Konjunktur:Aussichten zwischen ziemlich düster und ein bisschen positiv

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Die gute Nachricht: In den vergangenen zwölf Monaten waren so viele Menschen wie nie zuvor erwerbstätig. Auch in dieser Berliner Eismanufaktur wurde viel gearbeitet. Die schlechte Nachricht aber lautet: Die Hälfte der EU-Staaten muss sich 2023 auf eine Rezession einstellen. (Foto: F. Anthea Schaap/imago images)

Rekordmeldungen vom Arbeitsmarkt, pessimistische Prognosen des Internationalen Währungsfonds: Wie geht das zusammen?

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Ganze zwei Tage ist das Jahr bisher alt, das Spektrum der Konjunkturnachrichten jedoch präsentiert sich bereits so breit und verwirrend vielfältig, dass es in anderen Zeiten locker für zwölf oder gar 24 Monate gereicht hätte. Rekordmeldungen zum deutschen Arbeitsmarkt hier, düstere Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) dort - wenn es überhaupt einen gemeinsamen Nenner gibt, auf den sich die Berichte und Aussagen bringen lassen, dann lautet er wohl: Selten war die wirtschaftliche Lage so labil, waren die Aussichten so ungewiss wie in diesem Januar.

Für die bisher positivste Nachricht des so jungen Jahres sorgte das Statistische Bundesamt, das am Montag die Arbeitsmarktstatistik für 2022 veröffentlichte. Demnach waren im Schnitt der vergangenen zwölf Monate 45,6 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig - so viele wie nie zuvor. Das ist umso erstaunlicher, als das Jahr 2022 ja von großen wirtschaftlichen Problemen überschattet war, von der Pandemie über die Energiekrise bis zu Rekordinflationsraten. Dank staatlicher Hilfen und einer weitsichtigen Personalpolitik vieler Unternehmen gelang es jedoch, den befürchteten Einbruch am Arbeitsmarkt vollständig zu verhindern.

Mehr noch: Die Beschäftigtenzahl legte gar um fast 590 000 oder 1,3 Prozent zu und übertraf damit den bisherigen Höchststand des Jahres 2019 um gut 290 000 Menschen. Erledigt wurde die Mehrarbeit vor allem von neuen Zuwanderern, zugleich stieg aber auch die Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung weiter an. Beide Wachstumsimpulse zusammen überwogen den dämpfenden Effekt, den die Alterung der Gesellschaft auf den Arbeitsmarkt hat und der ohne noch höhere Zuwandererzahlen mittelfristig zu einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Erwerbsalter führen wird.

Neue Jobs fanden die Menschen vor allem in Dienstleistungsberufen, die für 93 Prozent des Zuwachses verantwortlich waren. Hier stieg die Erwerbstätigkeit weit überdurchschnittlich um 1,6 Prozent. Erneut rückläufig war hingegen die Zahl der Selbstständigen und ihrer mithelfenden Angehörigen: Sie ging um 1,4 Prozent auf nur noch 3,9 Millionen Menschen zurück.

Einer der größten Risikofaktoren für die Konjunktur ist die Corona-Welle in China

Glaubt man dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel, dann dürfte die Erwerbstätigkeit 2023 noch einmal zulegen, bevor sie dann 2024 erstmals wieder sinkt. "Gedämpft wird die Arbeitsnachfrage der Unternehmen in erster Linie von den wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise, aber auch die kräftige Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro dürfte negative Beschäftigungseffekte hervorrufen", hieß es.

Ein weiterer Risikofaktor ist die Entwicklung der Weltwirtschaft, die IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in einem Interview des US-Fernsehsenders CBS in recht düsteren Farben malte. Die Staatengemeinschaft stehe "vor einem harten Jahr - härter als das Jahr, das wir gerade hinter uns gelassen haben", sagte sie. Der Währungsfonds gehe davon aus, dass ein Drittel der Weltwirtschaft im Laufe des Jahres in die Rezession abrutschen werde. "Warum? Weil die drei großen Volkswirtschaften - USA, EU, China - alle gleichzeitig schwächeln", so die IWF-Chefin.

Besonders skeptisch zeigte sich Georgiewa beim Blick auf Europa. Während die USA womöglich um einen nennenswerten Rückgang der Wirtschaftsleistung herumkämen, "hat der Krieg in der Ukraine die Europäische Union hart getroffen", sagt sie. Die Hälfte der EU-Staaten müsse sich 2023 auf eine Rezession einstellen. Auch China stehe vor einem "harten Jahr", noch schlechter sehe es in einer Reihe von Schwellen- und Entwicklungsländern aus.

Auch anderen Ökonominnen und Ökonomen bereitet vor allem die Lage in China Sorge. Nach der Abkehr von der Null-Covid-Politik wird das Land derzeit von einer massiven Corona-Welle überrollt, viele Menschen sind krank, Betriebe geschlossen. Das dürfte erneut Folgen für die globalen Lieferketten haben, die sich nach den Corona-Schocks der Jahre 2020 bis 2022 erst im letzten Halbjahr wieder ein wenig stabilisiert hatten.

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