Enthüllung von Wikileaks:Saudi-Arabien wollte deutsche Journalisten bestechen

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  • Saudi-Arabien wollte Wikileaks-Dokumenten zufolge sein Image im Westen aufpolieren.
  • Deutsche Journalisten sollen für positive Artikel 7500 Euro Grundgehalt pro Monat angeboten worden sein.
  • Wegen Menschenrechtsverstößen und mangelnder Pressefreiheit steht das saudische Regime in der Kritik.

Von Stefan Buchen, John Goetz und Hans Leyendecker

Wie viel würde es kosten, einen deutschen Journalisten als Auftragsschreiber zu kaufen? Reichten 7500 Euro im Monat? Saudische Diplomaten entwickelten im Jahr 2011 offenbar eine PR-Kampagne für die Bundesrepublik. Das geht aus Dokumenten über die Innen- und Außenpolitik Saudi-Arabiens hervor, die der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt wurden. Die Diplomaten wollten unbedingt das in der deutschen Öffentlichkeit angekratzte Bild des Königreichs Saudi-Arabien mithilfe von Journalisten und Medienexperten aufpolieren.

Die deutschen Autoren sollten, so steht es in den Unterlagen, dem Königreich "zugeneigt" sein. Die Saudis dachten an fünf Journalisten à 7500 Euro Grundgehalt. Die sollten "Meldungen aufbereiten und formulieren, die das Königreich in positivem Licht darstellen" würden. Das klingt sehr allgemein. Die Saudi-Arabien-ist-toll-Geschichten sollten in Zeitungen mit unterschiedlichem Erscheinungsort platziert werden: "Mal in Hamburg, mal in Berlin, mal in München". München? Hatten die Saudis auch an die SZ gedacht?

Saudi-Arabien will sich im Westen ein positives Image verschaffen

Die geplante PR-Offensive in Deutschland, darauf deuten die arabischsprachigen Unterlagen hin, war offenkundig Teil eines größeren Plans. Dazu soll gehört haben, arabische Medien zu überwachen, zur Kooperation zu bewegen oder selbst ein bisschen für Reformen zu sorgen: Den TV-Nachrichtensender al-Arabyia etwa haben vor gut zehn Jahren saudische Investoren gegründet und die Zeitung Saudi Gazette hat eine Chefredakteurin. Über die Frau an der Redaktionsspitze haben viele Medien im Westen ohne geldliche Aufmunterung berichtet.

Die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente jedenfalls stehen für die Bemühungen Saudi-Arabiens, in Ländern wie Australien, Kanada oder Deutschland ein positiveres Image zu schaffen. Die Kosten sollen je nach Land kalkuliert worden sein. In Afrika sollten angeblich Medien durch die Bestellung teurer Abonnements gekauft werden - für ein paar Tausend Dollar. In Libanon hingegen sollen Millionen Dollar für die Unterstützung durch eine TV-Station eingeplant worden sein.

Wikileaks hat noch nie gefälschte Dokumente veröffentlicht

Sind die Dokumente echt? Die Regierung in Riad hat ihre Bürger kürzlich gewarnt, "Dokumente, die gefälscht sein könnten, zu verbreiten". Ein Dementi klingt anders. Auch hat Wikileaks, egal was man von der Enthüllungsplattform hält, bislang nie gefälschte Dokumente veröffentlicht.

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Die Geschichte mit der geplanten PR-Offensive klingt jedenfalls plausibel. Saudi-Arabien steht immer wieder wegen seiner Politik am Pranger. In einem "streng geheimen" Schreiben vom 29. April 2012 etwa zitiert der damalige saudische Außenminister Saud al-Faisal eine Beschwerde des außenpolitischen Beraters der Bundeskanzlerin, Christoph Heusgen, über eine Reihe von Inhaftierungen im Königreich. "Menschenrechtsgruppen im deutschen Parlament" hätten die Verhaftungen thematisiert.

Außerdem, so das Dokument, sei der saudische Botschafter in Berlin vom Auswärtigen Amt darauf hingewiesen worden, dass 2011 in Saudi-Arabien 82 Menschen hingerichtet worden seien. In den ersten Monaten des Jahres 2012 hätten die Deutschen bereits zwanzig Vollstreckungen gezählt. Schlecht fürs Image.

Platz 164 im Pressefreiheits-Ranking

Nicht nur Menschenrechts-Gruppierungen verurteilen Riads Politik. Journalisten-Organisationen klagen über ständige Verstöße gegen die Pressefreiheit in Saudi-Arabien. Auf der einschlägigen Liste von "Reporter ohne Grenzen" steht Saudi-Arabien auf Platz 164 von 180 Ländern. Die Organisation berichtet, dass Zensur alltäglich sei. Bestraft würden ungenehmigte Berichte über Gerichtsverfahren, über Proteste wegen der Diskriminierung von Frauen und was da alles so zusammenkommt.

Journalisten, die nicht spuren, werden eingesperrt. Der Fall des Bloggers Raif Badawi, der zu zehn Jahren Haft und 1000 Stockschlägen verurteilt wurde, weil er etwas schrieb, was den Machthabern missfiel, ist eine Beschreibung des Systems. In saudischen Medien wird zwar über den Badawi berichtet, aber diskutiert und kommentiert wird der Fall nicht.

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Für deutsche Auftragsschreiber wäre die Barbarei wohl auch kein gutes Thema gewesen. Sie sollten sich an Auflagen halten: "Es dürfen nicht zwei Artikel in derselben Zeitung erscheinen oder vom selben Journalisten signiert werden, damit nicht der Verdacht aufkommt, er würde vom Königreich unterstützt", heißt es in einem Dokument. Wichtig sei bei den Autoren der "rein deutsche Name". Für jeden Artikel sollte es 300 Euro Bonus geben. Jede "Streichung" einer negativen Meldung im Fernsehen sollte mit 500 Euro belohnt werden. Sollte eine solche Nachricht nicht komplett gestrichen, aber im saudischen Interesse "zurechtgestutzt" werden, wären noch 300 Euro drin gewesen.

Angeblich gab der saudische Außenminister seine Zustimmung

Ein "Werbefilm über Sehenswürdigkeiten des Königreichs" stand auch auf der Liste . Nicht das Übliche, die Kaaba in Mekka oder so, sondern ein "Kongress über Landwirtschaft, eine Buchmesse oder eine Computerausstellung" sollten den Deutschen gezeigt werden. Außerdem wollten die Diplomaten "deutsche Schriftsteller" gewinnen. Die Literaten sollten ebenfalls mit dem Königreich sympathisieren. "Alle sechs Monate sollte ein Buch" erscheinen.

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Wer sich die Offensive ausgedacht hat? Den Unterlagen ist zu entnehmen, dass angeblich die saudische Botschaft in Berlin mitgedacht hat. Dafür gibt es aber keine Bestätigung. Wahrscheinlich hat der saudische Außenminister Saud al-Faisal den deutschen PR-Plan abgesegnet. Darauf deutet ein "streng geheimes" Schreiben an den für Kultur und Medien zuständigen Kollegen in Riad hin. In diesem Schreiben gibt der Außenminister der geplanten Kampagne einen besonderen Dreh. Angeblich lägen Erkenntnisse vor, dass israelische Diplomaten Einfluss auf die deutsche Presse nehmen wollten. Die Israelis wollten mit "gekauften Federn" Falschmeldungen über das Königreich in die Welt setzen. Und dieser Kampagne müsse man mit einer "systematischen und gut durchdachten Kampagne" entgegenwirken. Ob die saudische Kampagne tatsächlich gestartet wurde, ist nicht bekannt.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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