Umweltschädliche Emissionen:So wollen Lobbyisten strengere Klimaziele verhindern

Das Kraftwerk Niederaußem von RWE

Das Kraftwerk Niederaußem von RWE Power ist keine Ausnahme: Industrie-Abgase tragen maßgeblich zur Luftverschmutzung bei.

(Foto: Christoph Hardt/imago)
  • Die EU könnte ihre Klimaziele noch einmal verschärfen - auf 45 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030, verglichen mit 1990.
  • Ein Dokument zeigt, mit welchen subtilen bis perfiden Methoden die Industrie dagegen vorgehen will.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Alexander Mühlauer, Brüssel

Europas Industrie hat es dieser Tage wirklich nicht leicht. Während im Hambacher Forst gegen den Braunkohle-Abbau demonstriert wird, schickt sich die EU-Kommission in Brüssel an, das Klimaziel noch einmal zu verschärfen - auf 45 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030, verglichen mit 1990. Die Frage lautet aus Sicht der Industrie also: Wie schafft man das nun wieder aus der Welt? Frontal angreifen oder das Problem doch lieber "minimieren"?

Wie fieberhaft Business Europe, Europas mächtigster Industrieverband, daran arbeitet, zeigt ein internes Dokument, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach soll es an diesem Mittwoch ein Treffen der europäischen Industriestrategen in Brüssel geben, bei dem auch der jüngste Vorschlag von EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete eine Rolle spielen soll. Tagesordnungspunkt vier soll sich der Klimapolitik widmen - und schon die Sitzungsunterlage belegt, mit welch subtilen Methoden die Industrie dagegen vorgehen will.

Da wäre etwa, Option eins, die freundliche Umarmung. Die Industrie könne sich, so schlägt das Papier vor, "eher positiv" zum Kommissionsvorschlag verhalten, "solange es ein rein politisches Papier bleibt". Sprich: Solange es keinerlei Auswirkungen auf die Industrie hat. Genau davor nämlich hat sie Angst: dass Brüssel es mit mehr Klimaschutz ernst meinen könnte. Deshalb sind die anderen drei Optionen auch weit weniger freundlich.

So könne man sich alternativ gegen den Vorschlag stellen, "unter Gebrauch der üblichen Argumente eines globalen Spielfelds, wir können nicht für andere kompensieren etc.". Diese Argumente sind tatsächlich üblich: Die Industrie verweist gern darauf, dass Europa nicht alleine vorneweg gehen dürfe, dies bedrohe die Wettbewerbsfähigkeit. Obendrein würde Europa dann mehr für den Klimaschutz tun als andere Wirtschaftsräume. Diese Melodie ist ziemlich vertraut im Streit um Klimaschutz.

Variante drei des Papiers ist deshalb auch deutlich perfider, sie heißt "challenge the process": Die Industrie könnte den Prozess infrage stellen, etwa indem sie anzweifelt, dass die Klimaziele fair und transparent berechnet wurden. Oder sie könnte fragen, ob die Folgen ausreichend abgeschätzt wurden oder neue Risiken drohen. Es ist ein Blick ganz tief in die Trickkiste des Lobbyismus, der nur noch von Option vier übertroffen wird: der Minimierung.

Der Vorschlag lasse sich demnach auch dadurch abbremsen, dass man auf die enormen Schwierigkeiten des Vorhabens verweist. Daraus bastelt die Industrie dann ihr Argument: "Der Schlüssel ist, andere große Volkswirtschaften davon zu überzeugen, zur EU aufzuschließen und den Umbau in Europa zum Erfolg zu machen. Dafür brauchen wir Stabilität, um Investitionen zu mobilisieren." Die Industrie würde sich damit scheinbar an die Spitze der Klimaschützer setzen - und von dort aus die schärferen Vorgaben minimieren.

Deutschlands Industrieverband BDI, ebenfalls Mitglied bei Business Europe, hatte schon früh klargemacht, dass er von einer Aufstockung des Ziels nicht viel hält. "Schärfere EU-Klimaziele bringen nichts", hatte Holger Lösch, der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer, nach Bekanntwerden von Cañetes Plänen erklärt. In der Folge hatte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wenig begeistert über den Vorstoß aus Brüssel gezeigt - ungeachtet der deutschen, höheren Klimaziele.

Umweltschützer sprechen von Sabotage

Umweltschützer sind wiederum entsetzt. Die Industrie wolle jeden Versuch der EU sabotieren, ihren enormen Rückstand beim Klimaschutz aufzuholen, sagt Stefan Krug, Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace. Die Stimmung unter deutschen Umweltschützern ist ohnehin angespannt, seit sich die Kohle-Konfrontation im Hambacher Forst bei Köln aufschaukelt. Die friedlichen Proteste gegen die Kohlepläne von RWE zeigten, "dass die Menschen sich von der Industrie nicht weniger, sondern viel mehr Klimaschutz als bisher erwarten", sagt Krug.

Das will auch die Kommission, und zwar rasch. Sie verweist auf Europas neue Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz. Rein rechnerisch ergebe sich daraus schon das Ziel von 45 Prozent - eine Sichtweise, die auch das Bundesumweltministerium teilt. Obendrein will die EU bei der kommenden Klimakonferenz in Kattowitz nicht mit leeren Händen auftauchen. Wenn die Weltgemeinschaft dort im Dezember auf der COP 24 über weitere Schritte gegen den Klimawandel berät, wird es auch um eine Aufstockung der Ziele gehen. "Die Kommission scheint entschlossen, diese Debatte und möglicherweise eine Einigung mit Blick auf COP 24 zu haben", schwant auch den Autoren des Memos von Business Europe. Die Auswirkungen auf die EU-Gesetzgebung seien "ein unklares Territorium". Nächste Woche will man sich wieder treffen.

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