Konjunktur:Kann die Mehrwertsteuersenkung wirklich die Wirtschaft ankurbeln?

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Schilder mit der Aufschrift "16% Mehrwertsteuer geschenkt auf alle Artikel" in einem Schaufenster in der Hamburger Innenstadt. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Viele Händler werben derzeit mit noch niedrigeren Preisen, doch Experten bezweifeln einen großen Effekt - und fürchten eine sprunghafte Verteuerung in 2021.

Von Caspar Busse

Zusammen mit der Lohnsteuer ist die Mehrwertsteuer diejenige Steuerart, die für die öffentlichen Haushalte in Deutschland die höchsten Einnahmen bringt. In der vergangenen Woche haben Bundestag und Bundesrat eine Senkung beschlossen, von diesem Monat an wird befristet bis Ende Dezember die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent reduziert, der ermäßigte Satz von sieben auf fünf Prozent. Viele Produkte könnten dadurch um 2,5 beziehungsweise 1,9 Prozent billiger werden. Die Steuerausfälle werden bei etwa 20 Milliarden Euro liegen. Die Regierung erhofft sich dadurch einen Schub für die Wirtschaft - Shoppen für die Konjunktur also.

Aber geben die Händler die Senkung überhaupt weiter? Kann die Wirtschaft so in Schwung gebracht werden?

Vom vergangenen Mittwoch an werben bereits viele Einzelhändler mit niedrigeren Preisen, insbesondere die großen Lebensmitteldiscounter geben die Steuersenkung weiter. Auch bei größeren Anschaffungen, etwa von Autos oder Möbeln, sind die Preise gesunken. Nach einer GfK-Umfrage will jeder Dritte die Steuersenkung für neue Anschaffungen nutzen. Viele sind angesichts der Krise aber vorsichtig mit größeren Investitionen. In einigen Branchen ändert sich auch kaum etwas, etwa im Modehandel oder in der Gastronomie. Dort profitieren dann aber die Anbieter selbst, denn sie haben am Ende mehr in der Kasse, was ihnen helfen kann, die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern.

Ifo-Chef Clemens Fuest ist skeptisch. Er geht dagegen davon aus, dass die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer nur einen begrenzten Effekt hat. Die Erfahrungen auch in anderen Ländern zeigten, dass Mehrwertsteuersenkungen nicht vollständig an die Konsumenten weitergegeben würden. "Die Mehrwertsteuersenkung wird zum Bürokratie-Wahnsinn für die Wirtschaft", sagte FDP-Fraktionsvize Christian Dürr. Das Finanzministerium behaupte, die Umstellung werde die Unternehmen rund 240 Millionen Euro kosten - in Wahrheit sei aber fast mit dem Zehnfachen zu rechnen. "Dieser Aufwand für sechs Monate ist absurd, denn die Verbraucher werden die Entlastung kaum zu spüren bekommen", kritisierte Dürr. Nach Rechnung der FDP wird ein durchschnittlicher Haushalt durch die Steuersenkung im Monat um lediglich 30 Euro entlastet.

2021, wenn die Maßnahme ausläuft, kann es dann zu sprunghaften Preissteigerungen kommen. Denn dass die Mehrwertsteuer auf Dauer gesenkt wird, ist sehr unwahrscheinlich.

© SZ vom 06.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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