Europawahl:Wie Facebook unlautere Wahlwerbung verhindern will

Lesezeit: 3 Min.

Kamera und Facebook-Logo (Foto: AP)
  • Seit diesem Freitag hat Facebook auch für Europa sein Archiv für politische Wahlwerbung freigeschaltet.
  • Wer künftig auf Facebook für Kandidaten oder politische Themen werben will, muss sich registrieren lassen.
  • So sollen Wissenschaftler, Journalisten und interessierte Bürger überprüfen können, wer wie und für was auf der Plattform wirbt.

Von Max Muth

Nach der versuchten Wählerbeeinflussung rund um die US-Wahl 2016, die Brexit-Abstimmung und das irische Abtreibungsreferendum reagiert Facebook und macht politische Werbung transparenter - so soll vor allem die Europawahl gegen Verzerrungen gesichert werden. Wer für Kandidaten und politische Themen werben will, muss sich ab jetzt registrieren. Außerdem sind Anzeigen ab sofort in einem öffentlichen Archiv durchsuchbar. Sogenannte Dark Ads, die nur einer sehr speziellen Zielgruppe angezeigt werden, und für alle anderen unauffindbar sind, gehören damit wohl der Vergangenheit an. Diese Art der Anzeigen verschleiern ihre Herkunft, sie enthalten oft dubiose Behauptungen, die exakt auf die Zielgruppe zugeschnitten sind. Fact-Checker, die die Behauptungen widerlegen könnten, bekommen die Anzeigen aber nie zu Gesicht - sie bleiben für sie im "Dunkeln".

Seit 00.01 Uhr mitteleuropäischer Zeit an diesem Freitag ist das Werbearchiv auch für Anzeigen in europäischen Ländern verfügbar. Das Archiv für politische Werbung existiert für die USA schon seit Mai 2018, in Brasilien wurde es vor der Präsidentschaftswahl im Oktober 2018 freigeschaltet. Facebooks Policy-Chef für Europa, Richard Allen, sagte in einem Gespräch: "Leute diskutieren auf Facebook alles, was sie bewegt - und das sind natürlich auch Wahlen. Das ist auch gut so, aber wir wollen unseren Teil dazu beitragen, den Missbrauch einzuschränken." Allerdings sieht man derzeit noch keine Details, zum Beispiel zu den Kosten der Anzeigen oder den Zielgruppen - denn an diesem Freitag beginnt erst der Prozess, in dem sich Werbende anmelden müssen.

Facebook leuchtet dunkle Werbung aus

Der Missbrauch, von dem Allen spricht, wurde nach der US-Wahl 2016 monatelang aufgearbeitet. Auf Facebook kann für alles Mögliche geworben werden. Für wenige Dollar kann jeder Beitrag einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden. Das macht das Schalten von Werbung für viele kleine Unternehmen und Selbstständige leichter, das System kann aber ebenso einfach für unlautere Zwecke missbraucht werden. Aus Russland wurden rund um die US-Wahl in großem Stil Themen beworben, die augenscheinlich gedacht waren, wichtige liberale Wählerschichten, insbesondere Afroamerikaner, vom Wählen abzuhalten.

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Dazu wurden etwa jahrzehntealte Aussagen der Kandidatin Hillary Clinton über afroamerikanische Kriminelle wieder ausgegraben und mit Hilfe von Facebook-Werbung verbreitet. Auch die Black-Lives-Matter-Bewegung und andere gesellschaftliche Akteure wurden Ziel der Beeinflussungsversuche. Falsche Aktivisten-Accounts verstärkten die ohnehin vorhandene Polarisierung zwischen den Amerikanern. Dazu bedienten sich die - teilweise in Rubel bezahlenden - Werbenden sogenannter Dark-Ads, also "dunkler Werbung". Darunter versteht man die Möglichkeit, Werbung auf Facebook sehr gezielt nur bestimmten Zielgruppen zu zeigen, ohne dass eine breitere Öffentlichkeit die Botschaften je zu Gesicht bekommt. Mit dem Werbearchiv wird diese dubiose Werbeform eingeschränkt.

Wer künftig auf Facebook oder Instagram werben will, muss sich registrieren. Dazu müssen Bewerber entweder einen Ausweis oder ein anderes beglaubigtes Dokument vorlegen, das beweist, dass sie aus dem betreffenden Land kommen. Werbende dürfen zudem nur Anzeigen in dem Land schalten, für das sie auf diese Weise autorisiert worden sind. So soll Wahlbeeinflussung aus anderen Ländern verhindert werden. Ab Mitte April will das Unternehmen anfangen, Wahlwerbung von nicht registrierten Unternehmen, Agenturen und Personen zu blockieren.

Unter politischer Werbung versteht Facebook nicht nur Anzeigen von oder für Kandidaten und Parteien. Auch Anzeigen, die allgemein Themen wie Immigration, Klimawandel, soziale Ungleichheit oder Einstellungen zu gesellschaftlichen Themen wie Religion, Ehe, Abtreibung und ähnlichem behandeln, gelten als Issue-Ads - und damit als politisch.

US-Reporter gaben sich erfolgreich als US-Vizepräsident aus

Jede derzeit aktive Werbeanzeige wird in Facebooks Werbearchiv einsehbar sein. Werbungen, die Facebook als politische Werbung oder Themenwerbung identifiziert hat, werden sieben Jahre aufbewahrt, genauso wie der Ausweis und die Kreditkarten- oder Kontoinformationen der Werbenden. Das Werbearchiv werde für jeden Internetnutzer einsehbar sein, nicht nur für Facebook-Nutzer. Wissenschaftler, Wahlbeobachter und Privatpersonen können es nach Stichworten durchsuchen und überprüfen, wer die Werbung bezahlt hat, wie viel Geld dafür ausgegeben wurde, und welche Zielgruppen die Werbung gesehen haben. Wer die Daten noch genauer analysieren will, kann sich auch einen Zugang für die sogenannte API des Archivs geben lassen. Mit dieser Datenschnittstelle können Wissenschaftler große Datenmengen aus dem Archiv schnell und strukturiert herunterladen, um sie weiter zu analysieren.

So sieht das fiktive Werbearchiv für die ebenso fiktive Politikerin Elizabeth Rose in Italien aus (Foto: Screenshot Facebook)

Der Wissenschaftler Damon McCoy von der New York University kennt Facebooks Werbearchiv bereits ziemlich gut. Rund um die US-Kongresswahlen 2018 haben er und sein Team die US-amerikanische Version des Archivs für ihre Forschung genutzt. Das US-Werbearchiv ist das Vorbild für die Version des Archivs, die Facebook heute freischaltet und wird jetzt ebenfalls weiterangepasst. Er sagt, Facebooks Änderungen seien zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Er warnt Wissenschaftler und Journalisten aber vor zu viel Vorfreude: "Die Facebook-API ist nicht für die Transparenz ausgelegt, die Facebook jetzt bieten will. Sie hat eine Menge Beschränkungen, es gibt ein Zeitlimit, ein Mengenlimit und dann noch ein Rechenlimit." Das mache es schwierig, große Datenmengen zu bekommen.

Außerdem hätten Untersuchungen gezeigt, dass Facebook Werbende zwar auffordert, ihre Identität anzugeben, diese dann aber nur sporadisch überprüft. Laut Facebooks Vorgaben muss politische Wahlwerbung mit einem Feld markiert sein, das angibt, wer dafür bezahlt hat. Wie gut das funktioniert, haben Reporter des Vice-Magazins in den USA im Oktober überprüft - mit wenig überzeugenden Ergebnissen. Die Journalisten gaben sich mal als US-Vizepräsident Mike Pence, in einem anderen Fall als "Islamischer Staat" aus. In beiden Fällen akzeptierte Facebook die Anzeigen problemlos.

Facebook räumt ein, dass die Identifikationsmethode nicht absolut fälschungssicher ist, man wolle es Manipulatoren aber so schwer wie möglich machen.

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