Ökonomie:Verzicht ist keine Lösung

Lesezeit: 2 min

Ifo-Chef Clemens Fuest lehnt Subventionen wie jene an Intel ab. (Foto: Friedrich Bungert/Friedrich Bungert)

Weniger fliegen, kein Fleisch mehr essen: Clemens Fuest vom Ifo-Institut glaubt nicht, dass die Welt durch Verzicht klimafreundlicher wird. Er setzt seine Hoffnungen in Technologie.

Von Theo Harzer, München

Weniger fliegen, kein Fleisch mehr essen, öfter mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Solche Verhaltensänderungen sollen einen Beitrag zu einer nachhaltigen Welt leisten. Doch Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, glaubt nicht an den Effekt von derlei Maßnahmen. Konsumverzicht als Konzept auf dem Weg zur globalen Nachhaltigkeit hält er für unrealistisch, weil Menschen besonders in Schwellenländern dafür nicht zu motivieren seien. Stattdessen setze er seine Hoffnungen vor allem in Technologie und Investitionen, sagte er bei den Munich Economic Debates.

Fuest sieht Nachhaltigkeit und Wohlstand nicht als widersprüchlich, vielmehr seien sie zwei Seiten einer Medaille. Nachhaltigkeit sei langfristig eine Voraussetzung für Wohlstand, da es herkömmliches Wirtschaftswachstum bei starker Umweltzerstörung irgendwann nicht mehr geben könne. Um dieser Zerstörung der natürlichen Ressourcen Einhalt zu gebieten, müsse der ökologische Fußabdruck der Welt verkleinert werden, und zwar dramatisch: "In den nächsten zehn Jahren müssten wir unseren ökologischen Fußabdruck auf ein Drittel reduzieren." Dann könne die Natur sich wieder erholen.

Als wichtigstes Werkzeug dafür betrachtet Fuest den technischen Fortschritt. "Wir haben heute keine Vorstellung über die technischen Möglichkeiten in der Zukunft", sagte er und widersprach in diesem Zuge diesem beliebten Slogan von Klimaaktivisten: "Die Erde ist begrenzt und deshalb ist auch die Wirtschaftsleistung begrenzt." Fuest sagte: "Das widerspricht jeder Erfahrung." Denn das menschliche Wissen sei unbegrenzt und somit auch das innovative Potenzial.

SZ PlusKlimakrise
:Macht endlich!

Warum müssen wir nicht alle mehr verzichten? Und warum traut sich die Regierung selbst angesichts der aktuellen Klimaeskalation nicht, endlich mal zu zu regieren? Ein verzweifelter Zwischenruf

Essay von Vera Schroeder

Fuest sprach sich gegen staatliche Maßnahmen aus, die Wachstum und Konsum bremsen. Auf nationaler Ebene könne das wirken, Nachhaltigkeit müsse man aber global denken: "An der Entwicklung der Welt ändert das gar nichts." Wirtschaftswachstum und Konsum seien politisch nicht steuerbar. Sie folgten aus den Entscheidungen einzelner Menschen - und die wollten sich entfalten. "In Indien leben 1,2 Milliarden Menschen, die möchten einen Kühlschrank haben. Das halte ich auch für richtig", sagte Fuest. "Der Konsum wird weiter zunehmen, das Wachstum wird weiter zunehmen, und wir müssen uns damit arrangieren."

Seiner Ansicht nach kann das gelingen, indem man den technologischen Fortschritt auch durch staatliche Anreize massiv beschleunigt und Innovationen auf nachhaltige Technologien ausrichtet. Fuest forderte öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung. Zudem sollten die Anreize für private Investitionen stark verbessert werden. Ein weiteres wichtiges Werkzeug sieht Fuest in der Bepreisung von Umweltgütern wie dem EU-Emissionshandel. "Bepreisung heißt allerdings, dass man auch Mengen reduziert." Die Gesamtmenge von Umweltgütern, zum Beispiel CO₂, müsse begrenzt werden. Neben Investitionen in nachhaltige Technologien fordert Fuest auch Investitionen in Naturkapital, zum Beispiel Aufforstung: "Das ist eine relativ billige Art, Klimaschutz zu betreiben." Außerdem brauche man eine stärkere Ausrichtung der Landwirtschaft auf den Schutz der Biosphäre, den Ausbau der Recyclingwirtschaft und mehr Unterschutzstellung von Naturflächen, auch in Schwellenländern.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungFlugscham
:Nicht zu fliegen, ist auch keine Lösung

Von wegen Flugscham: Im Sommer wird es wieder voll an deutschen Flughäfen - und das ist okay. Fliegen sollte nichts sein, wofür man sich schämt. Es muss einfach nur teurer werden.

Essay von Sonja Salzburger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: