Spielzeugbranche:Mit Barbie aus der Krise

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Adaption oder Kreation? Diese Frage ist beim "Barbie"-Film nicht so einfach zu beantworten. (Foto: dpa)

Der US-Konzern Mattel legt sehr maue Quartalszahlen vor. Das soll sich bald ändern, dem "Barbie"-Film sei Dank. Und in der Zentrale bastelt man schon am nächsten Hype.

Von Felicitas Wilke

Und plötzlich fällt der Mattel-Chef fast in Ohnmacht. Gerade konnte er, der Konzernboss Mitte fünfzig, ein typischer alter, weißer Mann, sich in der Vorstandssitzung noch entspannt mit seinen anzugtragenden Kollegen umgeben. Doch dann erfährt er, dass Barbie aus ihrer pinken Glitzerwelt ausgebrochen und in der echten Welt nichts Gutes im Schilde führt. Zu viel für das Alphatier, es kippt um.

Im "Barbie"-Film, der seit gut einer Woche in den deutschen Kinos läuft und weltweit einen Hype um die Spielzeugpuppe ausgelöst hat, wird der Mattel-Chef von Will Ferrell verkörpert. Im echten Leben, also im wirklich echten jenseits der Kinosäle, heißt er Ynon Kreiz und amtiert seit 2018. Unklar ist, wie es gerade um seinen Kreislauf steht. Ein Grund zur Freude sind die Quartalszahlen, die er am Mittwoch verkündet hat, nicht wirklich. Noch nicht jedenfalls. Im vergangenen Vierteljahr sank der Umsatz des US-Konzerns im Jahresvergleich um zwölf Prozent auf umgerechnet 980 Millionen Euro. Der Gewinn fiel sogar um 59 Prozent.

Bemerkenswert daran ist, dass sich die Spielzeuge auf Rädern der Mattel-Marke Hot Wheels vergleichsweise gut verkauften, während ausgerechnet Barbie schwächelte: Der Absatz sank gegenüber dem Vorjahr um sechs Prozent, nachdem er im ersten Vierteljahr sogar um 41 Prozent abgestürzt war. Vorsichtig optimistisch stimmen kann es Mattel, dass Analysten sogar mit einem noch schlechteren Ergebnis gerechnet hatten.

Ynon Kreiz ist der Chef des US-Konzerns Mattel. (Foto: MICHAEL TRAN/AFP)

Mattel-Chef Kreiz geht davon aus, dass Barbie schon im zweiten Halbjahr die Bilanz aufhübschen wird. Der Aktienkurs von Mattel ist in den vergangenen vier Wochen um knapp 18 Prozent auf über 21 Dollar gestiegen. Offenbar erwarten die Anleger wie Kreiz, dass das rosarote Marketing, das dem Kinostart voranging, auch im Handel funktioniert. Der Online-Shop von Mattel ist bereits voll von Fanartikeln, die der Filmkulisse nachgeahmt sind. Das knallpinke Haus der Heldin inklusive Rutsche vom Schlafzimmer in den Pool gibt es in der Spielzeugvariante für stolze 149,99 Euro, das Uno-Kartenspiel im rosa Anstrich und mit den Gesichtern der Hauptdarsteller für 12,99 Euro. Bei Mattel hofft man, auch erwachsene Sammlerinnen und Sammler anzusprechen. Insbesondere mit den Puppen, die Kostüme aus dem Film tragen.

Der Mattel-Chef plant bereits weitere Filme

Nach Jahren der Krise könnte der von Mattel coproduzierte Streifen die Puppe samt ihrem Konzern aus der Krise heben. Zwar versuchte Barbie, Jahrgang 1959, immer mit der Zeit zu gehen. War sie einst noch im Badeanzug unterwegs und mit unrealistischen Körpermaßen ausgestattet, gewann sie 2016 etwas an Körperfülle und ist mittlerweile auch als (halb nackte) Meeresbiologin, Ärztin und Innenarchitektin mit Beinprothese erhältlich. Aber trotz aller Bemühungen, für mehr Umsatz den Zeitgeist auf die arglose Puppe zu projizieren, befassten kleine Mädchen sich lieber mit der Eisprinzessin Elsa oder gingen gleich fürs Klima auf die Straße. Plötzlich wurde der Verkaufsschlager zum Verlustbringer, schlechte Quartalszahlen reihten sich aneinander.

Nun erweckt Mattel den einstigen Star im Sortiment mit einem eigenen Film zum Leben, so wie das Konkurrent Hasbro bereits seit Jahren mit der "Transformers"-Reihe vormacht. Im Film entdeckt Barbie das Patriarchat - im festen Glauben, als Vorkämpferin für die Rechte der Frauen zu gelten. Der Schock bei ihr ist groß, wozu auch die reichlich trottelig wirkende, rein männlich besetzte Führungsriege ihres eigenen Herstellers beiträgt. Es liegt im Auge des Betrachters, ob der "Barbie"-Film nun ein feministisches Manifest oder eine knapp zweistündige, pinke Dauerwerbesendung für Mattel ist. An Selbstironie jedenfalls mangelt es dem Film nicht - auch wenn am Ende natürlich trotzdem alle Barbie super finden.

Allein am ersten Wochenende soll der "Barbie"-Film umgerechnet mehr als 316 Millionen Euro weltweit eingespielt haben. Mattel-Chef Kreiz plant bereits weitere Filme, unter anderem mit Hot-Wheels-Autos. Dem Produzenten J. J. Abrams zufolge soll der Film "emotional, tiefgründig und mutig" werden. Schwer vorstellbar, wie sich mit den Monstertrucks eine Botschaft verbreiten lässt, die zugleich als gesellschaftspolitisch relevant und als gutes Marketing aufgefasst werden kann. Aber schon Barbie wusste ja zu überraschen.

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