E-Mobilität:Autozulieferer Mahle in der Krise

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Produktion bei Mahle: Offenbar sind die Beharrungskräfte der Verbrenner-Freunde im Konzern groß, wie genau es weitergehen soll, ist unklar. (Foto: Kai R. Joachim/Mahle/oh)

Der Konzern macht trotz eines rigiden Sparkurses erneut Verluste. Dazu müssen sich die Schwaben nach nur vier Monaten wieder einen neuen Chef suchen.

Von Christina Kunkel, Stuttgart

Um zu begreifen, wie schnell sich die Zeiten ändern in der deutschen Auto- und Zulieferindustrie, reicht manchmal ein Blättern im E-Mail-Postfach. Anfang April war dort die Einladung zur Bilanzpressekonferenz von Mahle gelandet, einer der fünf größten deutschen Automobilzulieferer. Angekündigt war eine Rede von Matthias Arleth, dem Vorstandsvorsitzenden, gerade seit Anfang des Jahres im Amt. Doch nur drei Wochen später führte stattdessen ein anderer durch die Zahlen: Finanzchef Michael Frick, der schon einmal den Interimschef geben musste. Am Karfreitag hatte Mahle vermeldet, dass Arleth seinen Posten Ende April schon wieder räumen wird.

Es habe unterschiedliche Auffassungen zur künftigen Strategie des Unternehmens gegeben, heißt es als Erklärung für den schnellen Abgang des Mahle-Chefs. Und zusammen mit den erneut schwachen Zahlen, die das Unternehmen am Montag vorlegte, eignet sich Mahle als Paradebeispiel, wie sehr die Transformation von Verbrennungsmotoren hin zu neuen Antrieben mit Strom und Wasserstoff die deutsche Zulieferbranche zu zerreißen droht.

Dass sie weg müssen von Teilen für Benzin- und Dieselmotoren, das haben auch in Stuttgart alle begriffen. Doch wie schnell man dieses Geschäft zugunsten von neuen Technologien rund um Batterien, Lade-Infrastruktur und Brennstoffzellen auslaufen lässt, darüber herrscht bei Mahle, wie auch bei anderen deutschen Zulieferern, immer noch Uneinigkeit. Wobei die Beharrungskräfte der Verbrenner-Freunde bei "Kolben-Mahle", wie das Unternehmen aufgrund seines bekanntesten Produkts auch genannt wird, vielleicht noch ein bisschen stärker sind als etwa bei Bosch oder ZF. Deren Zahlen für das vergangene Jahr fielen zumindest deutlich besser aus als die des Stuttgarter Stiftungskonzerns.

Arleth kam als Fachmann für E-Mobilität und Transformation

Auch der schnelle Abgang Arleths zeigt diese Zerrissenheit. Als der Ex-Webasto-Manager im vergangenen Herbst als neuer Vorstandsvorsitzender verkündet wurde, hob Mahle explizit sein Fachwissen rund um die Elektromobilität hervor. Jetzt sagen Insider, der als Transformationsexperte gepriesene Arleth habe den Konzern zu forsch umkrempeln wollen, im Vorstand habe bald der Rückhalt für einen noch schnelleren Umstieg in Richtung Elektro und Brennstoffzelle gefehlt. Jürgen Kalmbach, stellvertretender Aufsichtsrats- und bis vor Kurzem Betriebsratschef, beschrieb es in der FAZ so: "Das war wie bei einer Fußballmannschaft, zu der der Trainer keinen Zugang findet."

Nach nur drei Monaten ist Matthias Arleth als Mahle-Vorstandsvorsitzender schon wieder Geschichte - und der Zulieferer zum dritten Mal in knapp vier Jahren auf Chefsuche. (Foto: Wolfram Scheible/Mahle/oh)

Die Zahlen zeigen, dass es für Mahle noch ein langer Weg aus der Krise ist, auch wenn die Bilanz nicht mehr ganz so schlecht ausfällt wie im Vorjahr. 2021 machte der Zulieferer 108 Millionen Euro Verlust, 2020 hatte das Minus noch bei 434 Millionen Euro gelegen. Der Umsatz stieg um 11,9 Prozent auf 10,9 Milliarden Euro, auch die Umsatzrendite kletterte auf 1,5 Prozent, nach minus zwei Prozent 2020.

Doch ob das Unternehmen zumindest diesen kleinen Aufschwung fortsetzen kann, ist fraglich. Für das aktuelle Geschäftsjahr will Interimschef Frick keine Prognose abgeben: "Der Krieg in der Ukraine und die verstärkten Lieferkettenprobleme sowie ein massiver Kostendruck werden 2022 große Belastungen für unser Geschäft bringen, die sich aktuell noch nicht abschätzen lassen", sagte er. Sollten sich die Rahmenbedingungen stabilisieren, könnte Mahle 2023 wieder Gewinn machen.

In vier Jahren hat Mahle die Zahl der Beschäftigten um rund zehn Prozent reduziert

Dabei fährt das Stuttgarter Unternehmen schon länger einen rigiden Sparkurs. Vor vier Jahren arbeiteten weltweit noch knapp 80 000 Menschen für den Konzern, im vergangenen Jahr ist die Zahl noch einmal um 900 auf aktuell 71 300 geschrumpft. Mit sogenannten Freiwilligenprogrammen versucht Mahle, Mitarbeiter etwa über Abfindungen zum Kündigen zu bewegen. Das werde "gut angenommen" sagte Personalchefin Anke Felder, ohne genaue Zahlen nennen zu wollen. An einzelnen Standorten werden Bereiche geschlossen, Ende des Jahres soll zum Bespiel die Gießerei in Zell südlich von Freiburg dichtmachen, betroffen sind dort rund 50 Beschäftigte.

Noch macht Mahle etwa vierzig Prozent seines Geschäfts mit Teilen für Verbrennungsmotoren, dort ist man bei einzelnen Produkten Marktführer. Aber: "Der Verbrenner-Kuchen wird kleiner", weiß auch Frick. Gleichzeitig gebe es rund um die E-Mobilität "eine sehr hohe Zahl an Wettwerbern, die in diesen Markt hineindrängt". Und größere Konkurrenz bedeutet eben auch, dass die Margen nicht so hoch sind wie im klassischen Verbrenner-Geschäft. Zwar will Mahle bis 2030 drei Viertel seines Umsatzes abseits von Benzinern und Dieseln machen, doch ob das reicht, um langfristig wieder Gewinne zu erzielen, bleibt abzuwarten.

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