Fernsehen:Italienischer Großaktionär will Pro Sieben Sat 1 zerschlagen

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Das Konzern-Logo von Pro Sieben Sat 1: Um das Fernsehunternehmen gibt es offenen Streit. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Der Streit mit der Berlusconi-Firma MFE eskaliert. Die Aktionäre sollen jetzt über eine Aufteilung der Fernsehfirma abstimmen - ein Affront gegen die Deutschen.

Von Caspar Busse

Richtig innig war das Verhältnis zwischen dem Fernsehunternehmen Pro Sieben Sat 1 und seinem Großaktionär aus Italien, der Berlusconi-Firma Media for Europe (MFE), noch nie. Im Gegenteil: Lange arbeiteten Vorstand und Aufsichtsrat der deutschen Firma mit rund 7000 Mitarbeitern offen gegen die Italiener, die knapp 30 Prozent der Anteile halten. Zuletzt machte es zwar den Anschein, als ob sich das Verhältnis entspannen würde. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende von Pro Sieben Sat 1, Andreas Wiele, und der Vorstandschef Bert Habets gingen auf die Italiener zu.

Doch nun erhöhen die Italiener plötzlich den Druck. Die von der Familie Berlusconi dominierte MFE-Holding will auf der Hauptversammlung Ende April einen Beschluss erwirken, um Pro Sieben Sat 1 zu zerschlagen. Das teilte MFE am Donnerstag überraschend mit. Die Aktionäre sollen darüber abstimmen, ob die Digitalaktiviäten des Unternehmens separat an die Börse gebracht werden sollen. "Ziel des Beschlussvorschlags ist es, die Trennung der Geschäftsaktivitäten und die Fokussierung auf das Kerngeschäft zu beschleunigen", heißt es in einer Mitteilung.

Er ist unter Druck: Andreas Wiele, der Aufsichtsratsvorsitzende von Pro Sieben Sat 1. (Foto: Robert Brembeck/Seven.One)

Der Vorstand um Bert Habets habe sich zwar mehrfach zur Konzentration auf das Fernsehgeschäft bekannt, "insoweit aber bislang keine wesentlichen Fortschritte erzielt", kritisierte MFE. Zu Pro Sieben Sat 1 gehören viele Digitalfirmen, etwa Flaconi, Parship, Billiger-Mietwagen.de, Jochen Schweizer, Mydays oder Verivox. Die Firma ist in drei Segmente gegliedert: das eigentliche Fernsehgeschäft mit den frei empfangbaren Sendern wie Pro Sieben und Sat 1, der Streaming-Plattform Joyn, die Dating-Sparte mit der Parship-Meet Group sowie das E-Commerce-Geschäft.

Die Italiener verlieren offenbar die Geduld

Der Vorstoß ist durchaus ein Affront, hatte doch Aufsichtsratschef Wiele gerade erst angekündigt, die Trennung voranzutreiben. "Sie können davon ausgehen, dass wir in diesem Jahr intensive Verkaufsanstrengungen unternehmen werden", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Und fügte an: "Man stellt die Waren nicht laut ins Schaufenster, wenn man den besten Preis erzielen will." Pro Sieben Sat 1 werde nicht alle Digitalaktivitäten auf einen Schlag verkaufen, sondern mit den Bereichen anfangen, die "am besten laufen und am attraktivsten" sind. "Wir haben keine Not, überhastet zu verkaufen, aber wir werden auch nicht Ewigkeiten warten", so Wiele.

MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi verliert aber offenbar die Geduld, macht deshalb Druck und will so eine Zerschlagung erzwingen. Nicht ausgeschlossen, dass die Italiener dann ein Übernahmeangebot vorbereiten. Es werde viel geredet, aber es passiere de facto nichts, heißt es aus dem Umfeld von MFE. Die Hauptversammlung von Pro Sieben Sat 1 soll am 30. April in digitaler Form unter der Leitung von Wiele stattfinden.

Bei einer üblichen Präsenz auf der Hauptversammlung von rund 50 Prozent der Aktionäre hätte MFE mit 30 Prozent der Aktien eine rechnerische Mehrheit. Für den eingebrachten "Beschluss über die Vorbereitung eines Abspaltungs- und Übernahmevertrags" sind aber 75 Prozent der anwesenden Aktionärsstimmen nötig. Unklar ist derzeit, wie sich der zweite Großaktionär verhalten wird, der tschechische Investor PPF, der knapp zwölf Prozent hält. Zusammen hätten MFE und PPF vielleicht eine Chance, ihren Antrag durchzubringen.

Auch mit der Wahl der Aufsichtsräte ist MFE nicht zufrieden

Aber damit nicht genug: Die Italiener kündigten auch an, zwei eigene Kandidaten für den Pro-Sieben-Sat-1-Aufsichtsrat zu nominieren. Der eine, ein Experte für Übernahmen und Kapitalmärkte, soll einen frei werdenden Posten einnehmen, für den Pro Sieben Sat 1 selbst den niederländischen Medienmanager Pim Schmitz nominiert hat. Zudem solle der frühere Wirtschaftsprüfer und Corporate-Governance-Experte Rolf Nonnenmacher abgewählt und durch einen anderen Wirtschaftsprüfer ersetzt werden. Nonnenmacher ist stellvertretender Aufsichtsratschef. MFE stellt mit der Deutschland-Statthalterin Katharina Behrends schon eine Person im Aufsichtsrat, ein weiterer Aufsichtsrat, Thomas Ingelfinger, wird den Italienern zugerechnet.

Weitere Auseinandersetzungen in den nächsten Wochen dürften also zu erwarten sein. Pro Sieben Sat 1 hat zudem mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen. Zuletzt ging der Umsatz zurück, die Verluste stiegen, es wurden Jobs gestrichen. Finanzchef Martin Mildner hatte vor zwei Wochen betont, Pro Sieben Sat 1 sei gut ins Jahr 2024 gestartet. Für dieses Jahr wird mit einem leichten Umsatzwachstum auf knapp vier Milliarden Euro gerechnet, der operative Gewinn soll stagnieren. Die Aktie legte am Donnerstag deutlich zu.

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