Problemstaaten Italien und Frankreich:Zeit für einen Schröder-Moment

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Frankfurt, mitten in der Nacht: Ein Arbeiter demontiert eine Euro-Skulptur. (Foto: dpa)

Länder wie Irland und Spanien erholen sich langsam, dafür stehen nun zwei andere Euro-Staaten kurz vor einer schweren Krise - und niemand merkt es so richtig. Die Wirtschaftsprobleme von Frankreich und Italien gefährden die Eurozone aufs Neue.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Jetzt auch noch die Griechen. Wer jahrelang neue Endzeit-Szenarien über den Euro hörte, wird ungläubig staunen: Kann es wirklich sein, dass Griechenland erstmals wieder Geld von privaten Investoren einsammelt? Ja, womöglich. Natürlich hängt die Entwicklung davon ab, ob es beim Reformkurs bleibt oder demnächst Populisten an die Macht kommen. Doch die geplante Rückkehr an den Kapitalmarkt passt zu einem Trend: Die Krisenstaaten erholen sich. Irland und Spanien verlassen das Rettungsprogramm. Das Hilfsversprechen von Zentralbankchef Mario Draghi hält die Spekulanten im Zaum. Alles gut also? Leider nein.

Wer die Währungsunion schon für stabilisiert hält, täuscht sich. Und das liegt nicht nur an den Rückschlagsrisiken in den Krisenstaaten, in denen Besitzstandswahrer den Reformkurs genauso gern wieder stoppen würden wie leidgeprüfte Bürger. Es liegt vor allem an den Problemen zweier Euro-Staaten, die offiziell gar nicht unter Beobachtung stehen, weil sie nicht unterm Rettungsschirm kauern: Frankreich und Italien. Die beiden größten Euro-Mitglieder nach Deutschland haben den schmerzhaften Weg der Krisenstaaten nicht hinter sich, sie stehen davor. Scheuen sie diesen Weg, legen sie die Lunte an die Währungsunion: Es zerreißt auf Dauer den Euro, wenn zwei zentrale Volkswirtschaften vor sich hin murksen.

Die Diagnose ist in beiden Fällen ähnlich: zu viele Schulden, zu hohe Arbeitskosten, zu viele Beamte, zu viel Bürokratie. Es sind solche Defizite, die für das geringe Wachstum und die vielen Arbeitslosen verantwortlich sind. Doch das wird in beiden Ländern vielfach anders gesehen: Die Globalisierung ist schuld, oder die Deutschen mit ihren vielen Exporten. Nötig wäre ein Mentalitätswandel mit der Einsicht, dass die eigene Misere von überlebten Strukturen stammt, nicht von einem Sündenbock da draußen.

Neue Schulden sind ein schlechtes Signal

Beide Länder haben nun die Chance zu einem Neubeginn. In Italien versucht sich seit einigen Wochen Matteo Renzi als Premier, in Frankreich demonstrierten die Wähler den regierenden Sozialisten gerade ihren Unmut. Auffällig ist, dass beide Regierungen mit demselben Konzept in die Zukunft gehen: Sie wollen Bürger und Firmen von Steuern und Abgaben entlasten. Weil das die Kosten der Arbeit senkt und den Konsum anregt, wirkt es wie keine schlechte Idee. Schwierig nur, dass Italien und Frankreich dafür wieder höhere Schulden machen wollen als von der EU vorgesehen. Das könnte ein schlechtes Signal für die ganze Währungsunion setzen. Es waren ja gerade ausufernde Schulden, die den Krisenhorror auslösten. In diese Gangart darf der Euro-Klub nicht zurückfallen.

Matteo Renzi und François Hollande sollten sich ohnehin nicht darauf versteifen, im Clinch mit Brüssel die Sparpolitik aufzulockern. Damit verzögern sie nur den nötigen Mentalitätswandel. Beide Länder brauchen mehr als ein Ausgabenpaket, sie brauchen eine Neuorientierung: weniger Sozialstaat, weniger Beamte, bessere Ausbildung, weniger Steuern für Firmen, die international konkurrieren. Beide Länder brauchen einen Schröder-Moment: Den Mut, mit dem der frühere Bundeskanzler der Gesellschaft eine Agenda 2010 verordnete. Es wirkt wie eine Ironie der Geschichte, dass diese Aufgabe auch in Italien und Frankreich Sozialdemokraten zufällt, nachdem dort wie in Deutschland Konservative die Volkswirtschaften versumpfen ließen.

Lieber den deutschen Weg wählen

Wie stehen die Chancen, dass beide Staaten einen Schröder-Moment zünden? Matteo Renzi darf für sich in Anspruch nehmen, gerade angefangen zu haben. Es gibt positive Anzeichen wie die Tatsache, dass er die alten Eliten entmachten, die Korruption bekämpfen und die Gewerkschaften auf Distanz halten will. Ansonsten aber fällt auf, dass seine Pläne diffus sind. In Frankreich wiederum hat der Staatspräsident in zwei Amtsjahren bereits viele Hoffnungen enttäuscht. Sein neuer Premier verspricht Dynamik, sein neuer Wirtschaftsminister jedoch ist ein Interventionist alter Schule.

Vielleicht hilft ein Blick darauf, wo Frankreich zum Start des Euro stand: Arbeitslosigkeit, Pro-Kopf-Einkommen und Schulden ähnelten Deutschland. Seitdem entwickelten sich beide Länder völlig auseinander. Aus dieser Entwicklung müsste sich schließen lassen, dass Frankreich und Italien lieber den deutschen Weg beschreiten sollten. Sie haben lange genug damit verbracht, immer anderen die Schuld zu geben.

© SZ vom 05.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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