Raumfahrt:Internet für den Mond

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Das Start-up Plus Ultra will Forschungsstationen auf dem Mond vernetzen. (Foto: Illustration: Martin Vanek/oh)

In einigen Jahren könnte es nicht nur Forschungsstationen, sondern sogar Hotels auf dem Erdtrabanten geben. Mehrere Firmen arbeiten bereits jetzt daran, dort schnelle Kommunikationsnetze und Navigationssignale aufzubauen.

Von Dieter Sürig

Ein kleiner Blick in die Zukunft, vielleicht in 15 oder zwanzig Jahren, womöglich auch etwas später: Wenn die ersten Touristen auf dem Mond landen, im Hotel Luna einchecken und spätestens dann ihr erstes Selfie auf einem sozialen Netzwerk posten wollen, dann können sie sich relativ sicher sein, dass dies auch funktioniert. Sie können von dort aus ins irdische Internet gehen und auch mit ihrem Smartphone telefonieren. Und wenn es dort irgendwann auch so etwas wie Mietwagen geben sollte, dann können sich Urlauber per Navigationssignal auf den Straßen des Mondes orientieren.

Noch ist es auf dem Mond wüst und leer, doch einige Firmen und Organisationen sind bereits dabei, die Grundlagen für die Besiedelung des Mondes zu schaffen. Mit den Artemis-Missionen der US-Raumfahrtbehörde Nasa sollen Mitte des Jahrzehnts wieder Astronauten auf dem Mond landen. Und anders als vor 50 Jahren, will der Mensch diesmal bleiben. Neben zahlreichen Forschungsvorhaben gibt es auch Begehrlichkeiten, dort kommerziell Rohstoffe abzubauen - und schon in den 1960er-Jahren dachte der Hilton-Konzern über ein Hotel auf dem Mond nach. Analysten sehen ein Milliardengeschäft auf dem Erdtrabanten. Nach Angaben von Northern Sky Research sind bis Ende des Jahrzehnts weltweit mindestens 140 Mondmissionen geplant, die insgesamt ein Volumen von rund 42 Milliarden Dollar haben. Nicht nur Amerikaner und Europäer wollen auf den Mond, auch Japan, China oder Indien haben entsprechende Pläne.

Auf dem Mond sind dann nicht nur Gebäude zum Wohnen und Arbeiten nötig, sondern auch eine Versorgung beispielsweise mit Energie, Sauerstoff und Telekommunikation. Neben den Raumfahrtagenturen Nasa und Esa beschäftigen sich auch einige Unternehmen mit solchen Themen. Gründer Sebastian Ströhl will beispielsweise Mitte des Jahrzehnts die ersten Satelliten für ein Breitband-Internet im All haben. Allerdings nicht als Konkurrenz zu Elon Musks Starlink, sondern rund 380 000 Kilometer weiter in der Mondumlaufbahn.

Eine Satellitenkonstellation für Breitbandkommunikation am Mond könnte auch schnelle Signale zur Erde schicken. (Foto: Illustration: Plus Ultra Space Outposts/oh)

"Wir müssen eine Infrastruktur schaffen, die eine nachhaltige Wirtschaft auf dem Mond ermöglicht - dazu gehört neben Transport, Kommunikation und Navigation", sagt der 45-Jährige Gründer. Während sich andere deutsche Unternehmen wie Levity oder auch OHB anschicken, dereinst Fracht zum Mond zu befördern, hat sich Ströhls Start-up Plus Ultra Space Outpost zum Ziel gesetzt, dort erst einmal die Voraussetzungen für eine Ansiedlung von Menschen zu schaffen. "Wir wollen ein Teil der Mondwirtschaft werden und Missionen vereinfachen", sagt er.

Die drei Gründer des spanisch-deutsch-luxemburgischen Start-ups, die unter anderem in Madrid und München sitzen, haben sich schon länger mit einem Geschäftsmodell rund um den Mond beschäftigt, erzählt Ströhl. Das Signal für ihr lunares Internet soll von acht Satelliten kommen, die auf zwei Umlaufbahnen in 6000 Kilometern Höhe den Mond umkreisen. Plus Ultra will seinen Kunden eine Bandbreite von 100 Megabit/Sekunde bieten, in einer zweiten Ausbaustufe womöglich auch über Funkmasten. Damit könnten sie dann sowohl wissenschaftliche Rover-Missionen mit Signalen versorgen als auch Forschungsstationen oder kommerzielle Projekte.

Die Gründerfirma Plus Ultra will kommendes Jahr starten

Die Gründer wollen mit ihren Satelliten aber auch eine Navifunktion anbieten - also Galileo oder GPS für den Mond. "Navigation ist wichtig, weil sie die Risiken der Missionen signifikant minimiert", sagt Ströhl. Derzeit sei über komplizierte Positionsberechnungen auf dem Mond eine Genauigkeit von zwei Kilometern möglich, "wir wollen auf 20 bis zwei Meter runterkommen".

Ströhl schätzt, dass die Konstellation etwa 150 Millionen Euro kosten wird. Derzeit läuft eine Finanzierungsrunde, in der die Gründer 5,6 Millionen Euro einsammeln wollen, um das Design abschließen und Vorauszahlungen an die Lieferanten leisten zu können. "Wir möchten die Satelliten zwar betreiben, den Bau überlassen wir aber erfahrenen Herstellern", sagt Ströhl. Er erwartet, dass sie die Investitionen bald wieder einspielen können, sobald es mal so richtig los geht auf dem Mond und die Kunden kommen. "Mit den ersten Missionen machen wir relativ schnell Gewinn", sagt er optimistisch.

Surrey Satellite Technology will in zwei Jahren einen Satelliten namens Lunar Pathfinder für Kommunikationsdienste und Navigationstests zum Mond starten, der erste Schritt für das Moonlight-Programm der Esa. (Foto: ESA/oh)

Auch wenn die Gründer von Plus Ultra nicht die Einzigen sind, die auf die Idee gekommen sind, den Mond zu vernetzen. Der finnische Mobilfunker Nokia will frühestens Ende dieses Jahres zum Erdtrabanten starten, um dort für die künftigen Nasa-Missionen des Artemis-Programms ein 4G-Netz aufzubauen. "Zuverlässige, belastbare und leistungsfähige Kommunikationsnetze sind der Schlüssel zur Unterstützung einer dauerhaften menschlichen Präsenz auf der Mondoberfläche", sagt Nokias Technologiechef Marcus Weldon. Es soll der erste Schritt zu einem Lunanet werden, ein Kommunikations- und Navigationsnetzwerk, das die Nasa etablieren will.

Auch die britische Airbus-Tochter Surrey Satellite Technology (SSTL) arbeitet an einem Konzept für Kommunikations- und Navigationsdaten auf dem Mond und will 2024 einen ersten Satelliten starten, um eine robotische Mission zu unterstützen. Hintergrund ist auch das Moonlight-Programm der europäischen Raumfahrtagentur Esa, die zwei Industriekonsortien damit beauftragt hat, Konzepte zu erarbeiten. Neben SSTL gehören unter anderem Airbus, OHB und Thales Alenia Space dazu. Esa-Direktor David Parker, zuständig für astronautische und robotische Raumfahrt, sieht den Mond als "achten Kontinent" mit neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten. "Vielleicht wird irgendwann eine permanente lunare Einrichtung gegründet, wo wir den Mond als Ort für Forschung und Innovation nutzen können", sagt er. Das Moonlight-Programm könne dabei helfen, die nötige Infrastruktur aufzubauen.

Ein Büro auf dem Mond

Nokia und Vodafone hatten bereits vor einigen Jahren ein LTE-Netz auf dem Mond geplant, damals in Kooperation mit dem Berliner Start-up PT Scientists, das eine Mondfähre entwickelt hat, aber 2019 zwischenzeitlich insolvent gegangen ist. "Es gibt einige Mitbewerber, aber am Mond wird es Platz für mehrere Konstellationen geben", glaubt Ströhl. Ihm ist es dabei wichtig, dass die Funkfrequenzen am Mond reguliert werden, "wir wollen dort keine Wildwestmentalität".

Plus Ultra möchte langfristig Produktions- und Speicheranlagen sowie Start- und Landezonen auch mit Straßen vernetzen. (Foto: Illustration: Martin Vanek/oh)

Plus Ultra möchte später auch mit weiteren Infrastrukturkomponenten Geld verdienen. "Unser Langzeitziel sind weitere Services wie Orbital Traffic Management, Start- und Landezonen sowie Straßen", sagt Ströhl. Schon in zwei Jahren will das Unternehmen zumindest in die Nähe des Erdtrabanten kommen. Ein erster Satellit, den Plus Ultra Ende 2023 mit einer Kleinrakete der Rocket Factory Augsburg ins All bringen möchte, soll mit eigenem Elektroantrieb zum Mond fliegen und dann dort den Probebetrieb aufnehmen. Weitere Flüge wollen die Gründer mit dem japanischen Start-up I-Space machen, die die Satelliten und Infrastruktur direkt zum Mond bringen und dafür im Gegenzug Leistungen von Plus Ultra in Anspruch nehmen.

Gut möglich, dass sich dann auch Plus Ultra auf dem Mond ansiedeln wird, wie Ströhl andeutet. "Wir haben uns ganz fest vorgenommen, dass wir die Ersten sind, die ein Büro auf dem Mond aufmachen."

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