA bislang 80 Millionen Euro eingesammelt, größtenteils über die OHB-Gruppe. "Für RFA ist das Investment eine wichtige Bestätigung", sagte Fuchs. "Wir hatten es ja bisher nicht geschafft, substanzielle unabhängige Investoren zu finden." RFA-Chef Stefan Tweraser erwartet sich darüber hinaus nun auch praktische Unterstützung: "Das globale Netzwerk und das industrielle Know-how von KKR werden unsere Mission beschleunigen."

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