Nach dem Rüffel der Finanzaufsicht Bafin am Montagabend fordern Verbraucherschützer die Postbank-Führung auf, die Missstände bei der Deutsche-Bank-Tochter zügig zu beheben. "Nach allen in letzter Zeit erkennbaren Versuchen der Postbank-Führung, das Gesamtausmaß der Probleme medial zu bagatellisieren und zu beschwichtigen, wird durch klares aufsichtsrechtliches Einschreiten jetzt ein wichtiges Zeichen für die Kontoinhaber gesetzt", sagt Silke Rey Romero, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW.
Die Bafin hatte der Konzernmutter Deutsche Bank nach massiven Beschwerden von Postbank-Kunden am Montagabend eine ungewöhnlich deutliche Rüge erteilt. Die Aufsicht beobachte seit dem Jahreswechsel 2022/23 "erhebliche Beeinträchtigungen bei der Abwicklung des Kundengeschäfts bei der Postbank", teilte die Behörde mit. Sie prüft nun, "ob aufsichtlich relevante Mängel in dem Institut" bestünden und sie aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergreifen muss. Denkbar ist, dass die Bafin erneut einen Sonderbeauftragten zur Bank schickt, Bußgelder verhängt oder das Neugeschäft begrenzt. Zudem hatte die Bafin die Bank aufgefordert, "die Einschränkungen im Kundenservice schnellstmöglich abzustellen". Die Bafin war dem Vernehmen nach von tausenden Kundenbeschwerden zur Postbank regelrecht überflutet worden, die sie nicht mehr individuell bearbeiten konnte. Zuletzt soll ungefähr jede zweite Verbraucherbeschwerde, die bei der Bafin einging, die Postbank zum Thema gehabt haben.
Das Vorgehen der Postbank kann Kunden in existenzielle Not bringen
In vier Wellen an mehreren Wochenenden hatte die Deutsche Bank die Daten von zwölf Millionen Kunden vom IT-System der Postbank in das neue System übertragen. Mit der neuen Struktur will der Konzern - 15 Jahre nach der Übernahme der Postbank - von 2025 an pro Jahr 300 Millionen Euro einsparen. Für Ärger bei der Kundschaft sorgte vor allem die zweite Welle der Datenübertragung rund um Silvester 2022/23, als unter anderem Wertpapierdepots betroffen waren. Anfang Juli sprach die Bank jedoch von einem "erfolgreichen Abschluss" der Arbeiten und feierte sich für eines der "größten und komplexesten IT-Migrationsprojekte im europäischen Bankensektor". Die Anzahl der Beschwerden sei "angesichts der Komplexität" im Rahmen der Erwartungen gewesen.
Doch Berichte von Kunden, die sich über technische Probleme bei der Postbank und vor allem fehlende Erreichbarkeit beklagten, reißen bis heute nicht ab. Besonders betroffen sind Kunden, deren Konten zeitweise gepfändet waren, aber dann nicht mehr entsperrt wurden. Und das, obwohl sie ihre Schulden, etwa beim Finanzamt, bezahlt hatten. Auch sogenannte Pfändungsschutzkunden für verschuldete Menschen wurden gesperrt, aber nur schleppend freigegeben.
Das Vorgehen der Postbank habe daher viele ihrer Kunden unmittelbar in existenzielle Not gebracht, sagt Verbraucherschützerin Romero. Es gehe nicht nur um "zeitweise technische Störungen" oder "bedauerliche Einschränkungen im Kundenservice", sondern offenbar um systematisch-strukturelle Mängel in der Geschäftsorganisation. Kontoinhabern werde - oft über mehrere Wochen - ihr Kontoguthaben vorenthalten. Die Postbank solle nun sofort allen Betroffenen direkte Ansprechpartner benennen, die eine unverzügliche Freigabe der Kontoguthaben nach den gesetzlichen Bestimmungen veranlassen.
Außerdem solle die Bank auch für eine unbürokratische und schnelle Abwicklung der Schadenersatzansprüche zur Verfügung stehen, sagt die Juristin. Ohne Hotline oder Telefonbanking-PIN oder andere Hürden. Letztlich müsse dann - über den reinen Schadenersatz hinaus - auch darüber gesprochen werden, wie die Betroffenen für all den Stress, Aufwand und Ärger, den sie über Wochen erlitten haben, entschädigt werden können: "Das - und der eingetretene Vertrauensverlust - ist mit einer Entschuldigung allein nicht abgegolten."
Die Deutsche Bank teilte mit, sie nehme die Rüge der Bafin "sehr ernst". Und: "Die Verbesserung des Kundenservices bei der Postbank hat für uns oberste Priorität", sagte Lars Stoy, verantwortlich für die Privatkundenbank. Man arbeite daran, die Situation so schnell wie möglich wieder zu verbessern. Aber es werde noch einige Wochen dauern, bis sich die Lage in den betroffenen Bereichen wieder normalisiert habe. Ziel sei jedoch, den entstandenen "Rückstau" schleunigst abzuarbeiten, sagte der Manager. Er selbst ist schon seit Jahren für die Postbank zuständig und kann daher nicht ganz unschuldig sein an dem Chaos, ebenso wie Vize-Konzernchef und Privatkundenvorstand Karl von Rohr. Ohnehin ist das Debakel auch ein Rückschlag für Konzernchef Christian Sewing, der eigentlich die stabilen Geschäftsfelder des Konzerns und das Geschäft auf dem Heimatmarkt stärken wollte.