Netflix & Co.:So wollen Streamingdienste geteilte Konten eindämmen

Lesezeit: 3 min

Neflix, Amazon Prime Video oder Disney+? Für Film - und Serienunterhaltung bei Streamingdiensten müssen zumindest die Eltern der Kleinen zahlen. (Foto: imago images/Cavan Images)

"Liebe ist, ein Passwort zu teilen", scherzte Netflix einst. Mit der Romantik ist es nun aber vorbei: Jeder, der streamt, soll zahlen. Was hinter dem Sinneswandel steckt und was er für Nutzer bedeutet.

Von Simon Hurtz, Berlin

Wer unterhalten werden will, muss zahlen. Nicht einmal, sondern monatlich. Sky für die Bundesliga am Samstag, Netflix für den verregneten Sonntag, und am Feierabend Spotify. Möchte man bestimmte Filme oder Serien sehen, kommen Amazon Prime Video, Apple TV oder Disney+ dazu. Sportfans gönnen sich Dazn, und je lästiger die Werbung auf Youtube wird, desto verlockender erscheint Youtube Premium. Haushalte in den USA geben für Streamingdienste durchschnittlich 55 Dollar aus - pro Monat, nicht etwa pro Jahr.

Das können oder wollen sich nicht alle leisten. Um Geld zu sparen, werden viele Menschen zu Trittbrett-Guckern und teilen ihre Konten. Das Netflix-Passwort weiterzugeben, fühlt sich an, wie nachts an der einsamen Straßenkreuzung über eine rote Ampel zu gehen: Man weiß, dass es nicht erlaubt ist, aber das schlechte Gewissen hält sich in Grenzen. Zwischen roten Ampeln und geteilten Konten gibt es aber einen Unterschied. Die nächtliche Ordnungswidrigkeit bleibt unbemerkt, der zweite, dritte, fünfte Login wird sehr wohl registriert. Bislang duldeten die meisten Streaming-Dienste solche Sammelkonten, doch jetzt mehren sich die Anzeichen, dass bald Schluss damit sein könnte.

Ist es verboten, Passwörter zu teilen?

Viele Anbieter beschränken den Dienst in ihren Nutzungsbedingungen auf eine Person. Dazn und Disney+ schreiben etwa, dass der Account nicht geteilt werden darf. "Du bist verpflichtet, Dein Passwort geheimzuhalten", heißt es bei Dazn. Netflix erlaubt die Nutzung innerhalb eines Haushalts. Je nach Abo können aber nur ein, zwei oder vier Geräte gleichzeitig Videos streamen. Auch Spotify oder Youtube, die Familien-Abos für bis zu sechs Personen anbieten, meinen damit nur Menschen, die unter einem Dach leben. Wer gegen den Nutzungsvertrag verstößt, riskiert den Rauswurf. Bislang sind aber nur wenige Fälle bekannt, in denen Konten gekündigt wurden.

Woher kommt der Sinneswandel?

"Liebe ist, ein Passwort zu teilen", schrieb der offizielle Netflix-Account vor fünf Jahren auf Twitter. Doch schon 2019 informierte Netflix Investoren, man wollte "nutzerfreundliche Möglichkeiten" finden, diese Praxis einzudämmen. "Als wir schnell wuchsen, hatte das keine Priorität für uns", sagte Netflix-Chef Reed Hastings kürzlich. "Jetzt arbeiten wir super hart daran." Das hat auch mit den Geschäftszahlen zu tun, über die Hastings bei seinem Auftritt sprach. Netflix hat zum ersten Mal Nutzerinnen und Nutzer verloren, für das zweite Quartal erwartet das Unternehmen weitere Kündigungen. Im vergangenen November war die Aktie noch mehr als 600 Euro wert, derzeit liegt sie bei 180 Euro.

Für den Absturz gibt es in erster Linie zwei Gründe: Zum einen profitierte Netflix von der Pandemie, mittlerweile können Menschen ihre Freizeit wieder anders verbringen als mit Serien auf der Couch. Zum anderen ist der Streamingmarkt hart umkämpft. Mit Disney und Apple mischen zwei Milliardenkonzerne mit, vor allem Disney+ ist erfolgreich gestartet. Die Anbieter geben immer mehr für Lizenzen und aufwendige Eigenproduktionen aus, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Deshalb wurden die Abos in den vergangenen Jahren immer teurer, doch das reicht nicht. Netflix geht davon aus, dass rund 100 Millionen Haushalte streamen, ohne zu zahlen. Ein Teil dieser heimlichen Mitgucker soll nun zu Abonnenten werden.

Wie üben die Unternehmen Druck aus?

Die Anbieter wissen genau, wer ihren Dienst wann und wo nutzt: Anmeldungen, Geräte und IP-Adressen werden jahrelang gespeichert. Aus diesen Daten lässt sich herauslesen, wie viele Personen sich einen Account teilen und ob sie wirklich im selben Haushalt leben. Wer bei Spotify keine Anschrift hinterlegt hat, wird immer wieder dazu aufgefordert. Dazn erinnert per E-Mail, dass es nicht erlaubt sei, Anmeldedaten weiterzugeben. "Wenn du nicht mit dem Besitzer dieses Accounts zusammenwohnst, brauchst du einen eigenen Account", warnt Netflix und fordert manche Nutzerinnen auf, sich per Einmal-Code zu verifizieren. Auch Disney scheint geteilte Konten für ein Problem zu halten und verschickt derzeit Fragebögen, um herauszufinden, warum man seine Zugangsdaten weitergibt.

Wie könnten legal geteilte Accounts funktionieren?

Seit März testet Netflix in Süd- und Mittelamerika eine Möglichkeit, Accounts gegen einen Aufpreis zu teilen. Für rund zwei bis drei Euro pro Person kann man bis zu zwei Unterkonten einrichten und weiteren Menschen Zugriff geben. Jeder vergibt ein eigenes Passwort und erhält ein separates Profil. Wer bislang einen fremden Account mit nutzt, darf den oft über Jahre erstreamten Serienverlauf und alle personalisierten Empfehlungen übertragen. Bislang läuft das Experiment nur in Chile, Peru und Costa Rica. Wenn Netflix mit den Ergebnissen zufrieden ist, sollen weitere Länder folgen. Kommendes Jahr könnten dann auch Menschen in Deutschland legal Mitgucker einladen.

Wie wollen Streamingdienste künftig Geld verdienen?

Das Geschäftsmodell vieler Anbieter ist simpel: Kundinnen zahlen für Inhalte. Im Internet gibt es aber noch eine andere Möglichkeit, Geld zu verdienen: Werbung. US-Unternehmen wie Hulu und HBO Max bieten bereits günstigere Abos an, die durch Anzeigen querfinanziert werden. Amazon startet mit Freevee einen Dienst, bei dem man mit seiner Aufmerksamkeit bezahlt - das Angebot ist gratis, dafür bekommt man Werbung vorgesetzt. Disney wird zunächst in den USA ausprobieren, wie viele Menschen bereit sind, weniger Geld zu zahlen und um Gegenzug Anzeigen zu sehen. Auch Netflix denkt über Werbung nach. Es sei sinnvoll, "werbetoleranten Kundinnen und Kunden eine Möglichkeit zu geben, einen geringeren Preis zu zahlen", sagte Hastings kürzlich. 2015 klang das noch anders. "Netflix wird keine Werbung bekommen. Punkt", schrieb der Netflix-Chef damals auf Facebook. Manche Versprechen gelten nur, solange die Aktie steigt.

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