In Hawaiis Politik geht nichts ohne Männer. Da wären zum Beispiel Gouverneur Josh Green, Senatspräsident Ronald Kouchi oder der Sprecher des Repräsentantenhauses, Scott Saiki. Auch in der Wirtschaft sind es zumeist Männer, die dafür verantwortlich sind, dass das Geschäft brummt. Nur die Hälfte der 22 börsennotierten Unternehmen im Bundesstaat haben überhaupt eine Frau im Vorstand. Wozu denn auch, fragt der Hawaiianer? Es läuft doch. Und es soll auch weiter laufen, scheint sich die hawaiianische Legislative gedacht zu haben. Einem neuen Gesetz zufolge soll von Ende 2023 an mindestens ein Mann im Vorstand börsennotierter Unternehmen sitzen, von Ende 2025 an sollen es sogar mindestens drei sein. Die Männerquote kommt also, zumindest in Hawaii. Gut für Unternehmen: Diesen Teil der neuen gesetzlichen Vorgabe haben alle bereits erfüllt.
An anderer Stelle liegt dagegen noch ein bisschen Arbeit vor den Firmen. Denn das Gesetz will nicht nur sicherstellen, dass auch weiterhin männliches Genie für den Erhalt der wertvollen hawaiianischen Börsenunternehmen sorgt. Es will nebenbei auch den Frauenanteil erhöhen. Die hawaiianische Quote - sie soll für beide Geschlechter gelten, eigentlich sogar für alle. Ab einer Vorstandsgröße von sechs Personen müssen darin ab Ende 2025 nicht nur drei Männer oder nicht binäre Menschen, sondern auch drei Frauen oder nicht binäre Menschen sitzen.
Dass Frauen im Prinzip schon in der Lage wären, ein Land oder Unternehmen zu führen, ist den Hawaiianern durchaus bewusst. Die einzige hawaiianische Königin, Liliʻuokalani, wurde zwar nach nur zwei Jahren Herrschaft gestürzt, doch das größte Unternehmen des Bundesstaats, Hawaiian Electric Industries, führte von 2006 bis 2022 eine Frau. Constance "Connie" Lau war 16 Jahre lang CEO - quasi die Angela Merkel Hawaiis. Doch genauso wie in Deutschland hat auch in Hawaii dieses eine leuchtende Beispiel kaum zu größeren gesellschaftlichen Verbesserungen bei der Gleichstellung geführt.
Hawaiis Gesetz lernt aus kalifornischen Fehlern
Dass die hawaiianische Geschlechterquote nun auch Männern gesetzlich Vorstandsposten garantiert, hat verfassungsrechtliche Gründe. Denn Mitte 2022 wurde eine kalifornische Frauenquote von einer Richterin für verfassungswidrig erklärt. Die vage Hoffnung, dass kalifornische Unternehmen von einer 30-prozentigen Frauenquote finanziell profitieren, rechtfertige nicht den tatsächlichen Eingriff in den Schutz der Gleichheit vor dem Gesetz, so die zuständige Richterin in ihrem Urteil. Die hawaiianischen Gesetzgeber lernen aus den kalifornischen Fehlern.
Die Idee, eine Quote für beide Geschlechter einzuführen, ist nicht ganz neu. Auch in Norwegen gilt bereits seit 2003 die gesetzliche Vorgabe, dass Männer und Frauen jeweils mindestens 40 Prozent der Aufsichtsräte stellen müssen. Heute gilt Norwegen als eines der Vorbilder bei der Gleichstellungspolitik.
Und auch in Deutschland gab es schon einmal den Versuch, eine Männerquote einzuführen. "Männliche Bewerber werden bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorrangig berücksichtigt", hieß es 2018 in einer überraschenden Ausschreibung der Staatsanwaltschaft Hamburg. Das Gleichstellungsgesetz des Landes verlangt, dass das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht bei Einstellungen zu bevorzugen ist. Unterrepräsentiert gilt ein Geschlecht bei einem Anteil von 40 Prozent, in der Behörde war der Männeranteil auf 36 Prozent gesunken.
Deutsche Verfassungsrechtler waren damals der Auffassung, dass auch das Hamburger Gesetz grundgesetzwidrig sein könnte. Ein solcher Eingriff sei demnach nur zu rechtfertigen, wenn er erfolge, um eine strukturelle Benachteiligung auszugleichen. Das können Männer in Deutschland noch lange nicht geltend machen. Der Frauenanteil in den Vorständen der 160 Unternehmen der Dax-Familie lag zuletzt bei 15,5 Prozent. In den Vorständen der US-Unternehmen im S&P 500 sitzen mehr als doppelt so viele.