Finanzpolitik:Jeroen Dijsselbloem aussichtsreichster Kandidat für IWF-Chefposten

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Kennen sich aus vielen Krisengesprächen: Jeroen Dijsselbloem und Christine Lagarde bei einem Treffen in Den Haag. (Foto: Robin Utrecht/dpa)
  • Die bisherige IWF-Chefin, Christine Lagarde, wechselt zur EZB in der gleichen Position.
  • Die Niederlande wollen ihren ehemaligen Finanzminister, Jeroen Dijsselbloem, an der Spitze des IWF.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Alexander Hagelüken

Die niederländische Regierung will den früheren Finanzminister und Chef der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, zum Direktor des Internationalen Währungsfonds IWF in Washington wählen lassen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung versucht Den Haag derzeit, eine Mehrheit unter den europäischen Staaten für Dijsselbloem als Nachfolger der Französin Christine Lagarde zu organisieren, die am 1. November an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) rücken soll.

"Es ist ein europäischer Anspruch, wieder den Präsidenten des IWF zu benennen", sagt Angela Merkel

Die zentrale Aufgabe des IWF besteht darin, das internationale Währungssystem stabil zu halten, Finanzkrisen zu verhindern und Mitgliedsländern in Finanznöten zu helfen. Dijsselbloem gilt inzwischen als aussichtsreicher Bewerber für den Topjob. Den Haag hat in den vergangenen Tagen zahlreiche Telefonate mit Politikern und Zentralbankern quer durch Europa geführt. Dem Vernehmen nach stehen auch Berlin und Paris der Idee aufgeschlossen gegenüber, eine offizielle Stellungnahme gab es jedoch nicht. Ohne die Zustimmung dieser zwei zentralen EU-Staaten hätte ein Kandidat wahrscheinlich wenig Chancen. Ist die französische Regierung einverstanden, wäre dies ein Signal, weil Frankreich 44 der 73 Jahre seit Gründung des IWF nach dem Zweiten Weltkrieg den Generalsekretär stellte, unter anderem mit Dominique Strauss-Kahn, Michel Camdessus und Jacques de Larosière. Wird Lagarde EZB-Chefin, kann Paris aber wohl nicht auch noch den IWF-Posten beanspruchen.

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Die CDU-Chefin räsonierte darüber, "ob man nicht auch die Niedrigzinsphase ein Stück weit einbremsen muss". Sie hat aber nicht das Recht, der EZB Ratschläge zu erteilen.

Kommentar von Marc Beise

Dijsselbloem war im Januar 2013 als gänzlich unerfahrener Finanzminister auf Betreiben des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) zum Chef der mächtigen Gruppe der Euro-Finanzminister befördert worden. Schäuble wollte sich damit seinen Einfluss auf Entscheidungen des Gremiums gerade in der Zeit der dramatischen Schuldenkrise sichern. Dijsselbloem agierte zunächst ganz im Sinne Schäubles; er versuchte vor allem gegenüber Zypern und Griechenland eine strikte Austeritätspolitik durchzusetzen. Sein anfänglich undiplomatisches Auftreten und Fehler in der Kommunikation brachten ihm herbe Kritik ein. Mit den Jahren zeigte sich Dijsselbloem wesentlich diplomatischer und gewann dadurch an Wertschätzung in beinahe allen europäischen Staaten.

Seit Jahren dringen die wirtschaftlich immer bedeutenderen Schwellenländer darauf, den Chefposten des Währungsfonds zu besetzen. Den hat seit 1946 immer ein Europäer inne, dafür stellten die USA meist die Spitze der Weltbank - so die transatlantische Absprache. Die Forderung der Schwellenländer weisen die Europäer auch diesmal zurück. "Es ist ein europäischer Anspruch, wieder den Präsidenten des IWF zu benennen", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einigen Tagen in Berlin. "Die Welt hat sich verändert, und deshalb werden wir dafür auch kämpfen müssen. Denn wir sind nicht allein auf der Welt."

Der britische Notenbankchef Mark Carney hat im Lichte des Brexit wenig Chancen

Die Europäer dürften sich auch diesmal durchsetzen, ihnen springt US-Präsident Donald Trump bei. Wie zu hören ist, will Trump den Einfluss der Schwellenländer, vor allem Chinas, in der Organisation mit 189 Ländern begrenzen. Dass die Europäer einen Kandidaten aus der Euro-Zone nach Washington schicken wollen, ist nachvollziehbar: Nach den Erfahrungen der Schuldenkrise der Jahre 2010 bis 2017 wäre es in einer künftigen Finanzkrise hilfreich, einen Politiker an der IWF-Spitze zu haben, der die Euro-Zone besonders gut kennt. Dieser Grund spricht gegen einen anderen Kandidaten, den Kanadier Mark Carney, langjähriger Chef der britischen Notenbank. Er wird von wichtigen Notenbankern für den IWF-Posten favorisiert. Sie verweisen darauf, Carney besitze neben der kanadischen und britischen Staatsangehörigkeit auch jene Irlands, das zur EuroZone gehört. Im Lichte des britischen EU-Austritts ist Carney als in Kanada geborener britischer Notenbankchef allerdings wohl einigen Euro-Regierungen kaum vermittelbar.

Die Personalie Dijsselbloem soll auf dem Treffen der G-7-Staaten in dieser Woche in Paris weiter abgestimmt werden. Bis Ende Juli will man sich über die Nachfolge geeinigt haben. Neben Dijsselbloem werden derzeit insgesamt noch fünf weitere Kandidaten genannt, deren Chancen allerdings als geringer eingeschätzt werden.

Dijsselbloem musste gehen, weil seine Partei zu schlecht abgeschnitten hat

Dijsselbloem musste im Januar 2018 sein Amt als Chef der Euro-Gruppe abgeben, zuvor hatte seine Partei, die Sozialdemokraten, bei den Parlamentswahlen kräftig verloren; Dijsselbloem verlor dadurch den Posten als Finanzminister. Bei der Europawahl feierten die niederländischen Sozialdemokraten ein großes Comeback; sie holten mit ihrem Spitzenkandidaten Frans Timmermans 18 Prozent.

Timmermans fiel bei den Staats- und Regierungschefs allerdings als Kandidat für den Job des EU-Kommissionspräsidenten durch; vor allem Osteuropa lehnte ihn ab. Das trug auch dazu bei, dass sich die Sozialdemokraten, vor allem in Deutschland, jetzt dagegen sperren, stattdessen Ursula von der Leyen als Kommissionschefin zu wählen. Von der Leyen gehört als CDU-Politikerin zur Europäischen Volkspartei.

Die Nominierung des Sozialdemokraten Dijsselbloem für den Topjob des IWF könnte dazu beitragen, die parteipolitischen Wogen in Europa zu glätten. Kanzlerin Merkel sagte vor wenigen Tagen, bei der IWF-Besetzung kämen natürlich auch jene Länder in Betracht, die bei der Besetzung der europäischen Spitzenposten "vielleicht nicht so zum Zuge gekommen sind". Das träfe auf die Niederlande zu.

© SZ vom 16.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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